Der kometenhafte Aufstieg von Nvidia erinnert an den Erfolg Ciscos zu Zeiten des Dotcom-Booms. Beide waren Technologiegiganten, die einen bedeutenden technologischen Wandel vorantrieben, und beide Unternehmen repräsentierten den Puls von umwälzenden Tech-Revolutionen.
In den späten 1990er und frühen 2000er Jahren war Cisco mehr als nur ein Tech-Gigant: Es war das Rückgrat des wachsenden Internets. Als die Welt allmählich das Potenzial des Internets erkannte, wurden die Router und Switches von Cisco unentbehrlich und machten digitale Träume zur greifbaren Realität. Seine Hardware diente als wichtige Infrastruktur für die Entstehung des modernen Internets.
In ähnlicher Weise hat sich Nvidia, das ursprünglich für seine herausragenden Leistungen im Bereich der Grafikprozessoren (GPUs) bekannt war, an der Spitze eines anderen digitalen Paradigmenwechsels positioniert: der künstlichen Intelligenz (KI).
Mit ihren umfangreichen Anwendungen, die von der Datenanalyse bis zu autonomen Fahrzeugen reichen, erfordert KI eine hohe Rechenleistung. Die GPUs von Nvidia werden nicht mehr nur für Gaming eingesetzt, sondern auch für die Berechnungen der fortschrittlichsten KI-Anwendungen.
Abbildung 1: Kurs-Umsatz-Verhältnisse (KUV) von NVDA und CSCO erreichen ähnliche Höchststände
Quelle: Jeremy Siegel mit Jeremy Schwartz, Research für „Stocks for the Long Run“, 6. Aufl., 2022. Die historische Wertentwicklung ist kein Hinweis auf die künftige Wertentwicklung, und Anlagen können im Wert sinken.
Auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung erzielten beide Unternehmen enorme Bewertungen und faszinierten die Anleger mit scheinbar unbegrenztem Wachstumspotenzial. Mit der Weiterentwicklung der Technologielandschaft sah sich Cisco jedoch mit neuen Konkurrenten wie Arista, Brocade und Juniper konfrontiert. Diese „Aufsteiger“ verzeichneten rasante Umsatzzuwächse und übertrafen Cisco nach der Dotcom-Blase häufig. Seit 2003 beträgt das Umsatzwachstum von Cisco 5,15 % pro Jahr, während Juniper und Brocade jeweils mit Raten von 12,08 % und 10,15 % gewachsen sind. Arista hat seit 2015 ein beeindruckendes jährliches Umsatzplus von 28,34 % vorzuweisen1.
Für heutige Nvidia-Anleger könnten die aktuellen Nachrichten Zweifel aufkommen lassen, ob das Unternehmen seinen dominierenden Marktanteil verteidigen und sein Umsatzwachstum langfristig halten kann. AMD plant, seinen MI300X-Chip noch in diesem Jahr auf den Markt zu bringen – einen direkten Konkurrenten zu den Chips von Nvidia. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass Nvidia dadurch einen großen Teil seines Marktanteils einbüßt, aber dennoch ist es ein Zeichen für schärferen Wettbewerb und eine sich verändernde Landschaft. AMD plant außerdem, in den nächsten fünf Jahren rund 400 Millionen US-Dollar in Indien zu investieren und sein größtes Designzentrum in der Technologiemetropole Bengaluru zu errichten2.
Intel, ein weiterer bedeutender Akteur in der Chipindustrie, kündigte vor Kurzem an, in den nächsten zehn Jahren europaweit 80 Milliarden Euro zu investieren, wobei ein erheblicher Teil davon für den Bau von Halbleiterproduktionsanlagen in Deutschland vorgesehen ist 3. Diese Schritte dürften die Präsenz von AMD und Intel auf dem Markt für KI-Chips stärken und direkt infrage stellen, ob sich die Dominanz von Nvidia auf andere Teile der Welt übertragen lässt.
Nvidia hat zwar derzeit eine beherrschende Stellung auf dem Markt für KI-GPUs inne, doch seine Konkurrenten positionieren sich strategisch, um diese Dominanz anzufechten, insbesondere in Regionen, in denen der Einfluss von Nvidia noch wächst. Genauso wie Cisco in den frühen 2000er Jahren heftigem Wettbewerb durch aufstrebende Marktteilnehmer ausgesetzt war, muss sich Nvidia nun in einer Landschaft zurechtfinden, in der seine Konkurrenten in neue Märkte vordringen.
Abbildung 2: Umsatzwachstum der Unternehmen im S&P 500, im Technologiesektor und bei Cisco seit März 2000
Selbst im Vergleich zur Konkurrenz war Ciscos Status als Tech-Titan unbestreitbar. Das Unternehmen war sogar in der Lage, über das gesamte Jahrzehnt hinweg eine jährliche Umsatzwachstumsrate von 9,9 % zu erzielen, nachdem es im März 2000 seine Spitzenbewertung nach KUV erreicht hatte – fast das Dreifache der 3,4 % des Marktes. In den folgenden 22 Jahren schwächte sich das Umsatzwachstum von Cisco ab. Aktuell beläuft es sich auf etwa 6,2 % pro Jahr, was immer noch deutlich über dem Marktwachstum von 4,2 % und dem jährlichen Umsatzzuwachs des Technologiesektors von 5,4 % liegt. Trotz des starken Wachstums und der anhaltenden (wenn auch schrumpfenden) Marktdominanz hat die Aktie jedoch noch immer nicht den Höchststand der frühen 2000er Jahre wiedererlangt.
Ein weiterer Faktor, der zum Niedergang von Cisco beitrug, war die Fehleinschätzung der Nachfrage- und Angebotsdynamik. In den frühen 2000er Jahren war Cisco übermäßig optimistisch, was das weitere Wachstum des Internets und seine Rolle dabei anging, selbst als Konkurrenten und Lieferanten ihre Wachstumsprognosen zunehmend nach unten korrigierten. Aufgrund dieses Optimismus vergab das Unternehmen Großaufträge an seine Vertragselektronikhersteller (Contract Electronics Manufacturers, CEMs). Denn zu dieser Zeit erhielt es mehr Aufträge, als es erfüllen konnte, und ging davon aus, dass die Nachfrage anhalten würde. Als jedoch die Dotcom-Blase platzte und die Wachstumsprognosen der Branche nachließen, befand sich Cisco in einer prekären Lage.
Seine CEMs, die unabhängig von der Nachfrage von der zusätzlichen Produktion profitierten, hatten die Produktion hochgefahren. Angesichts der nachlassenden Nachfrage war Cisco jedoch mit einem Überangebot konfrontiert. Diese Fehleinschätzung gipfelte im Jahr 2001 in einer massiven Abschreibung von Lagerbeständen in Höhe von 2,25 Milliarden US-Dollar 4.
Nvidia äußert sich in der heutigen Situation in ähnlicher Weise und behauptet, dass die Chiphersteller mit der rapide steigenden Nachfrage nach ihren Produkten nicht mithalten können. Im UBS-Bericht über Nvidia vom August 2023 heißt es, dass die Nachfrage nach diesen Chips das Angebot um „mindestens das 5–10-Fache“ übersteigt. Der KI-Boom ist zwar unbestreitbar, doch die Tech-Landschaft ist von Unwägbarkeiten geprägt – zusätzliche Sorgen bereiten das ungewisse künftige wirtschaftliche Umfeld und die neue Konkurrenz. Wenn die Prognosen von Nvidia diese Faktoren im volatilen Umfeld nicht berücksichtigen, könnte das Unternehmen in eine ähnliche Lage geraten wie Cisco. Wie die Geschichte gezeigt hat, sind auch Tech-Giganten nicht vor den Auswirkungen solcher Fehlkalkulationen gefeit.
Abbildung 3: Rendite der Unternehmen im S&P 500, im Technologiesektor und bei Cisco seit Februar 1990, normalisiert auf die vertikale Linie bzw. März 2000 (maximale KUV-Bewertung für Cisco)
Quelle: Jeremy Siegel mit Jeremy Schwartz, Research für „Stocks for the Long Run“, 6. Aufl., 2022. Die historische Wertentwicklung ist kein Hinweis auf die künftige Wertentwicklung, und Anlagen können im Wert sinken.
Die Nachwirkungen der Dotcom-Ära von Cisco sind ein Beweis dafür, dass in der Welt der Technologie bahnbrechende Innovationen nicht der einzige Schlüssel zu nachhaltigem Erfolg sind. Neben den Produkten und Dienstleistungen ist es auch wichtig, die Marktnachfrage genau einzuschätzen, Veränderungen in der Dynamik zu erkennen und den Wettbewerb zu antizipieren. Obwohl Cisco in den Anfängen des Internets ein bedeutendes Unternehmen war, belegen die Schwierigkeiten, sich seinem vor mehr als 20 Jahren erreichten Allzeithoch zu nähern, die Relevanz dieser Marktnuancen.
Die Tech-Titanen vom März 2000
In verschiedenen Aspekten spiegelt Nvidia zwar Cisco wider, aber ein Blick über den Tellerrand auf die Top-Tech-Stars vom März 2000 könnte weitere Erkenntnisse bringen. Dies waren die Unternehmen, die im Mittelpunkt des Dotcom-Rausches standen und deren Bewertungen den ungezügelten Optimismus der damaligen Zeit reflektierten. Was wurde aus ihnen? Was bedeutet das für Nvidia?
Abbildung 4: Nachfolgende Renditen und Umsatzwachstum der 20 größten Technologiewerte + Amazon nach März 2000
Quelle: Jeremy Siegel mit Jeremy Schwartz, Research für „Stocks for the Long Run“, 6. Aufl., 2022. Die historische Wertentwicklung ist kein Hinweis auf die künftige Wertentwicklung, und Anlagen können im Wert sinken.
Nur zwei Unternehmen der 20 größten Technologiewerte des Jahres 2000 erzielten in den folgenden 20 Jahren eine Outperformance: Microsoft und Amazon. Microsoft lieferte 20 Jahre lang ein jährliches Umsatzwachstum von beinahe 10 %, während Amazon fast 30 % pro Jahr erreichte. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass diese Unternehmen so groß sind und ihr Einkommen gut diversifiziert ist, was sie davor schützt, dass plötzliche Verschiebungen in der Wettbewerbslandschaft ihren Wert vernichten. Sie sind außerdem die beiden führenden Anbieter von Public-Cloud-Computing-Infrastruktur.
Während die vielfältigen Einkommensströme von Microsoft und Amazon ihre Widerstandsfähigkeit stärken, scheint Nvidia auf einem schmaleren Grat zu navigieren. Die neueste Gewinn- und Verlustrechnung von Nvidia zeigt, dass die Einnahmen in Höhe von 26 Milliarden US-Dollar hauptsächlich aus zwei Produktsegmenten stammen: rund 15 Milliarden US-Dollar aus dem Computer- und Netzwerkbereich und 11 Milliarden US-Dollar aus dem Grafikbereich5.
Abbildung 5: Umsatz von Nvidia nach Ländern
Quelle: WisdomTree, FactSet. Die historische Wertentwicklung ist kein Hinweis auf die künftige Wertentwicklung, und Anlagen können im Wert sinken.
Diese Abhängigkeit von einigen wenigen Einflussfaktoren wird in Abbildung 5 noch deutlicher, aus der hervorgeht, dass ein erheblicher Teil (fast die Hälfte) des Umsatzes auf China und Taiwan entfällt. Ein derart konzentrierter Einkommensstrom, insbesondere aus Regionen, die in zunehmende geopolitische Spannungen verwickelt sind, rückt die potenziellen geopolitischen Risiken und das Engagement in China, das mit einer Investition in Nvidia einhergeht, in den Vordergrund.
Selbst die Verlierer auf dieser Liste erzielten in den nachfolgenden 10- und 20-Jahres-Zeiträumen mehr als das Doppelte des Umsatzwachstums des S&P 500. Doch die hohe Anfangsbewertung war ein Anker und schmälerte die künftigen Renditen.
Abbildung 6: Durchschnittswerte der 20 größten Technologiewerte + Amazon nach März 2000, geordnet nach der relativen Performance zum Markt
Quelle: Jeremy Siegel mit Jeremy Schwartz, Research für „Stocks for the Long Run“, 6. Aufl., 2022. Die historische Wertentwicklung ist kein Hinweis auf die künftige Wertentwicklung, und Anlagen können im Wert sinken.
Diese Beispiele erinnern uns daran, dass Innovationsführerschaft keine Garantie für dauerhaften Erfolg ist. Nvidia steht vor einer doppelten Aufgabe: sich gegen die aufstrebende Konkurrenz zu wehren und die Entwicklung der Marktlandschaft genau zu prognostizieren. Man bedenke, dass Konkurrenten andere Chiphersteller wie AMD oder auch große Unternehmen sein können, die sich an die Entwicklung eigener, maßgeschneiderter Chips wagen. Der Markt möchte im Allgemeinen nicht, dass es nur einen einzigen Anbieter von KI-Rechenleistung gibt.
Für Anleger ist es eine Mahnung, auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben und über den gegenwärtigen Hype hinauszuschauen, um die langfristigen Erfolgsaussichten einer Aktie mit derart hohen Bewertungen zu beurteilen.
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Quellen
1 Quelle Jeremy Siegel mit Jeremy Schwartz, Research für „Stocks for the Long Run“, 6. Aufl., 2022.
2 Quelle TechCrunch. (28. Juli 2023). AMD plans to invest $400 million in India by 2028. (AMD plant bis 2028 Investitionen in Höhe von 400 Millionen US-Dollar in Indien.)
3 Quelle TechCrunch. (15. März 2022). Intel plans to build a $19 billion chip plant in Germany. (Intel plant den Bau einer 19 Milliarden US-Dollar teuren Chipfabrik in Deutschland.)
4 Quelle CNET. (2. Januar 2000). Cisco’s $2.25 billion mea culpa. (Ciscos Schuldeingeständnis über 2,25 Milliarden US-Dollar.)
5 Quelle Statista Intelligence. (2023). Nvidia Revenue by Segment Report. (Nvidia-Bericht zum Umsatz nach Segmenten.)
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