Interview: Warum ETFs für Privatanleger von Interesse sind

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finanzen.net: Herr Diel, auch wenn ETFs mittlerweile mehr als 20 Jahre in Deutschland am Markt sind, sind sie immer noch nicht allen Anlegern geläufig. Ihr größter Vorteil – transparent, einfach, günstig – ist im von Beratern dominierten Fondsmarkt in Deutschland auch ein Nachteil. Können ETFs auch für Berater und damit für Privatanleger interessant sein?

Patrick Diel: Zumindest spricht sehr viel dafür! ETFs zählen zum Kern vieler institutioneller Portfolien, ihre positiven Eigenschaften wie niedrige Kostenbelastung und gute Handelbarkeit machen sie auch für private Anleger interessant. Auch für Berater können ETFs vorteilhaft sein, indem sie zum Beispiel auf eine Flat-Fee-Lösung umsteigen. Das bedeutet, anstelle der bisherigen provisionsbasierten Modelle wird eine einheitliche jährliche Gebühr berechnet, abhängig von der Höhe der angelegten Summe. Werden hier kosteneffiziente ETFs eingesetzt, kann sich dies unmittelbar positiv auf das Renditepotential durchschlagen. Ein anderes Beispiel: Aufgrund ihrer transparenten Struktur werden ETFs immer häufiger in fondsgebundenen Vermögensverwaltungen eingesetzt, die Berater in ihrer Kundenbetreuung einsetzen können. Schließlich sind ETFs so konzipiert, dass sie den jeweiligen Markt möglichst genau abdecken. Das gilt für steigende, aber natürlich auch für fallende Märkte.

finanzen.net: ETFs sind standardisierte Produkte, viele Anleger legen aber heute großen Wert auf nachhaltige Investments, die auch soziale oder ökologische Kriterien beinhalten. Bieten ETFs auch entsprechende Alternativen?

Patrick Diel: Ja, gerade in den vergangenen Jahren sind die Zuflüsse in ETFs, die eine nachhaltige Geldanlage ermöglichen, stark gestiegen. Das ist nicht verwunderlich, denn prinzipiell sind ETFs für diesen Zweck sehr gut geeignet. Grundsätzlich geht es bei der nachhaltigen Geldanlage um die strenge Einhaltung von Regeln. Die ausgewählten Aktien oder Anleihen müssen bestimmte Kriterien mit Blick auf ESG, also Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung) einhalten. Diese Kriterien lassen sich sehr gut bei der Konstruktion eines Index berücksichtigen. Im Detail ist also für die Gewichtung in einem Index nicht alleine die Marktkapitalisierung entscheidend, wie beim DAX oder MSCI World, sondern das Verhalten des Unternehmens beim Klimaschutz oder bei der Einhaltung von Arbeitnehmerrechten. Der Effekt lässt sich anschließend detailliert nachweisen. Bei ETFs, die entsprechende Indizes abbilden, stoßen die investierten Unternehmen beispielsweise deutlich weniger klimaschädliches CO2 aus.

finanzen.net: Auf Nachhaltigkeit oder ESG ausgerichtete ETFs bilden sehr unterschiedliche Indizes ab. Worauf sollten Anleger schauen, wenn sie einen ETF auswählen?

Patrick Diel: Nachhaltige Indizes lassen sich grundsätzlich nach drei Anlagestilen klassifizieren. Der Negativ-Ausschluss ist der älteste und traditionellste Weg, bei dem bestimmte Unternehmen oder Sektoren aus dem Anlageuniversum ausgeschlossen sind. Die häufigsten Ausschlusskriterien betreffen Rüstungsgüter, insbesondere Streubomben und Landminen. Der Best-in-Class Investmentansatz konzentriert sich auf Unternehmen, die in der Vergangenheit in Bezug auf Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsmaßnahmen innerhalb ihrer eigenen Branche besser abgeschnitten haben als ihre Konkurrenten. Im Rahmen des Thematischen Investierens wird gezielt in Branchen und Unternehmen investiert, die sich auf die Lösung spezifischer Sozial- oder Umweltprobleme spezialisiert haben, also zum Beispiel die Erzeugung erneuerbarer Energien, Trinkwasseraufbereitung oder Mikrokredite in Schwellenländern. Oft werden bei Indizes auch Kombinationen der verschiedenen Ansätze angewendet. Bei den ESG-Indizes von Xtrackers gibt es sowohl einen Negativ-Ausschluss bestimmter kontroverser Branchen als auch eine Best-in-Class Auswahl nach bestimmten Umwelt- und Klimaschutz-Kriterien.

finanzen.net: Der größte Teil der Ersparnisse der Haushalte in Deutschland liegen immer noch auf Sparbüchern und Festgeldkonten ohne Verzinsung. Können ETFs einen Ausweg aus dem Nullzins-Dilemma bieten?

Patrick Diel: Dass das Sparbuch in Zeiten von dauerhaften Nullzinsen nach Abzug der Inflation ein garantiertes Minusgeschäft ist, sollte jedem klar sein. ETFs können hier eine Brücke zu lohnenderen Alternativen schlagen. Wer auf Zinseinnahmen wert legt, könnte sich Segmente ansehen, die auch heute noch eine merkliche Verzinsung bieten, wie zum Beispiel ETFs auf Unternehmensanleihen oder internationale Staatsanleihen. Hier sind natürlich Unterschiede zum Sparbuch zu beachten, da ETFs schwanken können. Unterm Strich besteht gerade bei mittel- und langfristiger Anlage die Chance auf einen Mehrertrag im Vergleich zum unverzinsten Sparguthaben. Auch eine Beimischung von Aktien-ETFs kann langfristig durchaus sinnvoll sein. Bei einer Anlage in sehr breit gestreuten Indizes wie beispielsweise dem MSCI World, der aktuell die rund 1600 größten Aktien aus allen wichtigen Industriestaaten bündelt, sind Anleger an der wirtschaftlichen Entwicklung der globalen Wirtschaft insgesamt beteiligt. Das Risiko eines einzelnen Wertes spielt hier kaum eine Rolle. Langfristige Trends wie das Bevölkerungswachstum und das steigende zur Verfügung stehende Einkommen der Mittelschicht in vielen Ländern sprechen für ein Wachstum der Weltwirtschaft – trotz aller Konjunkturzyklen.

finanzen.net: Worauf sollten Anleger vor allem achten, wenn sie ein ETF-Depot zusammenstellen?

Patrick Diel: Wichtig ist vor allem, dass das Depot zu den Anlagezielen, der Risikobereitschaft und dem Investmenthorizont passt. Auch wenn es verlockend ist, sollte eben nicht der konkrete ETF am Anfang der Überlegungen stehen, um sich dann zu überlegen, wie das Produkt in das Portfolio passt. Zum Start sollte geklärt werden, ob langfristig, also länger als zehn Jahre, investiert werden soll und ob das Kapital über diesen Zeitraum tatsächlich unangetastet bleiben kann. In diesem Fall kann eine hohe Quote an Aktien-ETFs sinnvoll sein. Ist der Anlagehorizont deutlich kürzer, oder besteht die Wahrscheinlichkeit, dass ein Teil des Kapitals vorher benötigt wird, sollte die Aktienquote entsprechend geringer ausfallen. Dafür könnten ETFs auf Staats- oder Unternehmensanleihen aufgenommen werden. Vor der Auswahl eines konkreten ETFs sollte viel Zeit in die Auswahl des für die Anlageziele am besten geeigneten Index gesteckt werden. Bei der Auswahl eines konkreten ETFs auf diesen Index sollte darauf geachtet werden, einen etablierten Anbieter mit einer breiten Produktpalette zu nehmen. Denn in diesem Fall stehen auch genügend Handelspartner (Market Maker) an der Börse zu Verfügung, die für eine laufende Liquidität sorgen. Schließlich sollte es ein ETF mit einem größeren Volumen sein, auch das spricht für eine gute Handelbarkeit.

finanzen.net: Die Zahl der ETF-Sparpläne in Deutschland hat sich in drei Jahren mehr als verdreifacht, auf fast 1,75 Millionen ETF-Sparpläne per Juni 2020. Wird das Wachstum weiter anhalten?

Patrick Diel: Ja, davon bin ich überzeugt. Ein starkes Indiz dafür ist, dass ETF-Sparpläne von vielen Banken bereits eingesetzt werden, um Kunden für sich zu überzeugen. Ein breites Angebot an ETF-Sparpläne wird heute ähnlich zur Kundenansprache genutzt wir früher ein verzinstes Tagesgeldkonto. Das Angebot an ETF-Sparplänen ist in den vergangenen Jahren sprunghaft gestiegen, mittlerweile können alle Anlageklassen und Segmente abgedeckt werden, von Aktien über Anleihen bis zu Rohstoffen. Auch nachhaltige oder Thematische ETFs können über Sparpläne investiert werden. Bei einigen Anbietern ist es auch möglich, einen Sparplan ganz ohne Gebühren abzuschließen. Xtrackers gibt auf seiner Webseite für jeden ETF an, welche Bank oder welcher Onlinebroker dieses Produkt als Sparplan für welche Gebühren anbietet.
Der langfristige Charakter eines Sparplans macht ETFs aufgrund ihrer günstigen Kostenstruktur, der breiten Diversifikation und der hohen Auswahl an Investitionsmöglichkeiten zum idealen Instrument für Sparpläne. Allein deswegen und aufgrund der zunehmend stärker werdenden digitalen Vertriebswege glaube ich an ein ungebrochenes Wachstum bei ETF-Sparplänen.

finanzen.net: Viele von ETFs abgebildete Indizes gibt es ja schon sehr lange. Daher lassen Sie uns in die Zukunft schauen: Gibt es auch neue Trends, die von ETFs abgebildet werden?

Patrick Diel: Die Kombination von etablierten Indizes und hoher Innovationskraft machen das ETF-Segment besonders interessant. Auf der einen Seite gibt es Indizes mit einer teilweise über Jahrzehnte reichenden Historie. Auf der anderen Seite entstehen immer wieder neue Konzepte. Über ESG-Indizes haben wir bereits gesprochen, die eine systematische nachhaltig ausgerichtete Geldanlage ermöglichen. Ein anderes Beispiel ist Thematisches Investieren. Hier geht es um neuartige Indexkonzepte, bei denen Aktien ausgewählt werden, die in Zukunft bei bestimmten Anlagethemen vorteilhaft aufgestellt sein sollten. Das ist eine völlig neue Herangehensweise. Denn bei klassischen Indexkonzepten wird betrachtet, welche in der Vergangenheit erreichten Kennzahlen für eine Bewertung relevant sind. Bei vorausschauenden Thematischen Indizes wird versucht, durch das Screenen von Patent-Datenbanken mithilfe von künstlicher Intelligenz herauszufinden, welche Unternehmen aussichtsreiches Wissen in Zukunftsbereichen aufgebaut haben. So geht zum Beispiel der Xtrackers Artificial Intelligence & Big Data UCITS ETF vor.

Weiterführende Informationen rund um Xtrackers ETFs

Zur Person

Patrick Diel begann seine Karriere 2004 in der Deutschen Bank im Bereich Corporate Banking & Securities, wo er für die Betreuung von Privatbanken in Deutschland für ETF & ETCs, systematische Fonds und strukturierte Produkte zuständig war. Seit 2013 arbeitet er in der DWS für den Vertrieb von Passiven Investments mit Fokus auf Asset Manager, Privatbanken, regionale Banken, Family Offices, Vermögensverwalter und Direktbanken. Seit 2019 leitet er neben dem Passive Sales an alle Wholesale-Kunden auch für aktive Fonds den Vertrieb an alle Portfolio-Manager in Deutschland.

Bildquelle: xTrackers