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Für die USA haben wir unsere diesjährigen Wachstumsprognosen im Juli von rund 2% auf etwa 1,5% gesenkt; eine Rezession noch in diesem Jahr halten wir weiterhin für unwahrscheinlich, im kommenden Jahr ist das Risiko jedoch relativ hoch. Wie in unserem Halbjahresbericht erwähnt, schätzen wir die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA innerhalb der kommenden 24 Monate auf 65%.
Im ersten Quartal ist die US-Wirtschaftsleistung mit einer Jahresrate von 1,6% gesunken. Zwei Quartale mit Negativwachstum in Folge erwarten wir nicht, schließen die Möglichkeit jedoch nicht aus. In einigen Ländern spricht man nach zwei aufeinanderfolgenden Quartalen mit rückläufiger Wirtschaftsleistung von einer Rezession, in den USA wird eine Rezession dagegen vom privaten National Bureau of Economic Research (NBER) festgestellt. Die ausschlaggebenden NBER-Faktoren sind nach wie vor stark, weshalb wir selbst bei Negativwachstum im zweiten Quartal keine offizielle Rezessionserklärung des NBER erwarten.
Auch in der Zinsstrukturkurve achten wir auf Anzeichen einer Rezession. Der Risikoaufschlag zwischen zwei- und zehnjährigen Staatsanleihen hat sich umgekehrt, die kurzfristige Effektivverzinsung lag im Juli bisher über der längerfristigen. Sollte die inverse Zinskurve auch in den kommenden Wochen anhalten, würden wir dies als Rezessionssignal werten. Der Spread zwischen Anleihen mit dreimonatiger und zehnjähriger Laufzeit, ein zuverlässigerer Rezessionsindikator, liegt dagegen weiterhin im Normalbereich.
Wegen steigender Erdgaspreise haben wir unsere Wachstumsprognose für den Euroraum in diesem Jahr von 2,5 bis 3% auf 2 bis 3% gesenkt. Auch für 2023 erwarten wir nur ein Wachstum von 0,5 bis 1,5%. Da Russland seine Lieferungen nach Europa gedrosselt hat, sind die europäischen Erdgaspreise seit Jahresbeginn um mehr als 100% gestiegen. Nach Abschluss der jährlichen Wartungsarbeiten fließt wieder Gas durch die Nord-Stream-1-Pipeline, allerdings weniger als zu Beginn des Jahres. Die Wahrscheinlichkeit einer Rezession im Euroraum innerhalb der nächsten 12 bzw. 24 Monate schätzen wir auf 50 bzw. 60%. Ein Stopp der russischen Gaslieferungen würde Europa fast sicher in eine Rezession stürzen, von der Deutschland und Italien mit ihren bedeutenden Produktionsstandorten am stärksten betroffen wären. Der Dienstleistungssektor dürfte von der Wiederbelebung des Tourismussektors profitieren, erneute Schocks ließen sich durch weitere Hilfen für den Energiesektor abfedern. Beides wird jedoch einen Rückgang der Realeinkommen kaum verhindern.
In Großbritannien erwarten wir für das Gesamtjahr 2022 nach wie vor ein Wachstum von 3,5 bis 4%, doch steigen die Risiken angesichts der absehbaren Konjunkturabkühlung. Die bisherigen Haushaltspakete und ein absehbarer Anstieg der Nominallöhne dürften einen Rückgang der realen (inflationsbereinigten) Einkommen kaum verhindern. Weitere Konjunkturmaßnahmen hängen davon ab, wer Boris Johnson als Premierminister ablöst, und müssen zudem gegen das Risiko abgewogen werden, dass sie die Inflation anheizen.
In China ist dieWirtschaft im zweiten Quartal um mehr als die erwarteten 2,6% geschrumpft, was die Auswirkungen der Omikron-Ausbreitung und Lockdowns verdeutlicht. Die Daten für Juni zeigen einen Anstieg der Industrieproduktion und Einzelhandelsumsätze ebenso wie eine Stärkung des Arbeitsmarktes, Hochfrequenzdaten deuten jedoch darauf hin, dass die Wirtschaft nach einem erneuten Anstieg der Infektionszahlen und mehreren regionalen Lockdowns wieder ins Stocken geraten ist. Wir gehen davon aus, dass die Regierung aggressivere Konjunkturmaßnahmen ergreifen wird; wegen der Null-Covid-Politik, dem schwachen Wachstum der Haushaltseinkommen, dem geringen Unternehmensvertrauen, dem schwachen Immobilienmarkt und steigenden Rezessionsrisiken in anderen Ländern halten wir eine Erholung jedoch für unwahrscheinlich. Mit rund 3% liegt unsere diesjährige Wachstumsprognose für China deutlich unter dem offiziellen Wachstumsziel von „rund 5,5%“.
Die nächste Ausschusssitzung der Federal Reserve ist für den 27. Juli angesetzt, eine Zinserhöhung von weniger als 75 Basispunkten halten wir für unwahrscheinlich. Mit der größten Zinserhöhung seit November 1994 hat die US Federal Reserve den Zielkorridor für die Federal Funds Rate bereits im Juni um 75 Basispunkte auf 1,5 bis 1,75% angehoben. Wir vermuten, dass die US-Zentralbank mit diesem Schritt auf die immer noch überraschend hohe Inflation reagiert hat und die Zinsen bis Jahresende auf 3,25 bis 3,75% anheben wird (aktuell: 1,5 bis 1,75%). Im Jahr 2023 erwarten wir weiterhin einen Höchstsatz von mindestens 4%.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihren Leitzins am 21. Juli zum ersten Mal seit Juli 2011 um 0,50% angehoben. In diesem Jahr rechnen wir weiterhin mit Zinserhöhungen in der Größenordnung von 100 bis 125 Basispunkten, wodurch der Einlagensatz der EZB auf 0,5 bis 0,75% steigen würde. Bis Ende 2023 dürfte der Einlagensatz auf etwa 2,5% steigen, in Anbetracht der aktuellen Entwicklung am Erdgasmarkt ist jedoch auch eine weniger umfangreiche Zinserhöhung vorstellbar. Die EZB bestätigte zudem ein neues Transmission Protection Instrument (TPI), das die Risikoaufschläge für Anleihen aus der europäischen Peripherie begrenzen soll. Zum Einsatz kommen soll das TPI, um einer ungerechtfertigten Marktentwicklung entgegenzuwirken, die die Durchsetzung der Geldpolitik im gesamten Euroraum gefährden würde.
Die Bank of England (BoE)wird ihre Leitzinsen in den kommenden 12 Monaten voraussichtlich um weitere 1,25 Prozentpunkte anheben und sich unserer Schätzung eines neutralen Zinssatzes von 2,5% annähern. (Der neutrale Zinssatz ist ein theoretischer Zinssatz, der die Wirtschaft weder ankurbelt noch bremst.) Am 5. Mai hat die BoE die Zinsen zum fünften Mal in Folge auf 1,25% angehoben. Wir werden auf mögliche Konjunkturmaßnahmen des nächsten Premierministers bzw. der nächsten Premierministerin achten. Umfangreiche staatliche Ausgaben könnten die Zentralbank veranlassen, die Zinsen schneller und deutlicher anzuheben, als es unter anderen Umständen zu erwarten wäre.
Mehrere Schwellenländer haben derweil mit aggressiven Zinserhöhungen auf die hohe Inflation reagiert. Eine Konjunkturabkühlung wird daher wahrscheinlicher – und könnte den nächsten Zinssenkungszyklus einleiten. In den Schwellenländern Europas und Lateinamerikas preisen die Märkte Zinssenkungen bereits ab 2023 ein.
In den USA ist der Verbraucherpreisindex (CPI) auch im Juni gestiegen, dieses Mal um 9,1% gegenüber dem Vorjahr. Anfang Juli sind die Benzinpreise zwar gefallen, allerdings ist dieser Zeitraum in den Daten jedoch nicht enthalten. Der Core CPI ohne die volatilen Lebensmittel- und Energiepreise lag mit +5,9% etwas unter dem Niveau des Vormonats.
Eine Verdoppelung der Erdgaspreise im letzten Monat hat die Gesamtinflation im Euroraum auf einen neuen Rekordstand von 8,6% getrieben, weshalb wir unsere Prognosen für die Spitzen- und Gesamtjahresinflation angehoben haben. Im dritten Quartal erwarten wir einen Spitzenwert von rund 10%, im Gesamtjahresdurchschnitt gehen wir von 8 bis 8,5% aus. Die Kerninflation, bei der die schwankungsanfälligen Lebensmittel- und Energiepreise herausgerechnet werden, stieg im Vergleich zum Juni 2021 um 3,7% und lag damit leicht unter dem Wert vom Mai (3,8%). Damit hat die Teuerung zum ersten Mal seit vier Monaten an Tempo verloren. Wir gehen weiterhin davon aus, dass sich die Inflation bis Ende 2023 auf das 2%-Ziel der Europäischen Zentralbank zubewegen wird, da in Europa mehrere Gründe gegen anhaltend höhere Inflation sprechen, darunter der geringere Anteil der Löhne an den Dienstleistungskosten und das vergleichsweise geringere Gewicht des Dienstleistungssektors an den offiziellen Inflationszahlen.
In Großbritannien ist die Gesamtinflation im Juni auf 9,4% gegenüber dem Vorjahr gestiegen, erneut waren vor allem höhere Kraftstoff- und Lebensmittelpreise für den Anstieg verantwortlich. Nach einem Plus von 5,9% im Mai ist die Kerninflation ohne die volatilen Lebensmittel- und Energiepreise im Juni um 5,8% gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen, zumal der Anstieg der Gebrauchtwagen- und Computer-Preise zuletzt nachgelassen hat. Da im Oktober die Obergrenze für die Energiepreise um voraussichtlich 42% angehoben wird, dürfte die Inflation im vierten Quartal kurzzeitig die Marke von 10% übersteigen.
Der Arbeitsmarkt in den USA hat mit 372.000 neu geschaffenen Stellen im Juni die Erwartungen übertroffen, die Arbeitslosenquote lag unverändert bei 3,6%. Wir vermuten, dass strukturell bedingte Angebotsengpässe (u. a. die steigende Zahl an Pensionierungen, sinkende Zuwanderung und andere Lebensgewohnheiten) eine deutliche Schwächung des Arbeitsmarktes durch das wirtschaftliche Umfeld in naher Zukunft unwahrscheinlich machen.
Im Euroraum ist die Arbeitslosenquote im Mai von 6,7% auf 6,6% gesunken (saisonbereinigt; Vorjahreszeitraum: 8,1%). Für den Rest des Jahres rechnen wir mit einem anhaltend robusten Arbeitsmarkt, steigendem Lohndruck und einer wachsenden Zahl offener Stellen.
In Großbritannien lag die Arbeitslosenquote in den drei Monaten bis Ende Mai stabil bei 3,8%, die Zahl der neu geschaffenen Stellen lag mit 269.000 über den Erwartungen. Die Zahl der offenen Stellen zwischen April und Juni lag mit 1,29 Millionen leicht unter dem Rekordwert von 1,3 Millionen von März bis Mai. Die Arbeitsmarktdaten zeigen auch, dass die Löhne und Gehälter nicht mit der Inflation mithalten konnten: Die regulären Löhne und Gehälter sind um 2,8% gesunken, die Löhne und Gehälter einschließlich Boni um 0,9% (jeweils inflationsbereinigt). Bei der Bewertung der wirtschaftlichen Lage und der Erstellung von Zinsprognosen werden wir weiterhin die Wechselwirkung zwischen Lohnwachstum und Inflation beobachten.
Diese Angaben entsprechen der internen Einschätzung des Global Economics and Markets Team der Vanguard Investment Strategy Group (ISG) per 21. Juli 2022.
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