Die erste Hälfte des Jahres 2025 brachte ein Paradoxon mit sich. Die Gesamtinflation flaute ab, doch die Risiken durch Zölle und geopolitische Entwicklungen nahmen zu. Generell stiegen die Aktienindizes, aber die Marktführerschaft war eng gefasst und die Marktbreite ließ nach. Die Renditen langfristiger Anleihen schwankten, und der Dollar gab nach, als die US-Notenbank (Fed) nach ihrer ersten Zinssenkung um 100 Basispunkte eine Pause einlegte. Die Aktienrisikoprämien sind aktuell von großen Unterschieden geprägt: etwa 2 % in den USA, 6 % in Europa und 7 % in Japan und den Schwellenländern insgesamt. In den nächsten zwölf Monaten werden Allokationsentscheidungen von diesen Bewertungspolstern, unterschiedlichen politischen Kursen und sich wandelnden Handelsbeziehungen abhängen.
USA: Hervorragende Erträge, geringe Bewertungspuffer
2025 war das Jahr, in dem die US-Aktienmärkte gegenüber ihren internationalen Konkurrenten die größte Underperformance seit 1993 verzeichneten. Plötzlich wurde es populär, darüber zu sprechen, dass die Zeiten der Ausnahmestellung der USA zu Ende gingen, da die Unsicherheit hinsichtlich Trumps Zollpolitik und das wachsende Haushaltsdefizit zunahmen, der US-Dollar schwächer wurde und DeepSeek eingeführt wurde.
Abbildung 1: Globale Aktien ohne USA übertreffen US-Aktien so deutlich wie seit 1993 nicht mehr
Quelle: Bloomberg, WisdomTree, vom 1. Januar 1987 bis zum 22. Juli 2025, Differenz der Gesamtrendite im Jahresvergleich zwischen dem MSCI World ex-US Index und dem MSCI USA Index. Die historische Wertentwicklung ist kein Hinweis auf die künftige Wertentwicklung, und Anlagen können im Wert sinken.
Auf den Zollschock am „Tag der Befreiung“ im April folgte eine deutliche Korrektur um 12 %, doch später erholte sich der Index dank der wiederauflebenden Begeisterung für führende Unternehmen im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI). 22 %1 des Marktwerts und der größte Teil des für 2025 erwarteten Ertragswachstums von 7–9 % entfallen auf fünf Mega-Cap-Aktien (Nvidia, Microsoft, Apple, Broadcom und Oracle). Kleinere Unternehmen und zyklische Werte haben weiterhin mit hohen Refinanzierungskosten und steigenden Inputpreisen zu kämpfen.
Obwohl Washington einen knappen Zollfrieden mit der Europäischen Union (EU) geschlossen hat, ist die allgemeine US-Zollstruktur noch immer ungelöst und umfasst nun auch pauschale Zölle auf Schweizer Importe. Der effektive US-Handelssteuersatz ist von 3 % auf etwa 15 % geklettert. Unternehmen haben darauf mit verstärkten Rückkäufen reagiert, die in diesem Jahr ein Volumen von 1 Billion US-Dollar erreichen könnten, und mit einer forcierten Rückverlagerung der Lieferketten. Da die ERP nahe einem jahrzehntelangen Tiefstand liegen, hängt ein weiterer Aufwärtstrend bei US-Aktien von einer anhaltenden Übererfüllung der Ertragsprognosen einer Handvoll Giganten oder echten Fortschritten bei der Entspannung im Handelsstreit ab.
Europa: Politische Impulse treffen auf attraktive Bewertungen
Europa wurde 2025 zur Comeback-Region. Acht der weltweit erfolgreichsten Aktienmärkte waren in Europa zu finden, da die Energiekosten sanken und Deutschland seine Haushaltsregeln lockerte. Die USA haben Europa in den letzten fünf Jahren in US-Dollar gerechnet um fast 23,5 % übertroffen, was auf ein höheres Gewinnwachstum zurückzuführen war.2 Finanztitel erzielten über einen Zeitraum von fünf Jahren eine durchschnittliche Gewinnwachstumsrate von 9 % und lagen damit dreimal so hoch wie US-Banken. Unterdessen übertrafen binnenorientierte Versorger, Industriewerte und Werkstoffe exportorientierte Schwergewichte.
Abbildung 2: Vergleich von Europa und den USA – Performancelücke und 5-Jahres-CAGR des Gewinns je Aktie
Quelle: Bloomberg, WisdomTree, vom 2. Juni 2020 bis zum 2. Juni 2025, basierend auf MSCI-Indizes, Berechnungen in US-Dollar. Die historische Wertentwicklung ist kein Hinweis auf die künftige Wertentwicklung, und Anlagen können im Wert sinken.
Mit einem zukunftsgerichteten Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von fast 15 gegenüber 26 in den USA bietet Europa einen beachtlichen Bewertungspuffer. Das Gewinnwachstum dürfte 2025 um 4 % abfallen, bevor es 2026 dank eines 500 Milliarden Euro schweren Investitionsprogramms für Infrastruktur, Verteidigung und grüne Investitionen wieder um 12 % zulegen wird.3 Insgesamt erhöhen die US-Zölle auf Schweizer Importe die relative Wettbewerbsfähigkeit deutscher Investitionsgüterhersteller, französischer und italienischer Luxusmarken sowie paneuropäischer Pharmaunternehmen und sorgen damit für zusätzlichen Rückenwind. Ein stärkerer Euro könnte einen Teil dieses Vorteils zunichte machen, doch mit ERP von 6 % und einem steigenden Kreditimpuls bleibt Europa für eine Übergewichtung attraktiv.
Schwellenländer: Die Binnennachfrage übernimmt die Führung
Der MSCI Emerging Markets Index ist seit Jahresbeginn um 9 % gestiegen und wird noch immer mit einem Abschlag von 31 % gegenüber den Industrieländern gehandelt.4 Vier Faktoren untermauern die Rallye. Erstens lagen die Bewertungen zu Beginn des Jahres 2025 auf einem krisenbedingten Tiefstand. Zweitens haben viele Zentralbanken frühzeitig die Geldpolitik gestrafft und verfügen nun über Spielraum für Zinssenkungen. Drittens führt die Neuausrichtung der Lieferketten zu einer Umverteilung von Handel und Investitionen. Viertens sind Schwellenländeraktien in globalen Portfolios nach wie vor unterrepräsentiert.
Lateinamerika veranschaulicht diesen Wandel. Die Region schnitt 2024 in den Schwellenländern am schlechtesten ab, erholte sich jedoch 2025 um 26,3 %5, angeführt von einem Sprung um 54 % in Kolumbien und einem Aufschwung um 31 % in Mexiko und Chile. Kolumbien, Mexiko und Chile lagen an der Spitze, da die Nachfrage nach Kupfer und Lithium stieg. Brasilianische Aktien bleiben auch nach den neuen US-Zöllen auf Stahlexporte günstig, da die inländischen Zinsen sinken und sich die Staatsfinanzen verbessern.
Nordasien profitiert vom beschleunigten Ausbau der KI-Hardware. Korea und Taiwan dominieren den Markt für Hochbandbreitenspeicher und fortschrittliche Foundry-Dienstleistungen, und das unlängst geschlossene Chip-Abkommen zwischen den USA und Korea beseitigt einen wichtigen politischen Unsicherheitsfaktor.
Abbildung 3: Taiwan ist Weltmarktführer im Bereich der Logik-Halbleiterfertigung
Quelle: Boston Consulting Group, Semiconductor Industry Association, 2024. Die historische Wertentwicklung ist kein Hinweis auf die künftige Wertentwicklung, und Anlagen können im Wert sinken.
Indien wächst weiterhin mit Raten von fast 6 %, gestützt durch demografische Faktoren und Infrastrukturausgaben, obwohl die Bewertungen nicht mehr günstig sind. Die US-Zölle in Höhe von 50 % bedrohen die Wettbewerbsfähigkeit Indiens im Export und werfen Fragen hinsichtlich der Ambitionen von Premierminister Narendra Modi auf, das Land zu einem wichtigen Produktionsstandort zu machen, da sich die Exporteure auf rückläufige Auftragszahlen und mögliche Stellenstreichungen einstellen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen könnten dadurch aufgefangen werden, dass die indische Wirtschaft eher von der Binnennachfrage als von Exporten angetrieben wird. Daher werden staatliche Reformen zur Stärkung des Verbraucher- und Geschäftsklimas entscheidend für die Förderung des Wachstums sein.
Die Hauptrisiken für die Schwellenländer bleiben die Auswirkungen höherer Zölle sowie ein plötzliches Erstarken des US-Dollar. Dennoch stützen ERP von mehr als 7 % – insbesondere für Länder, die auf Binnennachfrage und Rohstoffexporte ausgerichtet sind – Schwellenländeraktien weiter.
Japan: Unternehmenspolitische Reformen setzen Wertpotenziale frei
Japan wandelt sich angesichts von Unternehmensreformen von einer Währungs- zu einer Wertschöpfungsstory. Die Ankündigungen von Rückkäufen überstiegen bis Mai 17 Billionen Yen, und die Hälfte der Unternehmen des Prime-Marktes wird weiterhin unter ihrem Buchwert gehandelt. Das neue Handelsabkommen zwischen den USA und Japan sichert den zollfreien Zugang für wichtige Automobil-, Batterie- und Halbleiterkomponenten und beseitigt damit einen großen externen Gegenwind.
Die Topix-Ergebnisse sind in diesem Geschäftsjahr unverändert, werden aber im Geschäftsjahr 2026 voraussichtlich um 3 % und im Jahr 2027 um 9 % steigen.6 Mit einem zukunftsorientieren Multiplikator von unter 14 und einem ERP von fast 7 % ist Japan eines der wenigen Industrieländer, das Qualität zu einem vernünftigen Preis bietet. Finanzwerte, inländische Dienstleister und führende Unternehmen der industriellen Automatisierung sind am besten aufgestellt, da Lohnzuwächse und eine steilere Renditekurve die Binnennachfrage ankurbeln. Die Abkehr der Bank of Japan (BOJ) von ihrer restriktiven Geldpolitik wirkt sich weiterhin positiv auf japanische Aktien aus. Während die US-Zölle der direkte Auslöser waren, spielte auch die nachlassende Kosteninflation eine Rolle. Das vor Kurzem angekündigte strategische Handelsabkommen zwischen den USA und Japan sicherte den zollfreien Zugang für wichtige Automobil-, Batterie- und Halbleiterkomponenten und vertiefte gleichzeitig die Anreize für gemeinsame F&E. Damit wurde ein wichtiger externer Unsicherheitsfaktor für Japans Exportchampions beseitigt und die von der Unternehmensführung vorangetriebene Neubewertung des Marktes untermauert. Wir gehen davon aus, dass die Zinserhöhungen im April 2026 wieder aufgenommen werden – in einem Tempo, das besser auf die wirtschaftlichen Bedingungen Japans abgestimmt ist.
Fazit
In den USA, Europa und dem Vereinigten Königreich sind die zehnjährigen Renditen weitgehend auf das Niveau der Zeit vor der Finanzkrise zurückgegangen und dürften angesichts der anhaltenden Inflationssorgen im Zusammenhang mit der Unsicherheit in Bezug auf Zölle weiterhin unterstützt werden.
Abbildung 4: Vergleich der globalen Aktienrisikoprämien
Quelle: Bloomberg, WisdomTree, Stand: 30. Juni 2025. Bitte beachten Sie, dass die Aktienrisikoprämie als vorausschauende Ertragsrendite abzüglich der zehnjährigen Realrendite definiert ist. Die historische Wertentwicklung ist kein Hinweis auf die künftige Wertentwicklung, und Anlagen können im Wert sinken.
Aus diesem Grund gehen die globalen Aktienmärkte mit Risikoprämien in das zweite Halbjahr 2025, die derzeit äußerst ungleich verteilt sind. In den USA, wo eine zehnjährige Phase mit expansiven Bewertungsmultiplikatoren die ERP auf 2,2 % gedrückt hat, ist die Kompensation für makroökonomische oder politische Schocks am geringsten. Im Gegensatz dazu betragen die ERP in Europa etwa 6 %, in Japan 7 % und in den breiten Schwellenländern fast 7,5 %. Diese Kluft spricht für eine Barbell-Allokation. Dabei wird das Engagement in den strukturellen Innovatoren der USA beibehalten, aber zusätzliches Kapital in Regionen mit höheren Prämien umgeschichtet, in denen ein Großteil des Risikos bereits eingepreist ist.
Den vollständigen Marktausblick von WisdomTree finden Sie hier.
1 Bloomberg, Stand: 22. Juli 2025
2 Bloomberg, Wertentwicklung des MSCI USA gegenüber dem MSCI Europe vom 30. Juni 2020 bis zum 30. Juni 2025
3 Bloomberg, Stand: 30. Juni 2025
4 Bloomberg, WisdomTree, Stand: 30. Juni 2025
5 Bloomberg, MSCI Latin America Index vom 31. Dezember 2024 bis zum 30. Juni 2025
6 Bloomberg, FactSet, Stand: 30. Juni 2025
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