Von Hans Bentzien
BRÜSSEL (Dow Jones)--Der Chef der Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB), Andrea Enria, hat vor den Folgen eines ungeordneten Zinsanstiegs für die Banken des Euroraums gewarnt. In einer Anhörung vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments sagte Enria laut veröffentlichtem Redetext: "Die Auswirkungen eines ungeordneten Ausstiegs aus dem Niedrigzinsumfeld für die Asset-Qualität würden die Vorteile zunichtemachen, die sich für die Banken aus höheren Zinsen ergeben."
Dies gelte besonders mit Blick auf Hypothekarkredite für Wohngebäude, in Segmenten mit hohem Fremdkapitalanteil und in Sektoren, die besonders empfindlich auf die Inflation der Energie- und Rohstoffpreise reagierten.
Die Marktzinsen in den USA und im Euroraum haben seit Jahresbeginn in Reaktion auf den starken Anstieg der Inflationsraten und in Erwartung entsprechender geldpolitischer Reaktionen mit einem Rekordtempo angezogen.
Laut Enria ist ein allmählicher Anstieg der Zinssätze für die Banken insgesamt von Vorteil. Im ersten Quartal hätten steigende Renditen zusammen mit dem anhaltenden Kreditwachstum die Nettozinserträge gestützt. Darüber hinaus seien Provisionsüberschüsse und Handelsergebnisse "solide" gewesen. "Das führte zu einer positiven Entwicklung der Betriebsergebnisses, die den Kostenanstieg übertraf und zu einer verbesserten Kosteneffizienz führte", sagte Enria.
Enria zufolge haben in diesem Umfeld selbst Banken mit hohem Engagement in Russland Gewinne gemacht. Auch habe es weitere Fortschritte bei der Abwicklung notleidender Altkredite gegeben. Der Bankenaufseher warnte aber, dass das derzeitige Umfeld durch eine erhöhte Volatilität und niedrigere Aktienbewertungen gekennzeichnet sei, da die Märkte davon ausgingen, dass die Rentabilität und die Asset-Qualität der Banken durch ungünstige makroökonomische Entwicklungen beeinträchtigt werden könnten.
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June 30, 2022 03:29 ET (07:29 GMT)