Im Folgenden finden Sie eine Zusammenfassung einer Ausgabe des WisdomTree-Podcasts Crypto Clarified zum Thema Krypto. Die Teilnehmer des Gesprächs sind Benjamin Dean, Director of Digital Assets, Pierre Debru [PD], Head of Quantitative Research & Multi Asset Solutions, Europe, und Blake Heimann [BH], Senior Associate, Quantitative Research. Zusammenfassung: Die Indexbildung ist eine Methode, um die Wertentwicklung einer Gruppe von Vermögenswerten auf standardisierte Weise zu verfolgen. Sie begann gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Dow Jones Industrial Index und wurde im Laufe der Zeit um Produkte wie Indexfonds und börsengehandelte Fonds (ETFs) erweitert. Die Erstellung eines Index für Kryptowährungen wurde in letzter Zeit durch die Zunahme der investierbaren Assets sowie durch die Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von On-Chain-Daten ermöglicht. Anleger kaufen Krypto-Indizes zu Benchmarking-Zwecken und zur Diversifikation. Bei der Erstellung eines Krypto-Index müssen sowohl quantitative Kennzahlen wie die Marktkapitalisierung als auch qualitative Risiken wie der Anwendungsfall und das regulatorische Risiko berücksichtigt werden. Möglicherweise werden in nächster Zeit spezifischere Kennzahlen verwendet, um Indizes zu erstellen, die den Markt potenziell übertreffen können. Könnten Sie die Indexierung für die Leser erklären, die mit den technischen Aspekten des Finanzwesens nicht so gut vertraut sind? Worum geht es? Seit wann gibt es Indizes? Warum werden sie erstellt? PD: In einem Satz: Die Indexbildung ist eine Methode, um die Wertentwicklung einer Gruppe von Vermögenswerten auf standardisierte Weise zu verfolgen. Dabei kommen einfache, transparente und systematische Regeln zur Anwendung, die im Laufe der Zeit konsistent zum Aufbau eines Portfolios eingesetzt werden können. Indizes werden schon seit Langem erstellt. Es begann gegen Ende des 19. Jahrhunderts bei Aktien mit dem Dow Jones Industrial Index. Dieser Index wurde geschaffen, um die Wertentwicklung von Aktien zu messen und Anlegern die Möglichkeit zu geben, ihre eigene Performance mit der des Marktes zu vergleichen. Der „Index“ wird häufig auch als „der Markt“ bezeichnet, weil er die Wertentwicklung aller Aktien, Anleihen usw. abbilden soll. Von da an hat sich das Ganze sehr schnell weiterentwickelt. Schließlich waren Aussagen von Anlegern zu hören, wie etwa: „Ich würde gerne in diesen Markt investieren.“ Daraus entstanden Produkte, mit denen Anleger in den Markt investieren konnten, ohne aktiv entscheiden zu müssen, welche Aktie oder Anleihe sie kaufen wollten. In den 1970er Jahren erfolgte das mit einem Indexfonds, der beispielsweise den S&P 500 nachbildete. In den 1990er Jahren wurden dann börsengehandelte Fonds (ETFs) geschaffen. Heute sind es digitale Token, die Anlegern die Nachbildung eines Index ermöglichen. Die letzte Entwicklungsstufe der Indexierung besteht schließlich nicht darin, den Markt nachzubilden, sondern vielmehr im Versuch, den Markt zu schlagen. Wenn wir also über faktorbasiertes Investieren sprechen, geht es im Grunde um systematisches, quantitatives Anlegen, bei dem systematische Regeln angewendet werden, um nach Möglichkeit den Markt zu übertreffen. Man nennt das zwar immer noch einen Index, aber es ist etwas völlig anderes. Es handelt sich eher um eine Anlagestrategie, die auf einer systematischen (d. h. regelbasierten) Grundlage beruht und daher als Index bezeichnet wird, aber es geht nicht um die Abbildung des Marktes, sondern um das Übertreffen des Marktes. Was hat sich in den letzten Jahren geändert, sodass eine Krypto-Indexierung möglich wurde? BH: Einer der wichtigsten Punkte ist wohl, dass Bitcoin in der Vergangenheit den Kryptomarkt dominiert hat. 2017 kamen dann ETH und einige ICOs (Initial Coin Offering) hinzu. Dadurch wurde das Gesamtuniversum der möglichen Anlagen erweitert. Nun gibt es tatsächlich mehrere investierbare Assets, deren Nachbildung sich lohnt. Außerdem stehen On-Chain-Daten zur Verfügung. Wenn Sie zum Beispiel einen nach Marktkapitalisierung gewichteten Index erstellen wollen, ähnlich einem S&P 500 für Kryptowährungen, benötigen Sie genaue Preis- und Angebotsdaten, damit Sie eine echte Marktkapitalisierung berechnen können. In diesem Zusammenhang müssen Sie vor allem in einem unregulierten Bereich sicherstellen, dass die von Ihnen verwendeten Preise nicht aus einer Art von Wash-Trading (d. h. Anleger handeln mit demselben Wertpapier mit sich selber) oder anderen Aktivitäten stammen, die kein echtes Volumen darstellen und Ihnen nicht unbedingt einen fairen Preis liefern würden. PD: Wenn ich noch hinzufügen darf, um eine zahlenmäßige Vorstellung davon zu geben, was ein Index abdecken soll: In der Welt der Aktien würde man erwarten, dass ein Large-Cap-Index wahrscheinlich 95 % der gesamten Marktkapitalisierung des Landes oder des Universums abdeckt, das wir erfassen wollen. Wenn Sie Small Caps einbeziehen, würden Sie wahrscheinlich 99 % der gesamten Marktkapitalisierung des Sektors berücksichtigen wollen. Deshalb sprach Blake von 95 % des Bereichs, was vor 5–6 Jahren wahrscheinlich Bitcoin oder Bitcoin Plus war, aber das ist nicht mehr der Fall. Wenn Sie jetzt 95 % oder vielleicht 99 % betrachten, handelt es sich um Hunderte von Coins oder Token. An diesem Punkt kommt die Notwendigkeit der Indexierung ins Spiel. Sie können nicht mehr einfach sagen: „Ich habe in Coin A investiert, und er schlägt Bitcoin oder er schlägt Bitcoin nicht.“ Das ist nicht mehr der Maßstab. Die Frage ist also: Woran kann ich mich messen? Ich habe diesen Coin vor sechs Monaten gekauft. War es eine gute oder schlechte Investitionsentscheidung? Sie können es nicht beurteilen, wenn Sie nicht wissen, was in 99 % des Sektors geschehen ist, und das ist die Funktion eines Index. Warum würden Anleger in Anbetracht Ihrer Erklärung, warum Indizes existieren, speziell einen Krypto-Index kaufen wollen? Warum nicht einfach nur Bitcoin kaufen? PD: Zunächst brauchen Sie eine Benchmark. Um wirklich einen Vergleich anstellen zu können, müssen Sie wissen, wie sich der Markt entwickelt. Das ist die Aufgabe einer Benchmark – deshalb ist es im Bereich Krypto wichtig, ein Pendant zum S&P 500 zu haben. Der zweite Schritt, der meiner Meinung nach sehr bald kommen wird, sind Investitionen in den Markt. Die Anleger werden eine Diversifizierung auf mehrere Token, mehrere Anwendungsfälle, mehrere Sektoren usw. anstreben. Sie wollen zunehmend diversifizierte Anlagen tätigen und nicht mehr nur das Risiko eines einzelnen Coins auf sich nehmen, sondern eher das Risiko eines ganzen Korbes. Hier kommt der Index ins Spiel. Wenn Sie über den Versuch nachdenken, Krypto-Indizes zu erstellen, was sind einige der Fallstricke, in die man tappen kann? BH: Wir haben bereits ein wenig über Datenverfügbarkeit und Qualitätssicherung gesprochen. Es gibt Probleme mit der Messung der Marktkapitalisierung. Erstens muss ein genauer Preis ermittelt werden und zweitens muss eine genaue Berechnung des Angebots im Umlauf vorliegen. Ich beziehe mich speziell auf das Angebot im Umlauf, da ein beträchtlicher Teil dieser Token in verschiedenen Gründer-Wallets und anderen weniger liquiden Wallets gebunden ist. In diesem Sinne befinden sie sich also nicht im Umlauf. Ein weiteres Beispiel: Wenn Sie über einen Index nachdenken und 99 % des Universums abbilden wollen, besteht die Herausforderung darin, zurückzublicken und zu sagen: „Wie können wir eigentlich eine Abbildung aller nicht mehr existierenden Coins von beispielsweise 2017 erstellen?“ Viele der Datenanbieter, viele Stellen, an denen man diese Daten abrufen würde, gibt es gar nicht. Sie könnten also einen Backtest für den nach Marktkapitalisierung gewichteten Index für die letzten fünf Jahre durchführen, aber er würde einen „Survivorship Bias“ (Überlebenden-Verzerrung) aufweisen, weil bestimmte nicht mehr existente Coins, die während des ICO-Wahns hochgegangen sind und jetzt im Wesentlichen mit Null gehandelt werden, von Ihren 99 % ausgeschlossen wären. Wenn Sie das heute aufgrund von Problemen mit der Datenverfügbarkeit nicht haben, werden Sie einen ungenauen Backtest haben. Bei diesem Prozess sind also zahlreiche kleine Details zu beachten, ganz abgesehen von der technischen Expertise, die erforderlich ist, um alle Daten zu erfassen, zusammenzuführen und sicherzustellen, dass sie korrekt und einsatzbereit sind. Wir haben über einige quantitative Kennzahlen gesprochen. Welche qualitativen Risiken sind bei der Zusammenstellung eines Index zu bedenken? PD: Bei Aktien- oder Anleihenindizes erfolgt ein Risikomanagement. Der S&P 500 ist größtenteils regelbasiert, aber es gibt eine Ebene des Risikomanagements, die im Grunde aus einem Ausschuss von Personen besteht. Dieser Ansatz lässt sich auch auf die Indexierung von Kryptowährungen anwenden. Sie müssen sich zum Beispiel fragen, ob ein Token, der derzeit von einigen führenden Regulierungsbehörden untersucht wird, für eine Weile aus der Benchmark herausgenommen werden sollte, bis die Untersuchung abgeschlossen ist. Sollte ein Token, bei dem es Probleme in Bezug auf Geldwäsche oder dergleichen gibt, aus dem Index genommen werden, bis diese Probleme gelöst sind? Hier geht es um ein Gleichgewicht hinsichtlich der Repräsentativität. Wenn Sie einige Coins ausschließen, ist das natürlich etwas weniger repräsentativ für den Markt. Wenn Sie aber einige Coins aufnehmen, die aufgrund von Problemen risikoreicher erscheinen, ist die Gefahr größer, dass Ihr Index eine höhere Volatilität aufweist. Es muss ein Gleichgewicht gefunden werden, und es gibt keine perfekte Antwort. BH: Wenn Sie die Dinge qualitativ betrachten, insbesondere die Anwendungsfälle, und dann sagen können: „Okay, diese Anwendungsfälle sind im Allgemeinen gut geeignet.“ Allerdings kann alles, was (zum Beispiel) in Bezug auf den gesamten Sektor als „Datenschutz-Token“ betrachtet werden könnte, ein rotes Tuch sein, das signalisiert: „Hey, das taucht automatisch auf einer Liste auf, die wir im Detail überprüfen müssen, damit wir sicherstellen können, dass es sich nicht um etwas handelt, das ein zusätzliches Risiko, ein regulatorisches Risiko, in diesem Bereich darstellt.“ Wie wird sich die Krypto-Indexierung Ihrer Meinung nach in absehbarer Zeit entwickeln? PD: Angenommen, wir kommen in nächster Zeit an einen Punkt, an dem es diese Benchmark gibt, unabhängig davon, ob sie durch die Marktkapitalisierung definiert ist oder nicht. Dann könnten andere Kennzahlen recht nützlich sein, um sich von dieser Benchmark abzuheben, und gewissermaßen zu einer „Jagd nach Alpha“ führen. Wenn wir diese ursprüngliche Benchmark als Beta definieren, könnten wir etwas wie TVL (Total Value Locked) auf einer Smart-Contract-Plattform hinzufügen. Die Menge an Assets, die in diesen unterschiedlichen Smart Contracts gebunden sind, könnte ein Indikator für die tatsächliche Nutzung dieser ersten Ebene sein. Sie können auch die Gesamtzahl der aktiven Wallets oder die Anzahl der Transaktionen in einem Netzwerk betrachten. Sie könnten einige sehr maßgeschneiderte Kennzahlen für einen bestimmten Anwendungsfall erstellen und ihn als Teilsektor bezeichnen. Wenn es sich beispielsweise um ein Kreditvergabeprotokoll handelt, könnten Sie einige Kennzahlen zu dieser spezifischen Aktivität untersuchen, um festzustellen, ob es etwas Beständiges darstellt oder ob es möglicherweise eine kritische Masse erreicht. Nehmen Sie zum Beispiel Uniswap. Das Gesamtvolumen von Uniswap als dezentrale Börse übertraf im letzten Jahr Coinbase. Bestimmte Kennzahlen könnten einen Anlageprozess beeinflussen, der recht interessant sein und zu einer potenziellen Outperformance gegenüber einer eher „einfachen“ Benchmark führen könnte, die Ihnen lediglich ein Beta-Engagement am Markt bietet. BH: Mithilfe einer Taxonomie wie der Digital Assets Taxonomy von WisdomTree können Sie den Krypto-Bereich segmentieren. Wenn Sie also über ein dezentrales Finanzwesen (DeFi) nachdenken, könnten Sie sagen: „Ich möchte ein DeFi-Engagement, weil es meiner Überzeugung nach ein starker Anwendungsfall für Krypto ist.“ Sie könnten einen weiteren Teilindex haben, der das abbildet und in den Sie investieren könnten. Zurück zu quantitativen Aspekten, um noch einen Schritt weiter zu gehen. Wenn Sie einige dieser interessanten Kennzahlen heranziehen, um zu bestimmen, welche DeFi-Protokolle und DeFi-Token tatsächlich in diesem Index oder diesem Portfolio enthalten sind, könnte es wirklich sehr aufschlussreich werden. Sie werden sehen, dass der Bereich sehr schnell komplex wird, wenn es um die Festlegung einer Zuweisung innerhalb dieser Kryptoallokation in einem breiteren Portfolio geht. PD: Das ist interessant, denn genau so verhalten sich die meisten Anleger. Es gibt immer noch die Stockpicker von Einzeltiteln, aber die meisten Anleger greifen auf eine Benchmark zurück, die sie dann nach ihren eigenen Vorstellungen anpassen. Sie sagen zum Beispiel: „Ich mag US-Aktien, also kaufe ich US-Aktien statt globaler Aktien.“ Sie könnten auch sagen: „Ich glaube wirklich an Energie für 2022, also kaufe ich den S&P 500 Energy.“ Bei Kryptowährungen könnte man sagen: „Wovon ich wirklich überzeugt bin, sind die Entwickler. Alles dreht sich um die Stärken des Entwicklungsteams. Also kaufe ich meinen Index, aber innerhalb des Index kaufe ich mehr von dem Coin mit den meisten Entwicklern oder von dem Coin mit dem größten Humankapital, weil er die stärksten Entwickler hat, die schon an dem besten Coin gearbeitet haben.“ Diese Art von Ideen lassen sich jedoch viel leichter umsetzen, wenn man von der Basis ausgehen kann, und die Basis ist eine Benchmark. Wenn Ihre Basis lautet: „Hier sind 10.000 Coins“, dann ist das sehr, sehr schwierig. Wenn Sie von „Das ist der S&P 500 der Kryptowährungen“ ausgehen, können Sie mit der Feinarbeit beginnen. Aus diesem Grund bin ich der Ansicht, dass diese Benchmark durchaus Wert schaffen kann. Zudem könnte Sie folgende Lektüre interessieren...+ Die Bedeutung von Transparenz bei Digital-Asset-Produkten ]]>