Das MIT Technology Review veranstaltete vor Kurzem seine Konferenz EmTech Digital. Dabei überrascht es wohl kaum, dass der Schwerpunkt in diesem Jahr auf generativer künstlicher Intelligenz (KI) lag.
Es gibt Anzeichen, dass generative KI in ihren vielen verschiedenen Formen wichtig ist und wirtschaftliche Auswirkungen haben wird, aber es ist noch nicht klar, wie sich dies in den kommenden Jahren genau äußern wird.
Im Folgenden erörtern wir unsere vier wichtigsten Erkenntnisse nach der Konferenz.
1. Ein geänderter Umgang mit Microsoft Office-Software
Microsoft hat bekanntermaßen erhebliche Investitionen in OpenAI getätigt und es besteht eine enge Beziehung zwischen den beiden Unternehmen – GPT-4 ist beispielsweise auf bestimmten Microsoft Azure-Serviceplattformen zugänglich. Microsoft hatte gerade erst in seinem Bericht zum 31. März 2023 die Bedeutung und die erwarteten Auswirkungen von KI auf seine künftigen Geschäftsergebnisse erwähnt, daher waren wir neugierig, was der Konzern in einer kurzen Präsentation noch ergänzen könnte.
Microsoft erwähnte jedoch einen der spannendsten Punkte der gesamten Konferenz. Wir alle suchen nach „Anwendungsfällen“ und möchten herausfinden, wie sich die Kommunikation mit der Office 365-Software in „natürlicher Sprache“ gestalten wird.
Der Sprecher von Microsoft wies darauf hin, ein Beispiel für ein Word-Dokument gesehen zu haben, wobei die Technologie sich nahtlos mit PowerPoint verbinden und ein Word-Dokument in eine Folienversion umwandeln konnte.
Für das Researchteam von WisdomTree ist es eine wichtige Aufgabe, eine Quelldatei in Textform in eine mögliche Präsentation umzugestalten. Manche Situationen erfordern Folien, andere erfordern E-Mails und wiederum andere erfordern Word-Dokumente. Es ist sehr zeitaufwendig, ein Word-Dokument mühsam in relevante, aussagekräftige Folien umzugestalten. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, die Word-Datei mit PowerPoint zu verknüpfen, um zumindest einen groben Entwurf mit Folien zu erstellen, würde dies allein im WisdomTree-Researchteam im Laufe des Jahres eine große Menge an Arbeitsstunden sparen.
Da dies wahrscheinlich auch in umgekehrter Richtung funktionieren könnte (PowerPoint zurück zu Word), sind wir vielleicht nicht mehr weit davon entfernt, dass Blogbeiträge auf der Grundlage von PowerPoint-Folien entworfen werden.
2. Wussten Sie, dass KI kein Patent haben kann?
Der Motor der aktuellen generativen KI-Revolution hat zum Teil mit Kreativität zu tun. Die Menschen sind begeistert von der Möglichkeit, Bilder, Moleküle und Texte zu erstellen, um nur einige Beispiele zu nennen. Allerdings bemüht sich die Welt, die rechtlichen Auswirkungen besser zu regeln. Ein Beispiel hierfür ist die Fähigkeit von Stability AI zur Bilderzeugung. Getty Images, ein bedeutender Inhaber von Rechten an fotografischen Inhalten, hat vorgebracht, dass die Verwendung seiner Bilder auf diese Weise gegen seine Lizenzbestimmungen verstößt und dass seine Bilder aufgrund der Vielfalt der Themen und der detaillierten Metadaten für Schulungszwecke sehr wertvoll sind1.
Der Wert des Zugangs zu Schulungsdaten tritt also immer deutlicher zutage.
Ein weiterer Punkt, der uns nicht bewusst war, ist, dass KI, wenn sie an der Schaffung von etwas Neuem beteiligt ist, kein Patent halten kann, was in den USA interessante Auswirkungen auf das geistige Eigentum haben könnte. In einem Artikel in der National Law Review vom 2. Mai 2023 heißt es: „Federal Circuit Holds That AI Cannot Be an „Inventor“ Under the Patent Act – Only Humans Can Get Patents“ (Bundesgerichtshof stellt fest, dass KI kein „Erfinder“ im Sinne des Patentgesetzes sein kann – nur Menschen können Patente erhalten)2.
3. Die Magie der Fehlererkennung
Eine der spannendsten Präsentationen betraf unserer Meinung nach die „Fehlererkennung“ der Firma Landing AI. In den letzten Jahren haben wir viel Zeit damit verbracht, über Elektrofahrzeuge nachzudenken. Als globales Unternehmen verfügt WisdomTree über viele Fonds, die sich auf verschiedene Metalle und unterschiedliche Arten von Unternehmen konzentrieren – im Grunde sämtliche Möglichkeiten, wie Anleger ihre Investitionen an den von ihnen verfolgten Trends ausrichten können. Die Welt braucht mehr Batterien, so viel ist klar, aber die Batterien müssen so gebaut werden, dass Fehler vermieden werden.
Wenn der Begriff „Computervision“ ohne eine Anwendung erwähnt wird, klingt er nicht immer spannend und regt vielleicht nicht die Fantasie an. Doch als wir die Präsentation sahen, konnten wir uns sofort ein Bild von all den neuen Fabriken machen, die zum Bau von mehr Batteriezellen errichtet werden und die von bestimmten Finanzierungsbestimmungen im Rahmen des Inflation Reduction Act (Inflationsbekämpfungsgesetz) in den USA profitieren. Die Vorstellung eines in großem Maßstab eingesetzten Computervision-Systems, das in der Lage ist, defekte Batteriezellen nahezu in Echtzeit zu erkennen, könnte von enormem Wert sein. Alle Fertigungsunternehmen könnten von einer besseren Fehlererkennung profitieren. Das Interessante an der Präsentation war, dass mit „gezielter Werbung“ und „Internetsuche“ so viel Geld verdient wird, dass in diesem Bereich viele KI-Anwendungen entwickelt werden. Wenn ein Unternehmen jedoch den gesamten Bedarf der verschiedenen Fertigungsunternehmen abdecken kann, könnte dies ebenfalls ein großer, immens wertvoller Markt sein, wenn diese Systeme wirklich fehlerhafte Produkte vor ihrer Auslieferung erkennen können.
Besonders eindrucksvoll war auch die Demonstration, wie ein Unternehmen eine Reihe von Bildern in einer Datenbank hat und mithilfe von KI „lernt“, ein bestimmtes Merkmal, etwa einen Riss, zu erkennen. Das könnte eine bessere Fehlererkennung in großem Maßstab ermöglichen und die Modellschulung in die Hände von Menschen legen, die keinen Doktortitel in Datenwissenschaft haben – beides sehr wirkungsvolle Aspekte.
4. Die Rechnung der Arzneimittelentwicklung ist unerschwinglich
Einige Vorträge während der Veranstaltung betrafen die Wirkstoffentdeckung, und das aus gutem Grund. Es wurde erwähnt, dass die Entwicklung eines bestimmten Moleküls zu einem Medikament etwa 2 Milliarden US-Dollar und zehn Jahre in Anspruch nimmt sowie eine Misserfolgsquote von 96 Prozent auf diesem Weg aufweist. Wir brauchen zwar medikamentöse Therapien, aber die statistischen Angaben zu diesem Weg klingen nicht gerade überzeugend, und das macht die Medikamente, die sich durchsetzen, extrem teuer.
Ob Nvidia oder Exscientia, das entscheidende Element ist bisher nicht die Aussage, dass „KI Medikamente hervorbringt“, sondern dass „KI unsere Chancen verbessert“. Chemie und Physik ähneln Sprachen: Es gibt bestimmte Regeln, nach denen sie funktionieren. Generative KI schafft nicht immer fertige Prosa, ist aber in der Lage, viele Optionen recht schnell auf die Seite zu bringen. Generative KI für die Arzneimittelentwicklung wird Wissenschaftlern höchstwahrscheinlich dabei helfen, bessere und wahrscheinlichere Versuche für weitere Studien durchzuführen.
Ein bemerkenswerter Aspekt war, dass wir uns möglicherweise an einem Übergangspunkt bei der Herangehensweise an die Forschung befinden. Humanforscher, die auf der Suche nach einem Heilmittel oder einer neuen Therapie für eine bestimmte Krankheit sind, verfolgen viele sehr ähnliche Ansätze. Bei von Menschen betriebenen Konzepten leuchtet dies ein. Aber bei Ansätzen, bei denen maschinelles Lernen im Vordergrund steht, sind die Daten aus den Versuchen möglicherweise nicht vielfältig genug, sodass der Algorithmus des maschinellen Lernens bemerkenswerte Beziehungen in den Daten finden kann, die menschliche Forscher wohl nicht gesehen hätten.
Wenn Algorithmen des maschinellen Lernens stärker in den Fokus rücken, kann dies die Vorgehensweise bei bestimmten Forschungsarbeiten wie der Wirkstoffentdeckung so verändern, dass die Systeme eine angemessene Bandbreite an Daten erhalten, aus denen sie Muster und Beziehungen herausarbeiten können.
Schlussfolgerung: 2023 als Wendepunkt
Die Geschichte ist voller Wendepunkte. E-Commerce, Internetsuche, Smartphones, die App-Wirtschaft, soziale Medien – all diese Dinge hatten einen „Anfang“, bei dem der Erfolg noch lange nicht gesichert war und wir nicht genau vorhersagen konnten, wohin sich die Technologien entwickeln würden. Auch wenn sich KI schon seit vielen Jahren weiterentwickelt, wird 2023 vielleicht als eine Art Anfang gesehen, da es den Zeitpunkt markiert, an dem nicht technisch versierte Menschen KI wie jede andere Anwendung nutzen.
Quellen
1 Quelle: Brittain, Blake. „Getty Images lawsuit says Stability AI misused photos to train AI.“ (Klage von Getty Images: Stability AI soll Fotos zum Training von KI missbraucht haben.) Reuters. 6. Februar 2023.
2 Quelle: „Federal Circuit Holds that AI Cannot Be an „Inventor“ Under the Patent Act – Only Humans Can Get Patents.“ The National Law Review. 6. Mai 2023. Band XIII, Nummer 126.
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