Europäische Verteidigungsunternehmen gehörten in der ersten Hälfte des Jahres 2025 zu den herausragenden Themen am Markt. Rüstungsunternehmen verzeichneten einen Aufschwung, als Europa den Worten Taten folgen ließ und mit der Wiederaufrüstung begann. Nach Turbulenzen im August – aufgrund von Schlagzeilen über mögliche diplomatische Annäherungen zwischen den USA und Russland und einen angedachten Waffenstillstand in der Ukraine – fragen sich einige, ob die These ausgedient hat. Wir bleiben der Ansicht, dass der Rückschlag zyklisch bedingt ist, während die treibenden Faktoren struktureller Natur sind. Einfach ausgedrückt: Der Rückschlag ist nicht die Story, die Zusagen sind es.
Die Märkte haben sich auf Schlagzeilen über eine „Vereinbarung“ gestürzt und unseres Erachtens die Wahrscheinlichkeit einer kurzfristigen Einigung zu hoch und die Kosten der Abschreckung zu niedrig bewertet – selbst wenn diese gelingt. Auch bei einer Einigung setzt ein glaubwürdiger Waffenstillstand mit robusten Sicherheitsgarantien eine anhaltende europäische Militärpräsenz vor Ort voraus – sowie den Wiederaufbau von Vorräten und eine größere Einsatzbereitschaft der NATO1. In den Medien wird auch ein mögliches Friedenskorps in Europa erörtert, das an sich teuer wäre und eine mehrjährige Beschaffungs- und Unterhaltsnachfrage erzeugen würde. Kurzum: Die Abschreckung erfordert einen hohen Kapitaleinsatz, und die Abwertung der letzten Zeit spiegelt offenbar die Stimmung, nicht aber die strukturelle Ausgabenentwicklung wider.
Strukturelle Zusagen: Was sich 2025 geändert hat, ist die Politik, nicht die Stimmung
Die Entwicklung der Verteidigung Europas ist nun in Verträgen und Rahmenwerken auf EU-Ebene verankert. Auf dem NATO-Gipfel in Den Haag am 24.–25. Juni 2025 einigten sich die Verbündeten auf ein neues Rahmenwerk zur Anhebung der Ausgaben auf 5 % des BIP2 bis zum Jahr 2035, einschließlich mindestens 3,5 % für den Kernbereich der Verteidigung3. Das ist eine deutliche Veränderung gegenüber dem lange geltenden Richtwert von 2 % und legt den Grundstein für einen mehrjährigen Wachstumspfad für Haushaltsausgaben anstatt einer einmaligen Spitze.
Brüssel hat das finanzielle und industrielle Gerüst für diese Ziele errichtet. Am 27. Mai 2025 verabschiedete der Rat offiziell die EU-Initiative SAFE (Security Action for Europe), die bis zu 150 Milliarden Euro4 an EU-gestützten Darlehen zur Finanzierung einer gemeinsamen Beschaffung und zum Ausbau vorrangiger Kompetenzen von Luft- und Raketenabwehr bis hin zu Munition und Drohnen bereitstellt. Damit soll der Fragmentierung entgegengewirkt werden, außerdem soll wichtigen Rüstungsunternehmen und ihren Lieferketten die vorhersagbare Nachfrage geboten werden, die sie für Investitionen in großem Maßstab benötigen.
Vor allem aber geht der Ausbau von einer höheren Ausgangsbasis aus. Die Verteidigungsausgaben der EU-Mitglieder beliefen sich 2024 auf geschätzte 326 Milliarden Euro bzw. rund 1,9 % des BIP und lagen damit um mehr als 30 % über dem Wert von 2021. Das belegt, dass den Worten über eine Wiederaufrüstung bereits Taten folgen5. Neben diesen Finanzmitteln geben auch die Europäische Verteidigungsindustriestrategie (EDIS) und das Europäische Verteidigungsindustrieprogramm (EDIP) eine klare Richtung für einen echten Binnenmarkt in der Verteidigung vor. Denn sie setzen ausdrückliche Ziele für eine Erhöhung der Beschaffung und des gemeinsamen Einkaufs in der EU bis zum Jahr 2030 sowie Fortschritte auf mindestens 60 % der Beschaffung in der EU bis 20356.
Abbildung 1: Ziele der Europäischen Verteidigungsindustriestrategie (EDIS) bis 2030 — Verantwortlichkeiten der Mitgliedsstaaten
Quelle: Europäische Kommission: Gemeinsame Mitteilung an das Europäische Parlament und den Rat, Stand: August 2024. Die historische Wertentwicklung ist kein Hinweis auf die künftige Wertentwicklung, und Anlagen können im Wert sinken.
Auch jenseits der Ukraine: Dauerhafte Nachfrage
Die Kommission formuliert in ihrem Rahmenkonzept „Readiness 2030“ klipp und klar: „Die Zeit der Wiederaufrüstung Europas ist gekommen“ und es soll ein „einmaliger Aufschwung“ vollzogen werden, um die Abschreckung wiederherzustellen, die Ukraine zu unterstützen und eine widerstandsfähige industrielle Basis aufzubauen. Außerdem wird die Ukraine als „weltweit führendes Innovationslabor für Verteidigung und Technologie“ bezeichnet, was die Absicht wiedergibt, das Land mit der Zeit in das Verteidigungs-Ökosystem Europas einzubinden. Diese Logik hat auch dann Bestand, wenn die Kämpfe ausgesetzt werden. Nach dem schwersten Bodenkrieg auf dem europäischen Kontinent seit 1945 besteht das Ziel im Aufbau eines glaubwürdigen europäischen Friedenskorps bis zum Jahr 2030, ob die Kämpfe nun 2026 oder 2027 eingestellt werden. Auf die Abschreckung ausgerichtete Haushalte sind langlebig, sie sind an vertragliche Verpflichtungen, geopolitische Notwendigkeit und eine Industriestrategie gebunden, deren Umsetzung Jahre dauern wird.
Das angedachte Vorgehen mit Sicherheitsgarantien bekräftigt diesen Punkt. Der Gegenvorschlag vom April7 sieht robuste, von den USA unterstützte Garantien mit Merkmalen nach Artikel 5 sowie keine Gespräche über territoriale Zugeständnisse vor, bis ein vollständiger Waffenstillstand erreicht ist. Bei der Vereinbarung eines solchen Rahmens würde Europa naturgemäß im Mittelpunkt der täglichen Umsetzung stehen. Das bedeutet Streitkräfteaufbau, dauerhafte Präsenz und nachhaltige Einsatzbereitschaft – Faktoren, die die Nachfrage eher ankurbeln, als einen Grund zum Rückzug darstellen. In einem separaten Bericht werden europäische Pläne für mögliche Friedenstruppen und eine „Absicherung“ durch die USA in Form von Luftstreitkräften und Hilfsmitteln beschrieben, was mit der Zurückhaltung Washingtons beim Einsatz von Bodentruppen im Einklang steht.
Industrieller Aufschwung und technologische Innovation
Europas Verteidigungswende ist ebenso sehr Industriepolitik wie Militärpolitik. Längere, vorhersehbare Auftragsbestände kurbeln Investitionen8, Einstellungen und den Ausbau der Lieferketten an, binden traditionelle Branchen wie Stahl, Chemie und Autobau ein und gehen das historische „Größenproblem” eines fragmentierten Marktes an. Ein klares Beispiel dafür ist die Ansicht von Rheinmetall, dass das Volkswagenwerk in Osnabrück für eine Umstellung auf die Rüstungsproduktion „sehr gut geeignet“ wäre9 – vorausgesetzt, es kämen große, nachhaltige Aufträge wie die Serienfertigung des Schützenpanzers Lynx zustande. Genau diese Vorhersehbarkeit soll durch das NATO-Ziel von 5 %/3,5 % und die SAFE-Darlehen der EU geschaffen werden.
Die technologische Dimension ist ebenso wichtig. Verteidigungsinvestitionen fließen in KI10, Robotik, Raumfahrt und fortschrittliche Elektronik – Bereiche mit doppeltem Verwendungszweck, in denen Europa Resilienz und strategische Autonomie anstrebt. Readiness 2030 verbindet Ausgaben ausdrücklich mit diesen Grenzbereichen. Eine nachhaltige, mehrjährige Beschaffung ermöglicht die Kapitalvertiefung, die dem fragmentierten Ökosystem Europas bisher gefehlt hat, und verbessert so die Größe und Wettbewerbsfähigkeit.
Abbildung 2: Geplante Verteidigungsausgaben in Prozent des BIP
Quelle: NATO, WisdomTree, Stand: 26. Juni 2025. Hinweis: Montenegro und Nordmazedonien haben keine neuen Zusagen gemacht.
Preise sind zyklisch, Politik ist beständig
Die Märkte bewegen sich schneller als die Politik. Wenn Brüssel eine neue Initiative ankündigt, preisen Anleger diese oft sofort ein. Wenn Aktien „innerhalb weniger Monate ihren Wert verdoppeln“, ist das Potenzial für Rückgänge gegeben, sobald die Stimmung schwankt. Der Fehler besteht darin, Kursbewegungen als Kehrtwende in der Politik auszulegen. Die Preise sind zyklisch. Die zugrunde liegenden Haushalte sind dauerhaft und durch vertragliche Verpflichtungen und die Industriestrategie festgelegt. Die Zeitachse Europas steht noch ganz am Anfang: Readiness 203011 bedeutet den Aufbau von Kapazitäten bis zum Ende des Jahrzehnts. In diesem Rahmen ist der Abverkauf im August eine Turbulenz auf der Startbahn und kein Umkehrmanöver des Flugzeugs.
Die jüngsten diplomatischen Bemühungen stärken ein Basisszenario, in dem Europa einen größeren Teil der Sicherheitslast übernimmt, was mit den Signalen Washingtons hinsichtlich einer geringeren Rolle der USA bei langfristigen Garantien und mit der neuen Ausgabenstruktur der NATO im Einklang steht. In verschiedenen Berichten wurde sogar eine europäische Friedensmission im Rahmen eines Waffenstillstandsabkommens diskutiert (das sich noch in der Sondierungsphase befindet und noch lange nicht vereinbart ist), wodurch sich die Anforderungen an Ausrüstung und Einsatzbereitschaft nicht verringern würden.
Fazit
Der Nachrichtenzyklus ist dynamisch, die politische Architektur ist es nicht. Der Rahmen der NATO von 5 % bis 2035 mit einer Untergrenze bei der Kernverteidigung von 3,5 % signalisiert steigende Budgets für das nächste Jahrzehnt. Das SAFE-Instrument der EU unterstützt dies mit bis zu 150 Milliarden Euro für gemeinsame Beschaffungs- und Kapazitätsmaßnahmen, während EDIS/EDIP auf die Verknüpfung eines Flickenteppichs von nationalen Programmen in einem funktionierenden europäischen Markt für Verteidigungsgüter abzielen. All das baut auf einer Ausgabenbasis von bereits 326 Milliarden Euro auf – mehr als ein Drittel über dem Wert von 2021. Die plausibelsten Konturen einer Einigung, bei der Washington Luftunterstützung und Hilfsmittel bereitstellt, während die Europäer unter soliden Garantien eine Rolle vor Ort übernehmen, deuten darauf hin, dass selbst ein Waffenstillstand die Nachfrage aufrechterhalten und nicht schwächen würde. Das bleibt ein politikgesteuertes, langfristiges Thema, das auf Abschreckung, industrieller Bereitschaft und technologischen Impulsen beruht. Der Rückgang der letzten Zeit widerlegt diese Logik nicht, sondern verbessert vielmehr die Einstiegsmöglichkeiten in einen auf Dauer angelegten Ausbau der Industrie und der Kapazitäten.
Das Angebot von WisdomTree
Anleger, die ein schlüsselfertiges Engagement wünschen, können auf den WisdomTree Europe Defence UCITS ETF (WDEF) setzen. WDEF bildet den WisdomTree Europe Defence UCITS Index ab und wendet das Revenue Exposure Score Framework, Liquiditätsscreens und Obergrenzen an. Der Fonds soll einen thematischen Korb bieten, der auf die Unternehmen ausgerichtet ist, die am stärksten von der Wiederaufrüstung Europas profitieren. Dank OGAW-Konformität, halbjährlichem Rebalancing und einer Single-Trade-Lösung ist der Fonds eine praktische Option, um am strukturellen Rüstungsaufschwung der Region zu partizipieren.
1 North Atlantic Treaty Organisation (Organisation des Nordatlantikvertrags)
2 Bruttoinlandsprodukt
3 NATO: NATO concludes historic Summit in The Hague https://www.nato.int/cps/en/natohq/news_236516.htm
4 European Commission: EU Member States endorse €150 billion SAFE defence loan instrument to boost European defence capabilities https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_25_1340
5 Europäischer Rat https://www.consilium.europa.eu/en/policies/defence-numbers/?utm_source=chatgpt.com
6 Europäische Kommission https://defence-industry.eu/first-ever-european-defence-industrial-strategy-to-enhance-europes-readiness-and-security
7 Reuters: Ukrainian and European peace deal counterproposals to US at talks in London https://www.reuters.com/world/ukrainian-european-peace-deal-counterproposals-us-talks-london-2025-04-25/
8 Capex steht für Capital Expenditure bzw. Investitionsaufwand.
9 Reuters: VW's Osnabrueck plant would be 'very suitable' for defence production, Rheinmetall CEO says https://www.reuters.com/business/aerospace-defense/vws-osnabrueck-plant-would-be-very-suitable-defence-production-rheinmetall-ceo-2025-03-12/
10 Künstliche Intelligenz
11 White Paper for European Defence – Readiness 2030: https://commission.europa.eu/document/download/e6d5db69-e0ab-4bec-9dc0-3867b4373019_en
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