Warum ein Kinderdepot überhaupt relevant ist
Der Zeitvorteil: 18 Jahre sind ein enormer Hebel
Die Idee hinter einem Kinderdepot ist simpel: Du legst Geld für dein Kind langfristig an – für Führerschein, Studium, Ausbildung oder die erste Wohnungseinrichtung. Der entscheidende Unterschied zu kurzfristigen Sparformen liegt im Anlagehorizont: Zwischen Geburt und Volljährigkeit liegen mindestens 18 Jahre, oft sogar länger, wenn das Geld erst zum Studienabschluss benötigt wird.
Diese Zeitspanne macht den gewaltigen Unterschied. Während auf einem klassischen Sparbuch bei aktuellen Zinssätzen kaum reale Rendite nach Inflation übrig bleibt, können breit gestreute Aktieninvestments historisch betrachtet über solche Zeiträume deutlich höhere Renditen erzielen.
Zinseszins: Die Macht der Zeit in Zahlen
Der Zinseszinseffekt beschreibt das Phänomen, dass nicht nur dein eingezahltes Kapital Rendite erwirtschaftet, sondern auch die bereits erzielten Gewinne selbst wieder Erträge abwerfen. Je länger dieser Prozess läuft, desto exponentieller entwickelt sich das Vermögen.
Ein Rechenbeispiel: Bei einer monatlichen Sparrate von 50 Euro über 18 Jahre zahlst du insgesamt 10.800 Euro ein. Bei einer durchschnittlichen jährlichen Rendite von 7 Prozent (historischer Durchschnitt globaler Aktienmärkte über lange Zeiträume) könnte das Endkapital bei etwa 20.500 Euro liegen – fast eine Verdopplung durch den Zinseszinseffekt. Würdest du die gleiche Summe erst ab dem 10. Lebensjahr des Kindes anlegen, reduziert sich das Endkapital trotz gleicher Sparrate deutlich.
Diese Beispielrechnung dient ausschließlich der Veranschaulichung des mathematischen Prinzips. Reale Marktrenditen unterliegen erheblichen Schwankungen und können sowohl deutlich höher als auch niedriger ausfallen.
Finanzbildung als Nebenwirkung
Ein Kinderdepot bietet die Möglichkeit, Kindern altersgerecht Finanzwissen zu vermitteln. Schon Grundschulkinder können verstehen, dass man Anteile an Unternehmen besitzen kann. Jugendliche können die Entwicklung des Depots verfolgen, Kursschwankungen beobachten und ein Gefühl für Risiko und Rendite entwickeln.
Diese praktische Erfahrung ist oft wertvoller als jede theoretische Belehrung über Vermögensaufbau. Das Depot wird zum konkreten Anschauungsobjekt für Geduld, Diversifikation und langfristiges Denken.
Was ein Kinderdepot rechtlich bedeutet
Das Kind ist Eigentümer, nicht die Eltern
Ein Kinderdepot (auch Junior-Depot genannt) ist ein Wertpapierdepot, das auf den Namen eines minderjährigen Kindes eröffnet wird. Der entscheidende Punkt: Das Kind ist der rechtliche Eigentümer aller Wertpapiere und des Kapitals im Depot.
Die Eltern oder Sorgeberechtigten verwalten das Depot lediglich als gesetzliche Vertreter. Diese Konstellation hat weitreichende Konsequenzen, die sich fundamental von einem normalen Elterndepot unterscheiden.
Nahezu alle großen Filialbanken und Online-Broker bieten Kinderdepots an. Die Konditionen variieren erheblich – besonders bei Depotführungsgebühren und Kosten für ETF-Sparpläne.
Deine Rolle: Treuhänder, nicht Nutznießer
Als Elternteil handelst du als Treuhänder im Interesse deines Kindes. Du darfst Anlageentscheidungen treffen, Wertpapiere kaufen und verkaufen. Doch diese Befugnis ist rechtlich klar begrenzt: Jede Handlung muss dem Kindeswohl dienen.
Konkret bedeutet das: Du darfst das Geld nicht für deine eigenen Zwecke verwenden. Auch die Verwendung für den normalen Kindesunterhalt (Essen, Kleidung, Wohnung) ist nicht zulässig – für diese Kosten sind Eltern ohnehin verpflichtet aufzukommen.
Bei größeren Vermögenswerten (in der Regel ab etwa 15.000 Euro, die sogenannte Sperrgrenze) benötigst du für bestimmte Rechtsgeschäfte sogar die Genehmigung des Familiengerichts. Dies soll verhindern, dass Eltern das Vermögen des Kindes eigenmächtig schmälern.
Unterschiede zum Depot der Eltern
Im Gegensatz zu einem Depot auf deinen eigenen Namen hast du beim Kinderdepot nicht die freie Verfügungsgewalt. Du kannst das Geld nicht einfach entnehmen, wenn unerwartete Ausgaben auf dich zukommen. Die Wertpapiere sind Sondervermögen des Kindes – rechtlich vollständig getrennt von deinem eigenen Vermögen.
Diese Trennung hat auch steuerliche Konsequenzen: Das Kind wird als eigenständiger Steuerpflichtiger behandelt und kann seine eigenen Freibeträge nutzen.
Steuervorteile: Der größte finanzielle Anreiz
Über 13.000 Euro Kapitalerträge steuerfrei möglich
Der wohl gewichtigste Vorteil eines Kinderdepots liegt in den steuerlichen Freibeträgen. Jedes Kind ist eine eigenständige steuerpflichtige Person und verfügt über dieselben Freibeträge wie Erwachsene.
Konkret bedeutet das für das Steuerjahr 2024/2025:
- Grundfreibetrag: 11.604 Euro (Existenzminimum, unter dem keine Einkommensteuer anfällt)
- Sparer-Pauschbetrag: 1.000 Euro (für Kapitalerträge)
- Werbungskostenpauschale: 102 Euro (kann zusätzlich geltend gemacht werden)
In der Summe können Kapitalerträge von über 13.000 Euro pro Jahr erzielt werden, ohne dass Steuern anfallen. Zum Vergleich: Bei Erwachsenen greift nach dem Sparer-Pauschbetrag von 1.000 Euro (2.000 Euro für Verheiratete) sofort die Abgeltungssteuer von 25 Prozent plus Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer.
Die Nichtveranlagungsbescheinigung als praktisches Instrument
Um zu verhindern, dass die Bank automatisch Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge einbehält, kannst du beim Finanzamt eine Nichtveranlagungsbescheinigung (NV-Bescheinigung) für dein Kind beantragen.
Diese Bescheinigung bestätigt, dass die Einkünfte des Kindes voraussichtlich unter dem Grundfreibetrag bleiben und daher keine Steuer anfällt. Die Bank führt dann gar keine Steuer ab – du musst das Geld nicht erst über die Steuererklärung zurückholen.
Die NV-Bescheinigung wird in der Regel für drei Jahre ausgestellt und muss dann neu beantragt werden. Voraussetzung ist, dass das Kind tatsächlich keine anderen nennenswerten Einkünfte hat.
Praktische Bedeutung für den Vermögensaufbau
Diese Steuerfreiheit hat erhebliche Auswirkungen auf den langfristigen Vermögensaufbau. Während bei einem Depot der Eltern jeder Euro Gewinn über dem Pauschbetrag um etwa ein Viertel geschmälert wird, kann im Kinderdepot der gesamte Ertrag reinvestiert werden – zumindest bis zur Ausschöpfung der Freibeträge.
Realistisch betrachtet erreichen die meisten Kinderdepots nicht annähernd Erträge in dieser Höhe. Um 13.000 Euro Kapitalerträge pro Jahr zu erzielen, bräuchte es bei 4 Prozent Dividendenrendite ein Depotvolumen von 325.000 Euro. Dennoch zeigt die Rechnung das theoretische Potenzial.
Die andere Seite: Risiken und Einschränkungen
Du gibst die Kontrolle dauerhaft ab
Die rechtliche Konstruktion des Kinderdepots ist ein zweischneidiges Schwert: Was steuerlich vorteilhaft ist (das Kind als Eigentümer), bedeutet für dich als Elternteil einen dauerhaften Kontrollverlust.
Jede Einzahlung ins Kinderdepot ist eine Schenkung an dein Kind. Diese Schenkung ist unwiderruflich. Du kannst das Geld nicht zurückfordern, selbst wenn sich deine finanzielle Situation dramatisch verschlechtert oder du das Geld dringend benötigst.
Auch für den normalen Kindesunterhalt darfst du das Depotvermögen nicht verwenden. Erlaubt sind nur Ausgaben für besondere Bedürfnisse des Kindes, die über den regulären Unterhalt hinausgehen – etwa ein kostspieliges Auslandsjahr, eine teure Ausbildung oder außergewöhnliche medizinische Behandlungen.
Bei missbräuchlicher Verwendung des Vermögens können rechtliche Konsequenzen drohen, etwa wenn das volljährig gewordene Kind später Rechenschaft verlangt.
Mit 18 kann dein Kind frei entscheiden
Der für viele Eltern schwerwiegendste Nachteil: Mit Erreichen der Volljährigkeit erhält das Kind die vollständige Verfügungsgewalt über das Depot. Es kann das gesamte Vermögen abheben und nach eigenem Gutdünken verwenden – ohne jede Einschränkung.
Ob dein 18-jähriges Kind das Geld für ein Studium verwendet oder für eine Weltreise, ein Auto oder andere Konsumwünsche ausgibt, liegt allein in dessen Entscheidung. Du hast keinerlei Handhabe, das Geld zu sperren, die Auszahlung zu verzögern oder Bedingungen zu stellen.
Diese Unwägbarkeit führt bei manchen Eltern dazu, dass sie trotz der steuerlichen Nachteile ein Depot auf den eigenen Namen bevorzugen, um die volle Kontrolle zu behalten.
Marktrisiken: Kursverluste sind möglich
Wie bei jeder Wertpapieranlage besteht auch beim Kinderdepot das allgemeine Marktrisiko. Aktienkurse schwanken, auch breit gestreute Indices können über mehrere Jahre hinweg Verluste verzeichnen.
Besonders kritisch wird es, wenn das Geld zu einem ungünstigen Zeitpunkt benötigt wird – etwa genau in einer Marktphase mit deutlichen Kursverlusten. Dieses Timing-Risiko lässt sich durch eine vorausschauende Strategie allerdings deutlich reduzieren (mehr dazu im Abschnitt zur Anlagestrategie).
Das Risiko eines Totalverlusts besteht bei breit gestreuten ETFs auf große Indices praktisch nicht – es würde einen Zusammenbruch der gesamten Weltwirtschaft voraussetzen. Einzelne Aktien oder Nischenprodukte können jedoch durchaus wertlos werden.
Schutzfunktionen: Wann das Kinderdepot besonders wertvoll ist
Schutz vor Gläubigern der Eltern
Da das Vermögen im Kinderdepot rechtlich dem Kind gehört, können Gläubiger der Eltern nicht darauf zugreifen. Solltest du in finanzielle Schwierigkeiten geraten, Schulden machen oder sogar in die Privatinsolvenz rutschen, bleibt das Kinderdepot unangetastet.
Das Vermögen zählt nicht zu deiner Insolvenzmasse. Für Familien in wirtschaftlich unsicheren Situationen oder mit unternehmerischen Risiken kann dies ein gewichtiges Argument für ein Kinderdepot sein.
Schutz bei Trennung und Scheidung
Auch bei einer Scheidung oder Trennung der Eltern gehört das Vermögen im Kinderdepot nicht zum Zugewinnausgleich. Es ist ausschließlich Eigentum des Kindes und wird bei der Vermögensaufteilung zwischen den Eltern nicht berücksichtigt.
Dies schützt das angesparte Vermögen vor Streitigkeiten und stellt sicher, dass es tatsächlich dem Kind zugutekommt – unabhängig davon, wie die elterliche Beziehung sich entwickelt.
Rechtliche Klarheit gegenüber Dritten
Wenn Großeltern, Paten oder andere Verwandte Geld für das Kind anlegen möchten, bietet das Kinderdepot Rechtssicherheit: Das Geld gehört eindeutig dem Kind, nicht den Eltern. Diese Klarheit kann in manchen Familienkonstellationen Konflikte vermeiden.
So richtest du ein Kinderdepot ein
Schritt 1: Den passenden Anbieter finden
Die Auswahl des Anbieters sollte sich an folgenden Kriterien orientieren:
Kosten: Ideal sind Anbieter mit kostenloser Depotführung und kostenlosen oder sehr günstigen ETF-Sparplänen. Viele Neo-Broker und Direktbanken bieten diese Konditionen. Filialbanken verlangen häufig Depotgebühren und höhere Orderkosten.
Produktangebot: Achte darauf, dass eine breite Auswahl an ETFs verfügbar ist, insbesondere die großen globalen Indices (MSCI World, FTSE All-World, MSCI ACWI). Nicht alle Broker bieten alle ETFs an.
Benutzerfreundlichkeit: Die Bedienung sollte auch für weniger erfahrene Anleger verständlich sein. Viele Anbieter haben Apps, über die du Sparpläne einfach einrichten und verwalten kannst.
Bekannte Anbieter für Kinderdepots sind unter anderem Consorsbank, Comdirect, ING, Trade Republic, Scalable Capital und viele weitere.
Schritt 2: Unterlagen zusammenstellen
Für die Depoteröffnung benötigst du in der Regel:
- Geburtsurkunde des Kindes
- Ausweisdokumente beider Elternteile (Personalausweis oder Reisepass)
- Manchmal zusätzlich eine Meldebescheinigung oder einen Adressnachweis
Die Legitimation erfolgt meist per PostIdent- oder VideoIdent-Verfahren.
Schritt 3: Zustimmung beider Sorgeberechtigter einholen
Ein entscheidender rechtlicher Punkt: In der Regel müssen beide sorgeberechtigten Elternteile der Depoteröffnung zustimmen und unterschreiben. Dies gilt auch bei getrennt lebenden Eltern mit gemeinsamen Sorgerecht.
Falls ein Elternteil das alleinige Sorgerecht innehat, muss dies durch entsprechende Dokumente (gerichtlicher Beschluss) nachgewiesen werden. Ohne diese Zustimmung wird die Bank die Depoteröffnung ablehnen.