WisdomTree verfügt über langjährige Erfahrung mit Rohstoffen und die Anlageklasse ist ein Kernbestandteil unseres Geschäfts. Wir möchten mit einigen Mythen über Rohstoffanlagen aufräumen1.
Mythos 1: Rohstoffe sind nur ein taktisches Instrument.
Nach Auffassung einiger Marktteilnehmer bewegen sich Rohstoffe innerhalb einer bestimmten Bandbreite und erzielen langfristig keine Outperformance. Darüber hinaus sind sie der Meinung, dass Rohstoffe nur in einer Aufwärtsphase eines Rohstoff-„Superzyklus“ überdurchschnittlich abschneiden.
Physische Rohstoffe sind die Grundbausteine unserer Gesellschaft. Daher ist es nicht verwunderlich, dass ihre Preisentwicklung weitgehend die Inflation erklärt und in der Regel auf lange Sicht zumindest der Inflationsrate entspricht.
Abbildung 1: Langfristige Outperformance von Rohstoffen und Aktien gegenüber der Inflation
Quelle: WisdomTree, Bloomberg, S&P. Januar 1960 bis Juli 2023. Die Berechnungen beruhen auf monatlichen Renditen in USD. US-Aktien steht für den S&P 500 Gross TR Index. Broad Commodities steht für den Bloomberg Commodity TR Index. US-Inflation steht für den US-Verbraucherpreisindex, für städtische Verbraucher, saisonbereinigt.
Die historische Wertentwicklung ist kein Hinweis auf die künftige Wertentwicklung, und Anlagen können im Wert sinken.
Außerdem investieren Rohstoffanleger meist in Terminkontrakte und nicht in physische Rohstoffe. Terminkontrakte wurden als Absicherungsinstrumente entwickelt, um Rohstoffproduzenten und Bergbauunternehmen die Möglichkeit zu geben, ihre Produktion mit Blick auf die Zukunft abzusichern. Dadurch wird ihr Geschäft nachhaltig und sie können investieren, da sie von der kurzfristigen Volatilität der Rohstoffpreise abgeschirmt sind.
Die Produzenten sind bereit, für diese Absicherung zu zahlen, so wie sie auch für Versicherungsschutz zahlen würden. Anleger, die diese Absicherung durch den Kauf von Terminkontrakten vornehmen, erhalten daher eine Versicherungsprämie, mit der sie die Inflation langfristig schlagen können. Diese „Versicherung“ ist ein ständiges Merkmal von Rohstoff-Termingeschäften und gilt über Wirtschaftszyklen hinweg. Daher eignen sich Rohstoff-Futures nicht nur als taktische, sondern auch als strategische Anlage.
Rohstoff-Termingeschäfte bieten eine positive Risikoprämie, die sich aus ihrer engen Beziehung zur Inflation und der eingebetteten „Versicherungsprämie“ ergibt. Aufwärtsphasen eines Rohstoff-Superzyklus sind zwar erfahrungsgemäß vorteilhaft für Rohstoffanleger, aber auf Termingeschäften basierende, breite Rohstoffanlagen können in jeder Phase eines Superzyklus eine Risikoprämie einbringen.
Mythos 2: Wenn sich Rohstoffe in Contango befinden, entstehen garantiert Verluste.
Contango (negative Rollrendite) und Backwardation (positive Rollrendite)2 werden zur Beschreibung der Terminkurve verwendet. Sie bezeichnen die relative Position des aktuellen Spotpreises und des Futures-Kontraktpreises. Zu den Triebkräften der Rollrendite gehören die Lagerkosten, die Finanzierungskosten und die Verfügbarkeitsprämie (Convenience Yield). Backwardation wird oft mit einer starken Nachfrage in Verbindung gebracht, wenn die Käufer bereit sind, mehr für eine sofortige Lieferung zu zahlen, als einen Vertrag zu einem günstigeren Preis für eine spätere Lieferung abzuschließen. Manche glauben, dass Contango die Umkehr der Backwardation ist und Verluste somit garantiert sind.
Dass die Theorie von Keynes als „normale Backwardation“ bezeichnet wird, hat zu einigen terminologischen Verwirrungen geführt. Keynes beschreibt jedoch, dass Terminkontrakte generell mit einem Abschlag auf den erwarteten Spotpreis bei Fälligkeit bewertet sind. Das hat nichts mit dem aktuellen Spotpreis zu tun. Mit anderen Worten: Die Kurve kann sich in Contango befinden, und der Terminpreis kann immer noch einen Abschlag auf den erwarteten Spotpreis bei Fälligkeit aufweisen, d. h. sich auch in normaler Backwardation befinden.
Angenommen, Rohöl der Sorte WTI ist heute 50 US-Dollar wert. Der Markt geht davon aus, dass WTI-Rohöl in einem Monat zu einem Preis von 55 US-Dollar gehandelt wird (erwarteter Spotpreis), da Lagerungs- und sonstige Kosten anfallen. Nach der Hypothese von Keynes wird der 1-Monats-Terminkontrakt mit einem Abschlag auf 55 US-Dollar, sagen wir 54 US-Dollar, bepreist, um Spekulanten einen Anreiz zu verschaffen, die Produzenten abzusichern. In dieser Situation befindet sich die Kurve in Contango (54 US-Dollar > 50 US-Dollar), und die erwartete Risikoprämie ist mit 1 US-Dollar immer noch positiv.
Eine Kurve in Contango und eine positive Risikoprämie können also miteinander einhergehen.
Die Form der Kurve wirkt sich zwar auf die Performance aus, ist aber kein guter Indikator für die künftige Performance.
Mythos 3: Rohstoffe sind risikoreicher und volatiler als Aktien.
Es herrscht die allgemeine Auffassung, dass Rohstoffe risikoreicher sind als Aktien.
Statistisch gesehen sind Rohstoffe und Aktien ähnliche Anlageklassen. Ihre historischen Renditen und ihre Volatilität liegen recht nah beieinander. Langfristig gesehen wiesen Rohstoffe in 42 % der Drei-Jahres-Zeiträume seit 1960 eine höhere Volatilität auf als Aktien. Allerdings verzeichneten Aktien in einer größeren Anzahl von Zeiträumen (58 %) eine höhere Volatilität.
Vor allem aber weichen die Verteilungen der beiden Anlageklassen von einer Normalverteilung ab und weisen eine deutlich höhere Schiefe auf. Aber Rohstoffe sind im Vorteil. Sie zeichnen sich durch eine positive Schiefe aus (eine Tendenz zu über den Erwartungen liegenden positiven Renditen), während Aktien für ihre negative Schiefe bekannt sind (ihre Tendenz, nach unten zu überraschen).
Abbildung 2: Annualisierte, rollierende 3-Jahres-Volatilität von Rohstoffen und Aktien im Zeitverlauf
Quelle: WisdomTree, Bloomberg, S&P. Januar 1960 bis Juli 2023. Die Berechnungen beruhen auf monatlichen Renditen in USD. US-Aktien steht für den S&P 500 Gross TR Index. Broad Commodities steht für den Bloomberg Commodity TR Index.
Die historische Wertentwicklung ist kein Hinweis auf die künftige Wertentwicklung, und Anlagen können im Wert sinken.
Rohstoffe verbuchten in 58 % der von uns untersuchten rollierenden Drei-Jahres-Zeiträume eine geringere Volatilität als Aktien und profitierten von einer positiven Schiefe.
Mythos 4: Rohstoffe sind seit der globalen Finanzkrise von 2008 kein wirksames Instrument zur Diversifikation mehr, da es zu einem Strukturbruch in den Rohstoffpreisbeziehungen kam.
Die Märkte werden immer effizienter. Dadurch sind Anlageklassen zunehmend korreliert. Ein Blick auf Abbildung 3 zeigt, dass die Korrelation zwischen Rohstoffen und Aktien in den letzten 10–20 Jahren höher war als zuvor. Das gilt jedoch ebenso für die meisten Anlagepaare. US-Aktien sind stärker mit globalen Aktien korreliert. Aktien sind stärker mit Hochzinsanleihen korreliert. In einer globalisierten Welt, in der Korrelationen stärker ausgeprägt sind, zeichnen sich Rohstoffe noch immer durch ein niedrigeres Korrelationsniveau aus.
Abbildung 3: Korrelation über verschiedene Zeithorizonte zwischen den wichtigsten Anlageklassen
Quelle: WisdomTree, Bloomberg, MSCI, S&P. Januar 1960 bis Juli 2023. Die Berechnungen beruhen auf monatlichen Renditen in USD. Die Daten für Broad Commodities (Bloomberg Commodity Total Return Index) und US-Aktien (S&P 500 Gross Total Return Index) beginnen im Januar 1960. Die Daten für globale Aktien (MSCI World Gross Total Return Index) beginnen im Dezember 1969. Die Daten für US-Hochzinsanleihen (Bloomberg US Corporate High Yield Total Return Unhedged USD Index) beginnen im Juli 1983.
Die historische Wertentwicklung ist kein Hinweis auf die künftige Wertentwicklung, und Anlagen können im Wert sinken.
Es sei darauf hingewiesen, dass Rohstoffe in der jüngeren Vergangenheit weiterhin einen Puffer gegen Aktien- und andere Vermögenskrisen geboten haben. Beispielsweise stiegen Rohstoffe im Jahr 2022 um 16 %, während US-Aktien3 um 18 % und Anleihen4 um 16 % fielen.
2008 stellte zwar ein Allzeithoch für die Korrelation zwischen Aktien und Rohstoffen dar, die Korrelation schwankt jedoch seit jeher. In den 1960er und 1980er Jahren gab es bereits frühere Ausschläge in ähnlicher Größenordnung. Im Jahr 2020 war eine ähnliche Korrelationsspitze zu verzeichnen, aber die Korrelationen haben sich seit 2023 mehr als halbiert.
Abbildung 4: Rollierende 2-Jahres-Korrelation zwischen Broad Commodities und US-Aktien
Quelle: WisdomTree, Bloomberg, S&P. Januar 1960 bis Juli 2023. Die Berechnungen beruhen auf monatlichen Renditen in USD. Die Daten für Broad Commodities (Bloomberg Commodity Total Return Index) und US-Aktien (S&P 500 Gross Total Return Index) beginnen im Januar 1960.
Die historische Wertentwicklung ist kein Hinweis auf die künftige Wertentwicklung, und Anlagen können im Wert sinken.
Die Korrelation zwischen Rohstoffen und Aktien neigt zu Schwankungen und bewegt sich innerhalb normaler historischer Bandbreiten.
Mythos 5: Inflationsgebundene Anleihen sind ein besserer Inflationsschutz als Rohstoffe.
Einige Anlagen gelten als gute Absicherung gegen die Inflation, z. B. inflationsgebundene Anleihen (TIPS) oder Immobilien. Es überrascht jedoch, dass nicht mehr Marktteilnehmer die hervorragenden Eigenschaften von Rohstoffen zur Inflationsabsicherung erkennen.
Das Beta zur Inflation (US-Verbraucherpreisindex (VPI)) von inflationsgebundenen Anleihen und Immobilien ist im Vergleich zu dem von Rohstoffen (2,45) deutlich niedriger: US-TIPS (0), US-Immobilienaktien (1), Hauspreise (0,4). Während die durchschnittliche monatliche Wertentwicklung von allgemeinen Rohstoffen tendenziell zunimmt, wenn der VPI steigt, trifft dies für andere Vermögenswerte nicht zu. Die Performance von TIPS ist offenbar relativ unabhängig von der Höhe des VPI. Die Performance von Immobilien – über Aktien oder Sachwerte – scheint sich zu verschlechtern, wenn der VPI steigt.
Die Fähigkeit von Rohstoffen, gegen die unerwartete Inflation abzusichern, hebt diese Anlageklasse von anderen ab (siehe Inflationssensitivität von Anlageklassen).
Abbildung 5: Wertentwicklung der Anlageklassen in unterschiedlichen Inflationsphasen
Quelle: WisdomTree, Bloomberg, S&P. Januar 1960 bis Juli 2023. Die Berechnungen beruhen auf monatlichen Renditen in USD. Die Daten für Broad Commodities (Bloomberg Commodity Total Return Index) und US-Aktien (S&P 500 Gross Total Return Index) beginnen im Januar 1960.
Die historische Wertentwicklung ist kein Hinweis auf die künftige Wertentwicklung, und Anlagen können im Wert sinken.
Immobilien haben den Nachteil, dass zwar die Mieteinnahmen an die Inflation gekoppelt sind (die Mieten sind beispielsweise Teil des VPI-Warenkorbs), nicht aber die Kapitalwerte selbst, die jedoch einen größeren Einfluss auf den Preis des Objekts haben. In ähnlicher Weise sind inflationsgebundene Anleihen an die Inflation gekoppelt, aber ihr Kurs ist auch an reale Renditeänderungen gebunden (durch einen Durationsmultiplikator), was die Beziehung zur Inflation selbst tendenziell verwässert.
In der Vergangenheit waren Rohstoffe eine bessere Absicherung gegen die Inflation als TIPS oder Immobilienanlagen.
Mythos 6: Futures sind für institutionelle Anleger die beste Möglichkeit für Investitionen in Gold.
Die Terminmärkte sind in der Regel äußerst liquide und bieten sehr niedrige Transaktionskosten. Daher gehen Anleger davon aus, dass ein Handelsgeschäft dort immer am effizientesten ist, wenn sie die Möglichkeit dazu haben.
Die Terminmärkte reagieren jedoch auf ihre eigenen Zwänge, und Banken übernehmen normalerweise den größten Teil der Absicherung. Die Banken haben zuletzt unter zunehmender Regulierung und steigenden Betriebskosten gelitten, die sie in ihre Preisgestaltung für Terminkontrakte einfließen ließen. Dadurch kam es zu erheblichen Tracking-Abweichungen gegenüber dem Sachwert. Manchmal sind Terminkontrakte die einzige Möglichkeit, Zugang zu einem Rohstoff zu erlangen, bei Edelmetallen ist dies jedoch nicht der Fall.
Bei Gold beliefen sich diese Kosten bislang auf durchschnittlich 0,9 %6 pro Jahr im Vergleich zum Besitz von Goldbarren. Physisch besicherte ETCs (börsengehandelte Rohstoffe) haben viele Vorteile: geringer operativer Aufwand, geringere Tracking-Differenz, preiswert und liquide.
Abbildung 6: Vergleich von Gold-ETCs und -Terminkontrakten
Quelle: WisdomTree. September 2023.
Die historische Wertentwicklung ist kein Hinweis auf die künftige Wertentwicklung, und Anlagen können im Wert sinken.
Mit niedrigen Gebühren und einem sehr liquiden Handel übertreffen physisch besicherte Edelmetall-ETCs häufig Anlagen in Futures.
Es ist klar, dass Rohstoffe eine häufig missverstandene Anlageklasse sind. Viele Fehlvorstellungen bestehen auch heute noch. Eine ausführlichere Beschreibung der Grundlagen von Rohstoffinvestitionen finden Sie unter Argumente für Anlagen in Broad Commodities.
Quellen
1 Alle diese Mythen wurden im Artikel Argumente für Anlagen in Broad Commodities (November 2021) angesprochen, der einen tiefen Einblick in Rohstoffinvestitionen vermittelt. In diesem Blog geben wir eine Zusammenfassung und Aktualisierung von Daten, die mehrere der in dem Artikel erwähnten „Fehlvorstellungen“ aufgreifen.
2 Weitere Informationen zu Contango und Backwardation finden Sie in unserem informativen ETPedia-Hub (insbesondere unter „Kosten und Performance“).
3 S&P 500 TR.
4 Bloomberg GlobalAgg Index (Staats-, Unternehmens- und verbriefte Anleihen, Mehrwährungsanleihen aus Industrie- und Schwellenländern).
5 Quelle: WisdomTree, Bloomberg, S&P, Kenneth French-Datenbibliothek. Von Januar 1960 bis Juli 2023. Die Berechnungen beruhen auf monatlichen Renditen in USD. Die Daten für Broad Commodities (Bloomberg Commodity Total Return Index) beginnen im Januar 1960. Die Daten für US-TIPS (Bloomberg US Treasury Inflation-Linked Total Return Bond Index – Series L Index) beginnen im März 1997. Die Daten für Immobilienaktien (S&P 500 Real Estate Sector Total Return Index) beginnen im Oktober 2001. Die Daten für US-Hauspreise (S&P Corelogic Case-Schiller US National Home Price Seasonally Adjusted Index) beginnen im Januar 1987. Die historische Wertentwicklung ist kein Hinweis auf die künftige Wertentwicklung, und Anlagen können im Wert sinken.
6 Quelle: WisdomTree, Bloomberg. Vom 4. Juni 2007 bis zum 31. Juli 2023. Die Wertentwicklung von physischem Gold wurde um 13:30 Uhr (Eastern Time) beobachtet, um der Berechnungszeit des BCOM-Subindex zu entsprechen. Es ist nicht möglich, in einen Index zu investieren. Die historische Wertentwicklung ist kein Hinweis auf die künftige Wertentwicklung, und Anlagen können im Wert sinken.
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