„Elektrisches Licht entstand nicht durch die stetige Verbesserung von Kerzen.“ – Oren Harari

 

Im Jahr 1900 war der Energiemix unserer Welt einfach: Die Hälfte der gesamten Energieversorgung stammte aus Kohle und die andere Hälfte aus Biomasse. Zwar gab es Gas, Erdöl und Wasserkraft, doch im Vergleich dazu waren sie unbedeutend. 121 Jahre später – im Jahr 2021 – hat sich die Lage vor allem in zweierlei Hinsicht geändert: Erstens liegen Öl und Gas gleichauf mit Kohle und machen insgesamt beinahe 77 % des Energiemix aus. Zweitens hat der gesamte Energieverbrauch um das 14-Fache zugenommen1.

 

Dieser drastische Anstieg unseres Energieverbrauchs, bei dem die Nachfrage hauptsächlich durch fossile Brennstoffe gedeckt wird, hat ein Problem geschaffen. Anfang 2023 stehen wir nun vor einer CO2-Bilanz mit 380 Gigatonnen an CO2-Äquivalenten. Mit anderen Worten: Die Erderwärmung könnte sich in neun Jahren auf 1,5 °C belaufen2.

 

Außer es finden grundlegende Veränderungen statt. Keine kontinuierliche Verbesserung, sondern ein radikaler Wandel. Wie der Verzicht auf fossile Brennstoffe zugunsten sauberer Alternativen. Das ist nicht nur unabdingbar, sondern dank des Fortschritts bei erneuerbaren Energien zum Glück auch machbar.

 

Im Kern der Energiewende

 

Betrachten Sie einmal den Unterschied zwischen dem Basisszenario (dunkelblaue Linie in der nachstehenden Grafik) in Abbildung 1 und dem Weg, den wir im 1,5°C-Szenario einschlagen müssen (blaugrüne Linie). Das blaugrüne Szenario erscheint durch eine Kombination von zwei Vorgehensweisen möglich. Wo eine Dekarbonisierung der Stromerzeugung und des Transportwesens machbar ist, muss sie auch durchgeführt werden. Wo sie nicht möglich ist, beispielsweise in der Schwerindustrie wie Stahl und Zement, muss auf Kohlenstoffabscheidung gesetzt werden. Im Mittelpunkt dieses Bestrebens steht daher der Ausbau der erneuerbaren Energiequellen.

 

Abbildung 1: Unterschied zwischen dem Basisszenario und dem 1,5-Grad-Ziel sowie notwendige Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels

Quelle: WisdomTree, Wood Mackenzie.

Prognosen sind kein Hinweis auf die künftige Wertentwicklung, und alle Anlagen sind mit Risiken und Ungewissheiten verbunden.

 

Eine effizientere Alternative

 

Im Laufe der Jahre hat sich unser Gesamtenergieverbrauch nur in eine Richtung bewegt, und zwar nach oben. Das Bevölkerungswachstum und die fortschreitende Industrialisierung und Technologisierung sind die Hauptgründe dafür, aber auch die Tatsache, dass Energieeffizienz bisher nur selten in großem Maßstab erreicht wurde, trägt dazu bei. Doch mit der raschen Elektrifizierung von Transportwesen und Gebäuden könnten Effizienzgewinne gegenüber der Nutzung fossiler Brennstoffe dazu führen, dass die gesamte Endverbrauchernachfrage nach Energie bis 2028 ihren Höhepunkt erreicht und danach möglicherweise zurückgeht (in einem 1,5°C-Szenario).

 

Quelle: WisdomTree, Wood Mackenzie. Mtoe = Megatonne Öleinheiten.

Prognosen sind kein Hinweis auf die künftige Wertentwicklung, und alle Anlagen sind mit Risiken und Ungewissheiten verbunden.

 

Wind- und Solarenergie haben sich etabliert

 

Bei den erneuerbaren Energien dürften Wind- und Solarenergie die Hauptrolle spielen (siehe Abbildung 3). Dafür gibt es zahlreiche Gründe. Erstens sind beide Technologien schon lange genug im Einsatz, um in den letzten Jahren erhebliche Kostensenkungen zu erzielen. Einem im Juni 2022 veröffentlichten Bericht von Bloomberg New Energy Finance zufolge kosten neue Onshore-Windkraftanlagen derzeit etwa 46 US-Dollar pro Megawattstunde (MWh), während große Solaranlagen 45 US-Dollar pro MWh kosten. Im Vergleich dazu kosten neue Kohlekraftwerke 74 US-Dollar pro MWh und Gaskraftwerke 81 US-Dollar pro MWh.

 

Zweitens verfügen die meisten Orte der Welt über Zugang zu entweder Wind oder Sonne (wenn nicht über Zugang zu beiden). Die einzige Herausforderung, die es zu bewältigen gilt, ist die Beschaffung der notwendigen Finanzmittel für die Installation von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien.

 

Drittens gibt es in der Wind- und Solarbranche einige interessante Innovationen. Denken Sie zum Beispiel an schwimmende Offshore-Windkraftanlagen. Schwimmende Offshore-Windparks zeichnen sich als Quelle für erneuerbare Energien durch mehrere Vorteile aus. Erstens können schwimmende Windturbinen in tieferen Gewässern eingesetzt werden, die herkömmliche Turbinen mit festem Fundament nicht erreichen können. Dadurch besteht ein besserer Zugang zu stärkeren und beständigeren Windressourcen, die mehr Strom zu niedrigeren Kosten erzeugen können. Darüber hinaus sind schwimmende Offshore-Windturbinen von der Küste aus weniger sichtbar und haben einen geringeren ökologischen Fußabdruck im Vergleich zu Onshore-Windparks und Offshore-Windkraftanlagen mit festem Fundament. Außerdem können schwimmende Offshore-Windparks näher an der Bevölkerung platziert werden, was die Übertragungskosten senkt und die Energiesicherheit erhöht. Schließlich können schwimmende Windturbinen, da sie nicht durch den Meeresboden begrenzt sind, bei Bedarf an andere Standorte verlegt werden, was sie zu einer flexibleren Option für die Stromerzeugung mit erneuerbarer Energie macht.

 

Wind- und Solarkraft können durch neue erneuerbare Energiequellen wie Wasserstoff ergänzt werden. Grüner Wasserstoff, der durch die Elektrolyse von Wasser hergestellt wird, d. h. es wird aus erneuerbaren Quellen erzeugter Strom durch Wasser geleitet, hat das Potenzial, zur Dekarbonisierung sowohl des Schwerlastverkehrs wie Lkw, Schiffe, Züge und Flugzeuge als auch energieintensiver Industrien wie Stahl und Kohle beizutragen. Mit wachsendem Umfang der Produktion von grünem Wasserstoff werden Kostensenkungen das weitere Wachstum fördern.

 

Abbildung 3: Wind- und Sonnenenergie spielen in einer Netto-Null-Welt eine wichtige Rolle

Quelle: Wood Mackenzie, 2023.

Prognosen sind kein Hinweis auf die künftige Wertentwicklung, und alle Anlagen sind mit Risiken und Ungewissheiten verbunden.

 

Der Weg in die Zukunft

 

Erneuerbare Energien können den Energiesektor mithilfe der folgenden Maßnahmen bei der Erreichung von Netto-Null unterstützen:

1. Effektive Richtliniengestaltung – Beseitigung regulatorischer, kommerzieller und technischer Hindernisse für den Marktzugang.

2. Kapital – bis 2050 werden 47 Billionen US-Dollar benötigt, um die Erzeugung und die Infrastruktur eines Netto-Null-Energiesystems zu realisieren3.

3. Technologie – Wind- und Solarenergie müssen durch neue Technologien wie Wasserstoff und Kohlenstoffabscheidung ergänzt werden.

4. Systemflexibilität – innovative Wege der Energiespeicherung und -verteilung müssen erneuerbare Energien unterstützen.

5. Nachhaltigkeit – das Recycling muss verstärkt werden, um eine effiziente Nutzung der natürlichen Ressourcen zu gewährleisten.

 

Erneuerbare Energien werden durch politischen Willen, technologischen Fortschritt und das Anlegerinteresse vorangetrieben. Es ist eine spannende Zeit für den Einsatz dieses Instruments in unserem Kampf gegen den Klimawandel.

 

Quellen

1 Quelle: Visual Capitalist, Stand: 10. März 2023, Daten aus „Our World in Data“ (Unsere Welt in Daten).

2 Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen, 2023. 

3 Wood Mackenzie, 2023.

 

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