IKB Kapitalmarkt-News

3. Februar 2015

Implikationen des EZB-Aufkaufprogramms - nötig, um über den Tellerrand zu schauen

Das Aufkaufprogramm der EZB sieht eine Bilanzausweitung um ca. 1 Billion Euro vor. Allerdings ist das Programm nicht begrenzt, sondern hängt von der Preisentwicklung ab. Die Andeutungen einer möglicherweise anhaltenden expansiven Geldpolitik haben die Märkte beflügelt. Doch wie plausibel ist die Erwartung einer anhaltenden Bilanzausweitung? Und wie erfolgreich wird das Aufkaufprogramm kurzfristig sein? Hierüber wird viel diskutiert und oftmals das Offensichtliche vergessen. Der bereits deutlich abgewertete Euro ist ein wichtiges Ergebnis der sich seit Ende des letzten Jahres anbahnenden Bilanzausweitung der EZB (siehe IKB Kapitalmarkt-News vom 28. November 2014). Die entscheidende Frage ist daher, ob die Abwertung ausreichend groß sein wird, um Inflations- und Konjunkturentwicklung in der Euro-Zone spürbar zu beeinflussen und somit sicherzustellen, dass mit dem Beginn des Aufkaufprogramms eine Wende eingeleitet wird. Aus fundamentaler Sicht deuten die Langfristzinsen in Deutschland darauf hin, dass das Aufkaufprogramm keine entscheidende Wende in der Inflationsentwicklung bringen wird. Das Aufkaufprogramm mag zwar die Rendite aufgrund der ansteigenden Nachfrage durch die EZB reduzieren. Die aktuelle Rendite von unter 0,4% auf zehnjährige deutsche Staatsanleihen kann aus volkswirtschaftlicher Sicht aber nur mit der Erwartung von anhaltender Stagnation und Deflationsgefahr in Einklang gebracht werden. Ähnliches gilt für die Erwartungen am kurzen Ende der Zinskurve. Wer den EZB-Leitzins in fünf bis sieben Jahren immer noch auf dem aktuellen Niveau von effektiv 0% sieht, der erachtet die EZB-Bilanzausweitung als wenig erfolgversprechend.

Doch vertraut man Draghis Worten, ist die Frage nicht, ob die Inflationsraten auf Sicht wieder steigen werden. Sondern wie weit die EZB dafür ihre Bilanzsumme ausweiten muss und der Euro abwertet. Allerdings wird auch ein Aufkaufprogramm früher oder später an seine Grenzen stoßen, insbesondere wenn dieses negative Konsequenzen für andere Länder mit sich bringt. Die Aufwertung des US-Dollar stellt schon länger eine Besorgnis für die Fed dar. So hat die EZB zwar theoretisch die Fähigkeit, ihre Bilanz uneingeschränkt auszuweiten, um den Euro zu schwächen. Bei der Durchführung ergeben sich aber für die EZB, wie der Verzicht der SNB auf eine Wechselkursuntergrenze gezeigt hat, Grenzen des Machbaren. Und wie das Beispiel der Schweiz verdeutlicht, ergeben sich diese insbesondere dann, wenn andere Notenbanken ihre Bilanzen ausweiten und als Folge die Abwertung des Euro verhindert würde. Aktuell erholt sich die US-Wirtschaft und es wird kurzfristig von keinem erneuten Aufkaufprogramm der Fed ausgegangen – allerdings auch von keiner Rückführung der Bilanzsumme. Das könnte sich jedoch auf Sicht ändern. Umso wichtiger ist es für die EZB, erfolgreich zu sein und eine nachhaltig höhere Inflation in dem von ihr gesteckten Rahmen bis 2016 zu erreichen. Dass die Inflation anziehen wird, davon ist allerdings auszugehen – und das nicht nur wegen Draghi – wie wir im Folgenden erläutern werden. Entsprechend ist auch das aktuelle Renditeniveau als ein kurzfristiger Tiefpunkt und nicht als nachhaltiges Niveau zu sehen.

Aktuell wirken verschiedene Kräfte auf die Teuerungsrate. Der offensichtlichste Negativ-Einfluss ist der Ölpreis. Doch dieser Effekt wird sich relativieren. Denn es ist unwahrscheinlich, dass sich der Ölpreis nach dem Rückgang um ca. 50% seit Juni 2014 noch einmal halbieren wird. Bereits mit einer Stabilisierung des Ölpreises auf seinem aktuellen Niveau wäre der negative Preisdruck beseitigt. Doch eine wichtigere Größe ist der Wechselkurs. Die aktuell niedrige Inflation ist auch das Ergebnis der Euro-Aufwertung, die bis Mai 2014 angehalten hat. Inzwischen ist der Euro jedoch deutlich abgewertet – und nicht nur zum US-Dollar, sondern auch zu anderen Währungen. Diese breite Abwertung wird dazu führen, dass Importpreise ansteigen und Exportkapazitäten stärker genutzt werden. Die Preisreaktion benötigt allerdings Zeit. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass auf eine 12 bis 18 Monatssicht die Importpreise als Folge der Abwertung deutlich anziehen sollten. Im Gegensatz zu Japan und den USA, wo der volkswirtschaftliche Offenheitsgrad deutlich geringer ist als in der Euro-Zone, hat die EZB durch den Euro ein effektives Instrument der Geldpolitik.

Abb. 1: Entwicklung der Importpreise und Inflationsraten - Euro-Zone

Abbildung 1 zeigt die Inflationsrate in der Euro-Zone und den Anstieg der Importpreise. Seit über zwei Jahren (seit Anfang 2013) sind die Importpreise im Jahresvergleich kontinuierlich rückläufig, was zu einer anhaltenden Senkung der Inflationsrate geführt hat und sich am aktuellen Rand durch den Ölpreis noch verstärkt. Grundsätzlich veranschaulicht Abbildung 1 den hohen Gleichlauf zwischen der allgemeinen Inflation und Preissteigerungen bei Importen, was für eine offene Volkswirtschaft nicht untypisch ist und die Bedeutung des Wechselkurses für den Inflationsprozess in der Euro-Zone bestätigt.

Für die mittelfristige Inflationsentwicklung ist die Kreditvergabe entscheidend. Die IKB hat in den letzten 18 Monaten in mehreren Publikationen auf die schwache Kreditvergabe und das sich daraus ergebende hohe Wachstumsrisiko hingewiesen. Wie Abbildung 2 zeigt, ist seit 2012 die Kreditvergabe an den Privatsektor rückläufig und seither fallen auch die Inflationsraten wie in Abbildung 1 dargestellt. Abbildung 2 verdeutlicht aber auch, dass der Tiefpunkt durchschritten ist. Die Kreditvergabe an die Realwirtschaft geht zwar noch in mehreren Ländern zurück, dies sollte sich allerdings in den nächsten 12 Monaten – auch wegen der EZB-Entscheidungen – relativieren. Für die Euro-Zone als Ganzes ist mit einer erneut ansteigenden Kreditvergabe in den nächsten 12 bis 18 Monaten zu rechnen. Das sollte das Wirtschaftswachstum und den Inflationsprozess unterstützen.

Abb. 2: Kreditvergabe an den Privatsektor* im Euro-Raum

Das entschlossene Handeln der EZB, obwohl es mit Blick auf die sich bereits stabilisierende Kreditvergabe womöglich etwas spät kommt, ist unter den aktuellen Umständen das effektivste Instrument, um auf Sicht eine Normalisierung der Geldpolitik sicherzustellen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Notenbanken, die in Krisenzeiten entschieden gehandelt haben, einen bedeutenden Einfluss auf die wirtschaftliche Erholung ausüben konnten. Allerdings geht es in Krisen primär darum, ausreichend Liquidität für den Erhalt eines funktionierenden Bankensystems zu gewährleisten. Aktuell geht es aber eher um Inflation und Konjunktur als um ausreichend Liquidität für das Bankensystem. Durch die Maßnahmen macht die EZB einen wichtigen Schritt, damit Wirtschaft und Inflation in der Euro-Zone nicht vor sich hin stagnieren. Deshalb ist der gegenwärtige Kurs der EZB erforderlich, vor allem im Kontext des Einflusses des Euro-Wechselkurses auf die Wirtschaft der Euro-Zone, um letztendlich eine Normalisierung der Geldpolitik und damit auch der Zinsen herbeizuführen. Denn bevor die Zinsen steigen können, muss erst die Wirtschaft wachsen und die Inflation sich normalisieren.

Fazit: Auch wenn die aktuell negative Inflationsrate in der Euro-Zone (–0,6% zum Vorjahr im Januar) noch in den nächsten Monaten anhalten wird, ist dies keine Indikation für den mittelfristigen Inflationsverlauf. Denn alle entscheidenden Treiber der aktuellen Teuerung – Ölpreis oder generell Importpreise, Kreditvergabe und Wechselkurs – werden auf Sicht positiv zur Inflationsentwicklung in der Euro-Zone beitragen. Hierzu hat die EZB einen wichtigen Beitrag geleistet. Und dass das Aufkaufprogramm erfolgreich ist, zeigt nicht nur der Wertverfall des Euro seit der Ankündigung des Programms, sondern basiert auch auf den bedeutenden Einfluss des Euro auf die Wirtschaft der Euro-Zone. So mag es zwar kurzfristig Unsicherheiten über den Inflationsverlauf geben; jedoch ist davon auszugehen, dass die Inflationsrate in den nächsten 12 bis 18 Monaten ansteigen wird. Gerade in Verbindung mit einer sich abzeichnenden Erholung der Kreditvergabe ist auch die fundamentale und mittelfristige Stabilisierung der Inflationsrate gegeben, was die aktuellen Krisenniveaus der Zinsen als nicht nachhaltig erscheinen lässt. Die Langfristzinsen in Deutschland könnten zwar kurzfristig aufgrund des Aufkaufprogramms auf dem aktuell niedrigen Niveau verharren, mittelfristig werden sie allerdings auf eine steigende Inflation reagieren. Die Handlungsbereitschaft der EZB lässt keine Alternative zu. Zudem steigt die Möglichkeit von Parität zwischen Euro und US-Dollar, getrieben durch die unterstützende Geldpolitik der EZB. Der Erfolg des Aufkaufprogramms dürfte sich in den nächsten ein bis zwei Jahren in der Wirtschaft zeigen, was die Einschätzung zum Euro-Wechselkurs auf Sicht relativieren sollte, ebenso wie die Inflationserwartungen und damit auch das deutsche Zinsniveau.


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