Seit Jahrzehnten genießen die USA eine wirtschaftliche Ausnahmestellung und ziehen im Verhältnis zum Umfang ihrer Volkswirtschaft einen unverhältnismäßig großen Anteil des weltweiten Kapitals an. Beispielsweise machen die USA etwa 72,92 % des MSCI World Index und 66,41 % des MSCI ACWI Index aus (beide Indizes sind nach Marktkapitalisierung gewichtet), obwohl sie nur 26,3 % zum globalen BIP beitragen.
Was ist die Ausnahmestellung der USA?
Die Ausnahmestellung der USA bezieht sich auf die Überzeugung, dass die USA über eine einzigartige Wirtschaftskraft verfügen, die sie im Vergleich zu anderen Ländern zu einem herausragenden – oder sogar überlegenen – Umfeld für Innovation, Wachstum und langfristige Investitionen macht. Dieser Gedanke diente in der Vergangenheit sowohl als Investitionsargument als auch als Ausdruck echter struktureller Vorteile in der US-Wirtschaft.
Die wichtigsten Faktoren für diese Wahrnehmung:
Langfristige Auswirkungen
Wachsende Zweifel an der Ausnahmestellung der USA
In letzter Zeit stellen internationale Anleger diese lang gehegte Überzeugung zunehmend infrage. Diese Zweifel wurden durch die unberechenbaren politischen Schritte der derzeitigen US-Regierung noch verstärkt. Das Zurückfahren der weltweiten Sicherheitszusagen der USA und die Hinwendung zu einer protektionistischen oder merkantilistischen Handelspolitik haben traditionelle Verbündete und Anleger gleichermaßen verunsichert.
Vor allem der Rückzug der USA aus der internationalen Sicherheitsunterstützung hat viele europäische Staaten dazu veranlasst, frühere Haushaltsbeschränkungen aufzugeben und die Verteidigungsausgaben aufzustocken, um die militärische Aufrüstung voranzutreiben.
Die europäischen Regierungen tätigen keine kurzfristigen, reaktionären Käufe, sondern gestalten ihre Verteidigungsstrategien auf lange Sicht um. Deutschlands mit 100 Milliarden Euro ausgestatteter Sonderfonds soll bis 2027 vollständig zugewiesen sein; Frankreich, Polen und das Vereinigte Königreich haben sich zu Militärbudgets in Rekordhöhe verpflichtet. Europa hat sich bisher bei der Beschaffung von militärischer Spitzentechnologie auf US-Rüstungsunternehmen verlassen, aber durch politische Veränderungen wird nun heimischen Anbietern Vorrang eingeräumt. Das Vertrauen der Anleger in diese strategische Neuausrichtung zeigt sich darin, dass der WisdomTree Europe Defence UCITS ETF (WDEF) in den ersten 16 Handelstagen seit seiner Auflegung am 11. März 2025 Zuflüsse in Höhe von 817 Millionen US-Dollar verzeichnet hat.
Gleichzeitig steht auch die technologische Dominanz der USA auf dem Prüfstand. Die Entstehung von DeepSeek in China – einem kosteneffizienteren KI-Modell – hat neue Skepsis gegenüber den Bewertungen von hochfliegenden US-Chipherstellern wie Nvidia geweckt. Diese Bewertungen basierten auf der Annahme, dass US-Firmen ihre Preissetzungsmacht länger behaupten würden, als es heute realistisch erscheint.
Außerdem verliert der US-Dollar etwas von seiner traditionellen Bedeutung als „Flucht in die Sicherheit“. Nach der Ankündigung neuer Zölle am 2. April 2025, die die Angst vor einer Abkühlung des Weltwirtschaftswachstums verstärkte, brach der US-Dollar-Index (DXY) innerhalb von nur 18 Stunden um 2,5 % ein.
Aktienmärkte außerhalb der USA liegen vorn
Die US-Aktienbenchmarks hinken ihren internationalen Pendants seit Jahresbeginn deutlich hinterher. Nach aktuellen Daten liegen US-Indizes gegenüber Europa um 13,6 % und gegenüber China um 19,3 % zurück.
Während dieser Unterschied zum Teil auf zyklische Faktoren zurückzuführen sein könnte, wächst unter den Anlegern die Besorgnis über einen strukturellen Wandel, der ein Zeichen dafür sein könnte, dass sich die Performancelücke zwischen den USA und dem Rest der Welt schließt.
Europäische Anleger kaufen mehr europäische Fonds
Das Anlegerverhalten spiegelt diese veränderte Dynamik wider. Vor allem europäische ETF-Anleger haben Kapital von US-Fonds in europäische Fonds umgeschichtet, wie aus der folgenden Tabelle hervorgeht:
Quelle: Bloomberg, Stand: 3. April 2025, Kapitalflüsse in USD. Die Kapitalflüsse sind für alle in Europa notierten ETFs gezeigt. In Klammern angegebene Zahlen sind negativ.
Fazit
Das jahrzehntelange Narrativ der wirtschaftlichen Ausnahmestellung der USA wird zunehmend hinterfragt. Eine Kombination aus politischer Unberechenbarkeit, schwächelnden globalen Allianzen und wachsendem Wettbewerb – vor allem in wichtigen Branchen wie dem Tech-Sektor – hat das Vertrauen, das die Dominanz der USA untermauerte, teilweise untergraben.
Da sich die Aktienmärkte außerhalb der USA besser entwickeln und sich die globalen Anlageströme neu ausrichten, verzeichnen europäische ETFs zunehmend mehr Aufmerksamkeit. Diese Verschiebung könnte nicht nur eine kurzfristige Rotation signalisieren, sondern eine umfassendere Neubewertung der globalen Anlageprioritäten.
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