Bei der Vermögensallokation geht es letztlich um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Rendite und Risiko. Es ist zwar relativ einfach, das Risiko eines Portfolios zu verringern, aber es ist schwieriger, dies zu tun, ohne das Renditepotenzial zu schmälern. Die Diversifikation, d. h. die Beimischung von nicht korrelierten Vermögenswerten zum Portfolio, ist eines der wichtigsten Instrumente, die Anlegern zur Verfügung stehen, um dieses Risiko zu senken – allerdings geht dies häufig auf Kosten der Rendite. Das 60:40-Portfolio – eine Mischung aus 60 % Aktien und 40 % Anleihen – ist für viele Anleger das Fundament der Assetallokation. Die Beimischung von Anleihen zu Aktien senkt die Volatilität und verbessert die Sharpe-Ratio. Das steht im Einklang mit den Erkenntnissen von Markowitz in seinen mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Arbeiten und ist auf die seit jeher negative Korrelation zwischen Aktien und Investment-Grade-Anleihen zurückzuführen. Es stimmt aber auch, dass ein 60:40-Portfolio tendenziell niedrigere Renditen als ein Portfolio mit 100 % Aktien aufweist.
Heißt das, dass Anleger zwischen höheren Renditen bei größerer Volatilität und niedrigeren Renditen bei geringerer Volatilität wählen müssen?
Das Gedankenexperiment von Cliff Asness: das gehebelte 60:40-Portfolio
Wie bei jedem Problem erfordern die Lösungen in der Regel unkonventionelles Denken. In unserem Fall bedeutet es, Leverage in Betracht zu ziehen. Cliff Asness, Mitbegründer von AQR Capital, lieferte eine solche Lösung im Dezember 1996, als er als Direktor für quantitatives Research bei Goldman Sachs Asset Management tätig war und das Whitepaper veröffentlichte „Why Not 100% Equities: A Diversified Portfolio Provides More Expected Return per Unit of Risk“ (Warum nicht 100 % Aktien: Ein diversifiziertes Portfolio liefert eine höhere erwartete Rendite je Risikoeinheit).
In seinem Beitrag argumentiert Asness, dass Anleger wettbewerbsfähige Renditen erzielen und gleichzeitig ein effektiveres Risikomanagement verfolgen können, indem sie ihre Portfolios mit einer Kombination aus Aktien und Anleihen diversifizieren und Leverage einsetzen. Asness entwickelt das „Levered 60:40“-Portfolio, bei dem ein 60:40-Portfolio so gehebelt wird, dass die Volatilität des gehebelten Portfolios derjenigen eines Aktienportfolios entspricht. Die eingesetzte Hebelwirkung beträgt daher 155 %. Der Kreditzins, der für die Hebelung seines 60:40-Portfolios verwendet wird, entspricht dem Zinssatz für Ein-Monats-T-Bills.
In seiner Originalarbeit stellt Asness fest, dass das gehebelte 60:40-Portfolio im Zeitraum von 1926 bis 1993 eine durchschnittliche jährliche Rendite von 11,1 % bei einer Volatilität von 20 % erzielte. Aktien hingegen rentieren bei gleicher Volatilität nur mit 10,3 %.
Zum Vergleich: Das 60:40-Portfolio (ohne Hebelwirkung) brachte eine Rendite von 8,9 % bei einer Volatilität von 12,9 %.
In Abbildung 1 dehnen wir die Analyse von Asness auf den jüngsten Zeitraum aus. Wir stellen fest, dass die Ergebnisse über diesen längeren Zeitraum immer noch Gültigkeit haben. Das gehebelte 60:40-Portfolio wirft höhere Renditen ab als Aktien mit ähnlicher Volatilität. Die Sharpe-Ratio des gehebelten 60:40-Portfolios profitiert von der Diversifikation und verbessert sich im Vergleich zu Aktien, ohne dass die Rendite darunter leidet.
Abbildung 1: Erweiterung der Ergebnisse aus dem Whitepaper von Cliff Asness – 1926-2023
Quelle: WisdomTree. Von Dezember 1925 bis Juli 2023. Es werden monatliche Daten in USD verwendet. US-Aktien werden durch die Datenreihe Ibbotson SBBI US Large Stock TR USD repräsentiert. US-High-Investment-Grade-Anleihen werden durch die Datenreihe Ibbotson SBBI US LT Corp TR USD bis Februar 2022 abgebildet. Danach wird der Bloomberg U.S. Long Credit Aa Total Return Index verwendet. Barmittel werden durch Ibbotson SBBI US 30-Day T-Bill TR USD dargestellt. Das gehebelte 60:40-Portfolio investiert jeden Monat 155 % in das 60:40-Portfolio und jeden Monat -55 % in das Barmittelportfolio. Die historische Wertentwicklung ist kein Hinweis auf die künftige Wertentwicklung, und Anlagen können im Wert sinken.
Hebelung des 60:40-Portfolios weltweit – eine erfolgreiche Erweiterung
In Abbildung 2 dehnen wir die Analysen auf andere Regionen aus, um die Robustheit der Ergebnisse zu testen. Die Historie reicht zwar nicht so weit zurück, aber Abbildung 2 zeigt ähnliche Ergebnisse. In allen getesteten Regionen übertreffen die Renditen und die Sharpe-Ratio des gehebelten 60:40-Portfolios die der reinen Aktienanlage. Gleichzeitig ist die Volatilität identisch, der maximale Drawdown ist geringer.
Wir weisen darauf hin, dass wir nicht in allen diesen Analysen einen Hebel von 155 % verwenden – wir verwenden das jeweilige Leverage, um der Volatilität der Aktien in der Region zu entsprechen. Dennoch bleibt die Hebelwirkung in den verschiedenen Regionen sehr ähnlich: Sie schwankt zwischen 160 % für globale Aktien und 170 % für japanische Aktien.
Abbildung 2: Gehebeltes 60:40-Portfolio in anderen Regionen
Die Theorie hinter dem gehebelten 60:40-Portfolio
Aus theoretischer Sicht ist der Gedanke, sich auf ein möglichst effizientes Portfolio zu konzentrieren und dieses zu hebeln, um die am besten geeignete Anlage für einen bestimmten Anleger zu schaffen, in der Finanztheorie gut verankert. Als er 1952 die Moderne Portfoliotheorie (MPT) vorstellte, hatte Harry Markowitz das Konzept bereits anhand der Kapitalallokationslinie umrissen (Markowitz, März 1952).
Abbildung 3 zeigt die Effizienzgrenze für einen Mix aus zwei Vermögenswerten: US-Aktien und US-High-Investment-Grade-Anleihen. Es ist zu beachten, dass jedes Portfolio auf der Effizienzgrenze für ein bestimmtes Volatilitätsniveau am effizientesten ist, wobei keine Hebelwirkung angenommen wird. Alle Portfolios auf der Effizienzgrenze sind nicht gleich, sondern haben unterschiedliche Sharpe-Ratios. Entlang dieser Effizienzgrenze gibt es ein Portfolio mit der höchsten Sharpe-Ratio aller Portfolios, das so genannte „Tangentialportfolio“. Dieses effizienteste aller effizienten Portfolios ist dort zu finden, wo die Kapitalallokationslinie die Effizienzgrenze berührt. Die Kapitalallokationslinie ist die Linie, die tangential zur Effizienzgrenze verläuft und die Y-Achse (die Volatilitätsachse von 0 %) bei einem Renditeniveau schneidet, das dem risikofreien Zinssatz entspricht.
Wenn es darum geht, das effizienteste Portfolio für ein bestimmtes Volatilitätsniveau aufzubauen, haben Anleger zwei Möglichkeiten. Ohne Hebelwirkung können sie das Portfolio mit der höchsten Rendite für dieses Volatilitätsniveau auf der Effizienzgrenze auswählen. Wenn Anleger nach Strategien suchen, deren Volatilitätsniveau mit dem von Aktien übereinstimmt, sind Aktien das effizienteste Portfolio. Unter Berücksichtigung einer potenziellen Hebelwirkung fällt die Antwort ganz anders aus. Mit Leverage kann ein Anleger das Portfolio mit dem entsprechenden Volatilitätsniveau (in diesem Fall die Aktienvolatilität) auf der Kapitalallokationslinie auswählen.
Portfolios auf dieser Linie haben eine Sharpe-Ratio, die gleich der Sharpe-Ratio des Tangentialportfolios ist (d. h. die beste Sharpe-Ratio aller Portfoliokombinationen ohne Leverage), aber mit einem beliebigen Volatilitätsniveau. Wir nannten das Portfolio auf der Kapitalallokationslinie mit der gleichen Volatilität wie das Aktienportfolio das gehebelte Tangentialportfolio (Leveraged Tangency Portfolio). Dieses Portfolio ist ein „effizienteres Portfolio“. Die Rendite verbessert sich bei gleicher Volatilität um fast 2 %, wodurch die Sharpe-Ratio von 0,27 auf 0,45 steigt.
Abbildung 3: Moderne Portfoliotheorie: Die Effizienzgrenze und die Kapitalallokationslinie
Quelle: WisdomTree. Von Dezember 1925 bis Juli 2023. Es werden monatliche Daten in USD verwendet. US-Aktien werden durch die Datenreihe Ibbotson SBBI US Large Stock TR USD repräsentiert. US-High-Investment-Grade-Anleihen werden durch die Datenreihe Ibbotson SBBI US LT Corp TR USD bis Februar 2022 abgebildet. Danach wird der Bloomberg U.S. Long Credit Aa Total Return Index verwendet. Barmittel werden durch Ibbotson SBBI US 30-Day T-Bill TR USD dargestellt. Die historische Wertentwicklung ist kein Hinweis auf die künftige Wertentwicklung, und Anlagen können im Wert sinken.
Die wichtigsten Erkenntnisse
„Diversifizierung ist das einzige kostenlose Mittagessen bei der Geldanlage“ – ob nun ein echtes oder ein falsches Zitat von H. Markowitz – verkörpert die Philosophie, die dem 60:40-Portfolio zugrunde liegt. Es ist auch eine der zentralen Lehren aus den mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Arbeiten von Markowitz. Aber die zweite Lehre wurde nicht ausreichend beachtet: Die Hebelung eines guten Portfolios kann ein noch besseres Portfolio ergeben. Alles in allem können Anleger durch die Hebelung eines traditionellen 60:40-Portfolios – ein Gedanke, den wir bei WisdomTree als „Efficient Core“ bezeichnen – potenziell ein ähnliches Maß an Volatilität wie bei einem zu 100 % in Aktien investierten Portfolio erhalten, jedoch mit der besseren Sharpe-Ratio eines 60:40-Portfolios.
Mögliche Beispiele für einen breiten Einsatz solcher Efficient-Core-Portfolios in Multi-Asset-Portfolios sind: