Korruptionsexperten rechnen nach dem Fall Siemens mit dem Auftauchen weiterer Schmiergeldskandale bei führenden deutschen Unternehmen. "Ich bin sicher, dass wir in den kommenden zwölf bis 24 Monaten noch einige Fälle von Korruption sehen werden. Ich würde da DAX-Unternehmen auch nicht ausschließen", sagte Caspar von Hauenschild, Vorstand der Anti-Korruptionsvereinigung Transparency International (TI) in Deutschland. Anhaltspunkte hierfür könnten dem Experten zufolge aus steuerlichen Betriebsprüfungen hervorgehen. Die Prüfer seien verpflichtet, etwaige verdächtige Zahlungen den Staatsanwaltschaften zu melden.
Laut Transparency International hat die deutsche Justiz seit Siemens ihre Anstrengungen zur Korruptionsbekämpfung erhöht. "Die Staatsanwaltschaften werden besser und konsequenter in der Verfolgung von Korruption. Das hat man etwa an der guten Zusammenarbeit der deutschen und italienischen Behörden sowie bei der Verurteilung von Managern im Falle Siemens gesehen", sagt der Korruptionsexperte. Zudem rechnet TI damit, dass die Behörden künftig weitere Mittel für die Bekämpfung illegaler Geschäftspraktiken bereitstellen. "Bei den Korruptionsstaatsanwaltschaften dürften künftig auch die Kapazitäten aufgestockt werden", sagte von Hauenschild.
Im Vorgehen der Justizbehörden gegen den ehemaligen Siemens-Vorstandschef Heinrich von Pierer sieht Transparency International einen Schritt mit Signalwirkung. "Wenn von Pierer zur Rechenschaft gezogen wird, dann wird das auf deutsche Manager abschreckend wirken", sagte der TI-Vorsitzende.
Die Münchner Staatsanwaltschaft hatte am Freitag bekannt gegeben, dass sie gegen von Pierer und andere ehemalige Vorstände und Aufsichtsräte des Konzerns ein Ordnungswidrigkeitsverfahren einleiten will. Der Exvorstand habe sich im Zusammenhang mit der Affäre der "Verletzung der Aufsichtspflicht" schuldig gemacht, sagte Oberstaatsanwalt Anton Winkler. Von Pierer muss mit einer Geldbuße in Höhe von bis zu einer Million Euro rechnen.
Der Konzern wappnet sich unterdessen gegen mögliche Sanktionen, die Siemens selbst aus dem Verfahren gegen ehemalige Organe des Unternehmens entstehen könnten. Konzernkreisen zufolge prüft die Düsseldorfer Kanzlei Hengeler Mueller bereits Möglichkeiten, sich gegen etwaige Geldbußen abzusichern.
Auf Grundlage eines Gutachtens der Kanzlei wird der Aufsichtsrat voraussichtlich auf seiner nächsten turnusgemäßen Sitzung Ende Juli über mögliche Schadenersatzklagen gegen von Pierer und andere ehemalige Organe entscheiden. Bereits im Oktober 2007 hatte ein Münchner Landgericht den Konzern wegen Verfehlungen eines Exmanagers der Kommunikationssparte Com mit einer Geldbuße in Höhe von 201 Millionen Euro belegt.
Inzwischen steht mit der französischen Alstom ein weiterer prominenter Konzern unter Korruptionsverdacht. Behörden in der Schweiz und in Frankreich ermitteln wegen verdächtiger Zahlungen gegen den Siemens-Konkurrenten. Berichten zufolge sollen bei Wasserkraft- und U-Bahn-Projekten dubiose Zahlungen in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro geflossen sein.
Bei Siemens geht es um 1,3 Milliarden Euro an fraglichen Transaktionen. Projekte öffentlicher Auftraggeber aus Bereichen wie Transport oder Energie gelten als anfällig. "Korruption ist in Industrien wie der Kraftwerkstechnik besonders ausgeprägt. Gerade öffentliche Ausschreibungen sind Einfallstore", sagte Experte von Hauenschild.
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