- von Simon Lewis und Max Hunder
Kiew/Slowjansk (Reuters) - Bei ihrer Großoffensive auf die ostukrainische Region Donzek liefern sich russische Truppen schwere Kämpfe mit ukrainischen Soldaten.
Am Rande der von Russland bereits eingenommenen Nachbarregion Luhansk werde erbittert gekämpft, sagte der dortige ukrainische Gouverneur Serhij Hajdaj am Mittwoch im Fernsehen. "Wir halten den Feind an der Grenze zwischen den Regionen Luhansk und Donezk auf", schrieb er zudem auf Telegram. Die russische Armee schicke reguläre Einheiten und Reservekräfte in das Gebiet und versuche offenbar, den Fluss Siwerskyj Donez zu überqueren. "Sie erleiden ziemlich schwere Verluste." Am Sonntag hatte Russland die vollständige Einnahme von Luhansk verkündet, das zusammen mit Donezk den Donbass bildet, ein wichtiges Industriegebiet im Osten der Ukraine und erklärtes Ziel der russischen Invasion.
Hajdaj zufolge verlegte das russische Militär einige Bataillone ins Kampfgebiet am Siwerskyj Donez, um die verletzten Soldaten zu ersetzen. "Sie nehmen nicht alle Verletzten mit. Die Krankenhäuser sind überfüllt, ebenso die Leichenhallen." Die Besatzer erlitten erhebliche Verluste, wie sie selbst zugäben, erklärte Hajdaj und verwies auf Aussagen russischer Kriegsgefangener und ukrainischer Einwohner, die mit russischen Soldaten in den gefallenen Städten Sjewjerodonezk und Lyssytschanks gesprochen hatten. Unabhängig bestätigten ließen sich die Angaben des Gouverneurs nicht.
"Sowohl in Luhansk als auch in Donzek gibt es noch immer starken Beschuss mit Granaten", sagte Hajdaj weiter im ukrainischen Fernsehen. "Sie beschießen alles, was ihnen im Weg ist." So hatten am Dienstag russische Truppen einen Markt und ein Wohngebiet in der Stadt Slowjansk beschossen, die in der Region Donezk nahe der Grenze zu Luhansk liegt. Dabei seien mindestens zwei Menschen getötet und sieben verletzt worden, teilten die örtlichen Behörden mit. Auch die nahe gelegene Stadt Kramatorsk ist nach Angaben des Gouverneurs von Donezk, Pawlo Kyrylenko, Ziel russischer Angriffe.
"WIE 1939 BEI DEN NAZIS"
Hajdaj berichtete auch von Plünderungen russischer Soldaten in Sjewjerodonezk und Lyssytschanks, den weitgehend zerstörten Zwillingsstädten in der Region Luhansk. "Sie machen Jagd auf Bewohner, die für die Ukraine eintreten. Sie machen Geschäfte mit Kollaborateuren. Sie kundschaften Wohnungen aus, in denen Soldaten lebten, brechen ein und nehmen Kleidung mit.... Alles wird zerstört. Ganze Sammlungen von Büchern auf Ukrainisch. Das ist ein Déjà-vu - wie 1939 bei Nazi-Deutschland." Unabhängig bestätigen lassen sich die Berichte nicht. Die russische Führung erklärt stets, sie ziele nicht auf Zivilisten.
Moskau bezeichnet die am 24. Februar begonnene Invasion als militärischen Sondereinsatz, der der Entmilitarisierung des Nachbarlandes und dem Schutz der russisch-sprachigen Bevölkerung vor Nationalisten gelte. Die von pro-russischen Separatisten ausgerufenen und international nicht anerkannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk sollen der Kontrolle der Ukraine entzogen werden.
Die Ukraine und westlich orientierte Staaten sprechen dagegen von einem nicht provozierten Angriff Russlands und werfen ihm den Bruch des Völkerrechtes durch die Invasion vor. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben Russland aufgefordert, eine Anordnung des Internationalen Gerichtshofs zu befolgen, in der das Land dazu angehalten wird, sich aus der Ukraine zurückzuziehen.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow rief am Mittwoch alle Staaten auf, das Völkerrecht zu achten. Dies sei notwendig, da sich die Welt auf komplizierte Weise entwickle, sagte er bei einem Treffen mit seinem vietnamesischen Amtskollegen Bui Thanh Son in Hanoi. Vietnam und Russland unterhalten enge Beziehungen, die bis in die Sowjetzeit zurückreichen. Die Regierung in Hanoi hat den Angriff auf die Ukraine bislang nicht verurteilt. Lawrow reist diese Woche auch nach Indonesien, um an einem Treffen der Außenminister der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) teilzunehmen.
(weitere Berichterstattung von Khanh Vu, geschrieben von Sabine Ehrhardt, redigiert von Christian Rüttger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)