Die Europäische Union und der IWF haben die letzte Zahlung aus dem Rettungspaket an Portugal ausgesetzt. Grund ist das zögerliche Verhalten, weitere Sparmaßnahmen und insbesondere Gehaltskürzungen bei Beamten von 2 bis 12 % sowie Kürzungen beim Kranken- und Arbeitslosengeld vorzunehmen. Das portugiesische Verfassungsgericht hatte diesbezüglich mehrere Sparbeschlüsse als verfassungswidrig erklärt. Nun warten die Geldgeber auf alternative Sparmaßnahmen, bevor die letzte Rate von 2,6 Mrd. Euro aus dem Rettungspaket von 76 Mrd. Euro ausgezahlt wird - eine unverständliche Entscheidung.
Denn es scheint keine Alternative zu geben. Portugal hat sich zwar ebenso wie Griechenland kürzlich am Kapitalmarkt Geld besorgt. Allerdings ist das dort herrschende Zinsniveau alles andere als ausreichend niedrig, um eine schnelle und nachhaltige Schuldentragfähigkeit sicherzustellen. Für die Stabilisierung der Schuldenquote in Portugal sind niedrige Zinsen weiterhin notwendig. Für eine Laufzeit von 5 Jahren musste Portugal Zinsen in Höhe von 4,7 % bezahlen. Der effektive Zinssatz des Staates hat sich auch dank der Troika in den letzten Jahren reduziert und lag 2013 bei geschätzten 3,4 % - Tendenz fallend, aber immer noch deutlich höher als im Fall Griechenlands (ca. 2,6 % in 2013). Aktuell würde bereits ein nominales BIP-Wachstum von ca. 3,5 % ausreichen, um die Schuldenquote auch ohne einen Primärüberschuss zu stabilisieren: Niedrige Zinsen erlauben eine Schuldenstabilisierung, da weniger Anpassungen durch Sparmaßnahmen vollzogen werden müssen, was wiederum das Wirtschaftswachstum weniger belastet und somit eine nachhaltige Stabilisierung der Schuldenquote fördert.
Die Risikoprämien und damit auch das portugiesische Zinsniveau werden dann weiter fallen, wenn die portugiesische Wirtschaft weiter an Fahrt gewinnt. Denn Wachstum ist der entscheidende Faktor für eine tragfähige Schuldenquote. Dies gilt insbesondere für hochverschuldete Länder, die nur aus einer mittel- bis langfristigen Sicht eine Reduzierung ihrer Schuldenquote erreichen können. Denn ein Land kann sich nicht gesundsparen. Auch wenn kurzfristige Sparmaßnahmen für eine Stabilisierung von extremen Ungleichgewichten der Staatsfinanzen sicherlich notwendig sind, liegt die langfristige Lösung eindeutig im Wirtschaftswachstum. Die Geschichte zeigt, dass sich hochverschuldete Länder nur über Wachstum in Kombination mit einer soliden Haushaltslage vor einem Bankrott retten konnten. Nach den bereits erreichten Fortschritten bei der Stabilisierung der Staatsfinanzen sollte die Troika den Ländern Südeuropas Spielraum verschaffen, nun eine mittelfristige Stabilisierungspolitik umzusetzen. Dies tut sie nicht, indem sie auf weiteren Sparmaßnahmen besteht, sondern indem ein niedriger Zinssatz für öffentliche Schulden sichergestellt wird. Der portugiesische Staat hat sein Defizit von fast 10 % in 2010 auf unter 5 % des BIP im Jahr 2013 reduziert, was absolut betrachtet eine deutliche Sparanstrengung der Portugiesen widerspiegelt - insbesondere wenn berücksichtigt wird, dass die Wirtschaft in dieser Zeit kumuliert um fast 6 % geschrumpft ist. Die schwache Wirtschaftslage hat dazu beigetragen, dass die Schuldenquote trotz dieser Anstrengungen von 94 % (2010) auf knapp 130 % des BIP in 2013 angestiegen ist. Nun ist es an der Zeit, sich auf Wachstum zu fokussieren, insbesondere weil die Primärbilanz 2013 trotz schrumpfender Wirtschaft mit rund -0,6 % des BIP beinahe ausgeglichen war. Deswegen würde eine effektive Zinssenkung für den portugiesischen Staat durch die Troika gerade in Verbindung mit einer moderaten wirtschaftlichen Erholung die Stabilisierung der Schuldenquote in greifbare Nähe rücken.
Ein Vergleich mit den USA ist hierbei angebracht. In der Finanzkrise wurden in den USA wie auch in der Euro-Zone von keinen Sparmaßnahmen gesprochen. Im Gegenteil, die Haushaltsdefizite weiteten sich deutlich aus und stützten die Wirtschaft. Doch im Gegensatz zur Euro-Zone haben die USA diese Politik generell beibehalten und das Haushaltsdefizit eher durch eine Erholung der Wirtschaft als durch Sparmaßnahmen zurückgeführt. Somit wurde die konjunkturelle Erholung deutlich weniger belastet. Dank der Fed sind die Zinsen für die USA zudem relativ niedrig. Doch die Fed als größter Gläubiger der US-Regierung fordert keine Sparmaßnahmen, wie es EZB und Troika tun, sondern versucht, durch ihre eigene Politik die Wirtschaft zusätzlich zu stimulieren. Ob dies sinnvoll ist, sei dahingestellt, aber zumindest verhindert die Fed eine rückläufige Liquiditätszufuhr für die Realwirtschaft, was in der Euro-Zone weiter der Fall ist.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wo die USA heute bei der Stabilisierung ihrer Schuldenquote stehen. Die Erholung der US-Wirtschaft hat das Haushaltsdefizit deutlich reduziert. Niedrige Zinsen in Kombination mit Wachstum sorgen zudem für eine relativ schnelle Schuldenstabilisierung - auch ohne Primärüberschuss und ambitionierte Sparmaßnahmen. Abbildung 1 zeigt, dass der Verlauf der US-Schuldenquote seit der Finanzkrise nicht viel anders ist als in der Euro-Zone, die Belastung für Wachstum bzw. Bevölkerung und Wohlstand jedoch deutlich geringer ausfiel (Abb. 2). Die absolute Verschuldung ist in den USA deutlich stärker angestiegen. Doch dies ist im Kontext einer tragfähigen Schuldenpolitik nicht entscheidend, sondern nur die Schulden in Relation zum Wohlstand bzw. BIP-Wachstum. Zudem sollte sich mit hohem Wachstum und einer Niedrigzinspolitik 2014 eine Stabilisierung der Quote mehr und mehr bestätigen. Vergleicht man die Entwicklung der Schuldenquote und des BIP-Wachstums in den USA mit derjenigen der Euro-Zone und Portugals, scheint eine erfolgreiche fiskalische Konsolidierung vor allem durch Wachstum und niedrige Zinsen erreichbar zu sein - und nicht durch Sparmaßnahmen.
Doch zurück zu Portugal. Trotz eines negativen Wachstums in 2013 von um die -1,4 % hat sich der Konjunkturverlauf positiv entwickelt. Die Wirtschaft ist außer im ersten Quartal 2013 in jedem anderen Quartal 2013 gewachsen. Dieser Trend konnte sich allerdings im ersten Quartal 2014 nicht bestätigen, da die Wirtschaft um 0,7 % geschrumpft ist - insbesondere aufgrund fallender Exporte, während sich die Binnennachfrage und insbesondere die Investitionen langsam zu erholen scheinen. Somit sind aktuell vor allem vertrauensfördernde Maßnahmen gefordert. Dies bezieht sich insbesondere auf die weitere Stabilisierung bzw. Erholung des Konsumenten- und Investorenvertrauens. Stabile Transferzahlungen zur Festigung der sozialen Strukturen ebenso wie erhöhte Investitionen des Staates zur Förderung von privaten Investitionen sind erforderlich. Weitere Sparmaßnahmen sind hier grundsätzlich fehl am Platz. Diese würden die Schuldenquote nur noch weiter ansteigen lassen und Portugal immer näher an den Punkt eines unausweichlichen Schuldenschnitts bringen, was sicherlich nicht im Sinne der Troika sein kann. Die Stabilisierung und Stimulierung der Wirtschaft sind auch deshalb für Portugal so wichtig, weil das Land nicht nur eine hohe Staats-, sondern auch private Schuldenquote aufweist.
Fazit: Die Sparmaßnahmen in Portugal haben die Wirtschaft in den letzten Jahren geschwächt, was entscheidend dazu beigetragen hat, dass die Schuldenquote trotz dieser Anstrengungen unaufhörlich angestiegen ist. Zwar prognostiziert die EU für Portugal wie auch die meisten Euro-Länder 2014/15 eine konjunkturelle Erholung, die wiederum die Schuldenquote stabilisieren sollte. Im ersten Quartal 2014 ist die portugiesische Wirtschaft allerdings sehr deutlich geschrumpft. Deswegen sind keine weiteren Sparauflagen notwendig, sondern wachstumsfördernde Maßnahmen. Aktuell anvisierte Sparmaßnahmen gehören eingefroren und eine weitere Einengung des Haushaltsdefizits ausgesetzt, um die wirtschaftliche Erholung zu festigen. Denn wie die Geschichte im Allgemeinen und für die USA jüngst im Besonderen bestätigen, ist Wirtschaftswachstum letztendlich die einzige sinnvolle bzw. nachhaltige Konsolidierungspolitik - vor allem für Länder mit hoher Schuldenquote, zu denen Portugal sicherlich gehört. Die Troika würde deshalb gut daran tun, Portugal durch sinkende Zinsen zu unterstützen, statt kontraproduktive Sparmaßnahmen zu fordern. Sonst könnte sich eine solche Politik womöglich als Eigentor für die Troika bzw. die Euro-Zone - die größten Gläubiger Portugals - erweisen.
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4. Juni 2014
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