21. Oktober 2014
Sanktionen gegen Russland verfehlen ihr Ziel
Bereits in früheren Kapitalmarkt-News haben wir empirisch gezeigt, dass ein Einbruch des russischen BIP wegen geopolitischer Risiken und Sanktionen einen signifikanten und spürbar negativen Einfluss auf die Wirtschaft der Eurozone haben wird (siehe IKB Kapitalmarkt-News vom 29. April). Denn diese Entwicklungen beeinträchtigen nicht nur die Handelsströme, sondern sie beeinflussen angesichts der geopolitischen Komponente ebenfalls das Unternehmer- und Konsumentenvertrauen. Die Folge ist, dass Investitionsentscheidungen aufgeschoben werden. So war bereits im zweiten Quartal trotz günstiger Finanzierungsbedingungen ein erneuter Rückgang der Ausrüstungsinvestitionen in Deutschland zu verzeichnen. Deutschland und die Eurozone wurden mehr in Mitleidenschaft gezogen, als dies allein angesichts der überschaubaren Handelsbeziehungen und insbesondere der Exporte in Richtung Russlands zu erwarten gewesen wäre.
Im Gegensatz zu den Erwartungen der Befürworter von Sanktionen hat sich die russische Wirtschaft bis dato als relativ robust erwiesen. Wie Abb.1 zeigt, verharrt der russische Einkaufsmanager-Index (PMI) immer noch über der kritischen Marke von 50 Punkten, nachdem er bereits Anfang 2014 über diese Marke gestiegen war. Der PMI der Eurozone zeigt hingegen seit 2014 einen klaren Abwärtstrend. Nur auf Basis des PMI ist es schwer festzustellen, welche Volkswirtschaft unter den Sanktionen bzw. geopolitischen Unsicherheiten aktuell am stärksten leidet. Dies ist insbesondere auch deshalb der Fall, weil der fallende Ölpreis die russischen Wirtschaft mehr und mehr belasten sollte. Mit nachlassenden Rohstoffpreisen in US‑$ mag die krisenbedingte Abwertung des Rubels kurzfristig sogar stützend wirken, da dies zumindest die Rubel-Einnahmen festigt.

Sicherlich gibt es viele Treiber für die Erwartungen von Unternehmen und damit für den Verlauf des PMI. Eines lässt sich allerdings festhalten: Noch gibt es keine klare Anzeichen dafür, dass die Sanktionen bzw. geopolitische Konflikte einen bedeutenden Einfluss auf die Stimmung in der russischen Realwirtschaft haben. Eine Aussage, die nicht unbedingt für die Eurozone gilt. Aktuell scheinen die geopolitischen Risiken und Sanktionen doch eher das Klima in der Eurozone und insbesondere in Deutschland zu belasten als in Russland. Nun mag argumentiert werden, dass Sanktionen ihre Zeit brauchen, bevor sie wirken. Allerdings lässt die Wirkung von Sanktion über einen längeren Zeitraum nach, insbesondere dann, wenn Substitute existieren und sich nicht alle Länder an den Sanktionen beteiligen – wie im aktuellen Fall; mit der Zeit entstehen neue Handelsbeziehungen mit Drittländern.
Auch wenn der Einfluss geopolitischer Risiken höher sein mag als es die Handelsströme zeigen, so ist die breit gestreute Stimmungseintrübung in der Eurozone auf den ersten Blick überraschend. Doch ist die jüngste Eskalation der wirtschaftlichen Abschwächung im Kontext der letzten sechs Jahre zu sehen, während derer Finanz- und Eurokrise zu anhaltender Unsicherheit unter Unternehmern geführt haben. Gäbe es ein grundsätzliches Vertrauen in die konjunkturelle Erholung bzw. das Wachstum, so wäre in der Tat von einem überschaubaren Einfluss geopolitischen Risiken auf die aktuellen Investitionsentscheidungen von Unternehmen auszugehen. Dieses grundsätzliche Vertrauen ist allerdings aufgrund der immer noch anhaltenden Krise nicht uneingeschränkt vorauszusetzen. Dies bedeutet, dass neue Unsicherheiten die zurückhaltende Investitionsfreudigkeit von Unternehmer bestätigen bzw. verstärken und damit alte Krisen wieder aufleben lassen.
Unternehmer, die in den letzten Jahren wegen konjunktureller Unsicherheiten grundsätzlich zurückhaltend waren und trotz möglicher Opportunitäten in Deutschland und Europa nicht investiert haben, haben bis dato recht behalten und werden durch die aktuellen geopolitischen Unsicherheiten rund um die Ukraine bzw. die daraus resultierende Sanktionspolitik in ihrem Zögern eher bestätigt. Damit hat die Russlandkrise in der jüngsten Geschichte vor allem einen überproportionalen Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen in der Eurozone – ein Effekt, den viele Marktbeobachter eher in Russland erwartet hätten.
Ziel von Sanktionen ist es, Volkswirtschaften zu schwächen, um Druck auf Regierungen oder Regime auszuüben und somit eine Veränderung der Politik zu erreichen. In der Praxis hat sich allerdings der politische Druck, den Sanktionen ausüben sollen, als eher ineffektives Mittel erwiesen; insbesondere bei Diktatoren, die vom uneingeschränkten Gebrauch der Staatsgewalt nicht zurückschrecken. Doch in Russland scheint gerade das Gegenteil passiert zu sein. Die Zustimmung der russischen Bevölkerung für die Politik Putins ist in 2014 deutlich gestiegen. Dies mag mit der Annexion der Krim zu tun haben. Doch die Stimmungswerte bleiben auch weiterhin auf einem hohen – vielleicht sogar weiter ansteigenden – Niveau. Der seit Jahren zu verzeichnende Trend nachlassender Zustimmung für die Politik Putins ist 2014 entscheidend gebrochen. Die Rückgewinnung der Krim, aber auch die Sanktionen gegenüber Russland scheinen eine Mobilisierung des nationalen Bewusstseins zu fördern. Deshalb scheinen die aktuellen Sanktionen gegenüber Russland kontraproduktiv zu wirken, wenn es darum geht, politischen Druck auf Putin auszuüben.

Fazit: Werden die Sanktionen gegenüber Russland anhand ihrer bisherigen Wirksamkeit beurteilt, gibt es über ihren Misserfolg angesichts aktueller Daten keinen Zweifel. Die russische Realwirtschaft bzw. das Vertrauen in die Wirtschaft sind kaum beeinflusst. Und die Zustimmung in der russischen Bevölkerung für Putins Politik hat sogar eine Renaissance erfahren. Gemessen an der konjunkturellen Stimmung in Deutschland wie auch in der Eurozone haben sich die Sanktionen sogar bis dato als Bumerang erwiesen, wobei es schwer ist, zwischen dem Einfluss geopolitischer Unsicherheiten und den Sanktionen deutlich zu unterscheiden. Letztendlich steht die EZB gegenwärtig vor der großen Herausforderung, eine erneute Rezessionen in der Eurozone abzuwehren, trotz der Sanktionen gegen Russland, geopolitischer Risiken sowie der Unentschlossenheit der Politik in der Eurozone, weitere Stimulierungspakete aufzusetzen.
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