Warum die Reform notwendig wurde
Die bisherige Riester-Rente stand seit Jahren in der Kritik. Hohe Abschlusskosten, komplizierte Zulagenberechnung und niedrige Renditen durch den Garantiezwang führten dazu, dass die Attraktivität kontinuierlich sank. Viele Anbieter zogen sich vom Markt zurück, Neuabschlüsse gingen zurück.
Die Reform greift Empfehlungen der Fokusgruppe private Altersvorsorge auf, einer 2023 von der Bundesregierung eingesetzten Expertengruppe. Vertreter aus Wissenschaft, Verbraucherschutz, Finanzbranche und Sozialpartnern erarbeiteten gemeinsam Vorschläge für eine zeitgemäße Ausgestaltung der geförderten Altersvorsorge.
Zentrale Kritikpunkte der alten Riester-Rente waren die Pflicht zur Beitragsgarantie, die hohe Kosten verursachte und renditestarke Anlagen verhinderte, sowie das komplexe System der einkommensabhängigen Mindesteigenbeiträge, das viele potenzielle Sparer abschreckte.
Gut zu wissen: Bestehende Riester-Verträge genießen Bestandsschutz. Du kannst deinen alten Vertrag mit bisheriger Förderung weiterführen oder optional in die neue Fördersystematik wechseln.
Die neue Produktwelt: Altersvorsorgedepot und Garantieprodukt
Welche geförderten Produkte gibt es ab 2027?
Ab 2027 stehen dir zwei grundlegende Produktkategorien zur Verfügung: das Altersvorsorgedepot ohne Garantie und das Garantieprodukt mit wählbarer Absicherung. Beide Varianten werden vom Staat mit Zulagen und Steuervorteilen gefördert, unterscheiden sich aber fundamental in Renditechancen und Sicherheitsmerkmalen.
Das Altersvorsorgedepot: Renditeorientiert ohne Garantie
Das Altersvorsorgedepot ist die zentrale Neuerung der Reform. Hier verzichtest du auf Garantien, um chancenreichere Anlageformen nutzen zu können. Dein Geld wird nach einer gesetzlich festgelegten Positivliste angelegt – diese zählt abschließend auf, welche Vermögensgegenstände zulässig sind. Dazu gehören insbesondere Investmentfonds wie ETFs.
Anders als bei Garantieprodukten trägt kein Dritter das Anlagerisiko. Die Wertentwicklung kann schwanken, Verluste sind möglich. Gleichzeitig profitierst du vollständig von Wertsteigerungen und kannst langfristig von den historisch höheren Renditen der Kapitalmärkte profitieren. Die Kapitalerträge bleiben während der gesamten Ansparphase steuerfrei – es fällt keine Abgeltungsteuer an.
Das Standarddepot: Vereinfachter Einstieg für Kapitalmarkt-Einsteiger
Eine besondere Form des Altersvorsorgedepots ist das Standarddepot. Es richtet sich gezielt an Sparer ohne Kapitalmarkterfahrung und zeichnet sich durch maximale Einfachheit aus. Jeder Anbieter von Altersvorsorgeprodukten muss ein Standarddepot im Programm haben.
Das Standarddepot funktioniert mit vorkonfigurierten Einstellungen: Der Anbieter legt zwei Investmentfonds fest – einen mit vorsichtigem Anlageprofil und einen mit höheren Chancen und Risiken. Dein Kapital wird automatisch im Laufe der Jahre vor Rentenbeginn schrittweise in den sichereren Fonds umgeschichtet. So nutzt du in jungen Jahren die Renditechancen, während kurz vor der Rente Kursschwankungen weniger ins Gewicht fallen.
Entscheidend für die Attraktivität: Die Effektivkosten – also die durchschnittliche jährliche Renditeminderung durch alle Gebühren – sind bei Standarddepots auf 1,5 Prozent begrenzt. Bei einer Bruttorendite von 5 Prozent bleiben dir netto 3,5 Prozent. Diese Kostenbegrenzung macht Angebote vergleichbar und schützt vor überhöhten Gebühren.
Garantieprodukte: Für sicherheitsorientierte Sparer
Wer trotz potenziell niedrigerer Rendite eine Absicherung wünscht, kann weiterhin ein Garantieprodukt wählen. Neu ist die Wahlmöglichkeit zwischen zwei Garantiestufen: 100 Prozent oder 80 Prozent der eingezahlten Beiträge stehen am Ende der Ansparphase mindestens zur Verfügung.
Bei der 80-Prozent-Garantie kann der Anbieter chancenreichere Anlagen tätigen als bei voller Beitragsgarantie. Die niedrigere Garantiestufe eröffnet einen Kompromiss zwischen Sicherheitsbedürfnis und Renditechance. Der Anbieter trägt das Risiko und muss die Garantie einhalten – entsprechend vorsichtig wird angelegt, was die Renditeperspektive einschränkt.
Orientierungshilfe: Historische Daten zeigen, dass breit diversifizierte Aktienportfolios über Zeiträume von 15 Jahren und mehr nur selten Verluste verzeichneten. Je länger dein Anlagehorizont, desto eher kann ein Altersvorsorgedepot ohne Garantie in Betracht kommen.
Das neue Zulagensystem: Einfach und transparent
Wie funktioniert die staatliche Förderung ab 2027?
Die Reform ersetzt das komplizierte System einkommensabhängiger Mindesteigenbeiträge durch eine beitragsproportionale Zulage. Das Prinzip ist simpel: Für jeden eingezahlten Euro erhältst du einen festen Prozentsatz als staatliche Zulage – unabhängig von deinem Einkommen.
Grundzulage: Gestaffelt nach Sparbetrag
Die Grundzulage ist zweistufig ausgestaltet. Für jeden Euro, den du bis zu einem jährlichen Eigenbeitrag von 1.200 Euro einzahlst, erhältst du 30 Cent Grundzulage dazu. Ab 2029 steigt dieser Satz auf 35 Cent. Zahlst du zwischen 1.201 und 1.800 Euro jährlich ein, sinkt die Zulage auf 20 Cent pro Euro.
Diese Staffelung fördert gezielt kleine bis mittlere Sparbeträge überproportional. Wer monatlich 100 Euro (1.200 Euro jährlich) spart, erhält maximal 420 Euro Grundzulage (ab 2029 sogar 480 Euro). Bei höheren Eigenbeiträgen flacht die Förderquote ab. Der maximale jährliche Eigenbeitrag, der gefördert wird, liegt bei 1.800 Euro.
| Jährlicher Eigenbeitrag | Grundzulage bis 2028 | Grundzulage ab 2029 |
|---|---|---|
| 600 € | 180 € | 210 € |
| 1.200 € | 360 € | 420 € |
| 1.800 € | 480 € | 540 € |
Kinderzulage: Zusätzliche Förderung für Familien
Ein zulageberechtigter Elternteil erhält für jedes Kind eine zusätzliche Zulage. Auch hier gilt das beitragsproportionale Prinzip: Für jeden gesparten Euro bis 1.200 Euro kommen 25 Cent Kinderzulage hinzu – maximal 300 Euro pro Kind und Jahr. Die bisherige Unterscheidung nach Geburtsjahr des Kindes entfällt.
Ein Beispiel: Du zahlst jährlich 1.200 Euro in deinen Altersvorsorgevertrag und hast zwei Kinder. Du erhältst 360 Euro Grundzulage (bis 2028) plus 600 Euro Kinderzulage – insgesamt 960 Euro staatliche Förderung. Bei einem Eigenbeitrag von 1.200 Euro fließen also 2.160 Euro in deine Altersvorsorge.
Berufseinsteigerbonus: Anreiz für junge Sparer
Wer vor dem 25. Geburtstag einen geförderten Altersvorsorgevertrag abschließt, erhält einmalig 200 Euro zusätzlich. Dieser Berufseinsteigerbonus soll junge Menschen frühzeitig zum Sparen motivieren. Je früher du beginnst, desto länger wirkt der Zinseszinseffekt auf deine Beiträge, Zulagen und Erträge.
Sonderausgabenabzug: Zusätzlicher Steuervorteil möglich
Neben den Zulagen prüft das Finanzamt automatisch im Rahmen der Einkommensteuererklärung, ob dir ein darüber hinausgehender Steuervorteil zusteht. Du kannst deine Beiträge und den Zulageanspruch als Sonderausgaben geltend machen. Ist die Steuerersparnis höher als die Zulage, erhältst du die Differenz.
Der maximale Sonderausgabenabzug liegt künftig bei 1.800 Euro zuzüglich Zulageanspruch. Ohne mittelbar zulageberechtigten Ehepartner und ohne Kinderzulage beträgt der Höchstbetrag damit 2.280 Euro (1.800 Euro + 480 Euro Grundzulage). Das ist in jedem Fall mehr als die bisherigen 2.100 Euro.
Beachte: Die neue Zulagenberechnung ist deutlich transparenter, hat aber eine Kehrseite. Wer mehr als 1.800 Euro jährlich einzahlt, erhält für den übersteigenden Betrag keine Zulage mehr – anders als beim bisherigen System mit höheren Höchstbeträgen.
Wer ist förderberechtigt?
Unmittelbar förderberechtigt sind in erster Linie Pflichtversicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung. Dazu zählen Arbeitnehmer in versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen, Auszubildende, pflichtversicherte Selbstständige sowie Beamte, Richter und Berufssoldaten (bei Einwilligung zur Datenübermittlung).
Auch Personen in besonderen Lebenssituationen sind unmittelbar berechtigt: Eltern während der dreijährigen Kindererziehungszeit, Pflegepersonen, die Angehörige mindestens zehn Stunden wöchentlich betreuen, sowie Bezieher von Lohnersatzleistungen wie Arbeitslosengeld oder Krankengeld. Minijobber sind förderberechtigt, sofern sie nicht von der Versicherungspflicht befreit wurden.
Nicht unmittelbar förderberechtigt sind freiwillig Versicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung, nicht pflichtversicherte Selbstständige, von der Versicherungspflicht befreite Minijobber sowie Bezieher einer Vollrente wegen Alters.
Mittelbare Berechtigung für Ehepartner
Ist ein Ehepartner unmittelbar förderberechtigt, kann der andere Ehepartner die Zulagenförderung ebenfalls nutzen – auch ohne eigene Pflichtversicherung. Voraussetzung ist ein eigener Altersvorsorgevertrag mit mindestens 120 Euro jährlichem Eigenbeitrag. Die Höhe der mittelbaren Zulage richtet sich nach den Beitragszahlungen des unmittelbar förderberechtigten Partners und ist auf maximal 175 Euro begrenzt. Diese Regelung gilt auch für eingetragene Lebenspartnerschaften.
Mindestbeitrag: Um Zulagen zu erhalten, musst du jährlich mindestens 120 Euro in deinen Altersvorsorgevertrag einzahlen – das sind 10 Euro monatlich. Diese niedrige Einstiegshürde macht die Förderung auch bei geringem Einkommen zugänglich.
Kosten und Anbieterwechsel: Mehr Flexibilität
Die Reform adressiert eines der Hauptprobleme der bisherigen Riester-Rente: überhöhte und intransparente Kosten. Mehrere Mechanismen sollen für mehr Wettbewerb und faire Preise sorgen.
Abschlusskosten müssen künftig auf die gesamte Vertragslaufzeit verteilt werden. Das verhindert eine Doppelbelastung bei Anbieterwechsel, weil nicht erneut volle Abschlusskosten fällig werden. Ab dem fünften Jahr nach Vertragsabschluss ist ein Wechsel zu einem anderen Anbieter sogar kostenfrei möglich.
Auch während der Auszahlungsphase bleibt ein Wechsel möglich. Hast du beispielsweise ein Altersvorsorgedepot ohne Verrentungsoption, kannst du dein angespartes Vermögen zu Rentenbeginn in eine Leibrente bei einem Versicherungsunternehmen umwandeln. Umgekehrt können Inhaber von Garantieprodukten zu einem Anbieter wechseln, der einen Auszahlungsplan anbietet.
Anbieter werden verpflichtet, Produktinformationen standardisiert bereitzustellen. Das schafft die Grundlage für Vergleichsplattformen, auf denen du unterschiedliche Angebote transparent gegenüberstellen kannst. Die Effektivkostenbegrenzung bei Standarddepots setzt zusätzliche Anreize für kostengünstige Produkte.
Vorsicht bei Altverträgen: Ein Wechsel von einem bestehenden Riester-Vertrag in ein neues Produkt kann mit Wechsel-, Abschluss- und Vertriebskosten verbunden sein. Prüfe genau, ob sich ein Wechsel finanziell lohnt oder ob der Verbleib im Altvertrag mit Option auf neue Förderung günstiger ist.
Auszahlungsphase: Mehr Wahlfreiheit
Wie erhältst du dein angespartes Kapital im Alter?
Die Reform flexibilisiert die Auszahlungsphase erheblich. Du kannst zu Beginn der Auszahlungsphase zwischen zwei grundlegenden Optionen wählen: eine lebenslange Leibrente oder ein befristeter Auszahlungsplan.
Lebenslange Leibrente: Absicherung bis zum Lebensende
Bei der Leibrente erhältst du bis zu deinem Tod eine feste monatliche Rentenzahlung. Das angesparte Kapital wird nicht individuell ausgezahlt, sondern fließt in einen kollektiven Pool. Damit finanzieren die Versichertengemeinschaften die Renten für länger lebende Mitglieder – das Langlebigkeitsrisiko wird gemeinschaftlich getragen.
Optional kannst du eine Rentengarantiezeit von zehn oder zwanzig Jahren vereinbaren. Verstirbt du innerhalb dieses Zeitraums, erhalten deine Hinterbliebenen die Rentenzahlungen bis zum Ende der Garantiezeit. Nach Ablauf der Garantiezeit endet die Vererbbarkeit – die Leibrente dient dann ausschließlich der Absicherung deines eigenen Langlebigkeitsrisikos.
Befristeter Auszahlungsplan: Flexible Entnahme mit Vererbbarkeit
Alternativ kannst du einen Auszahlungsplan wählen, der mindestens bis zum vollendeten 85. Lebensjahr läuft. Eine längere Laufzeit ist möglich. Du erhältst regelmäßige Zahlungen, bis das Kapital aufgebraucht ist. Danach erfolgen keine weiteren Auszahlungen.
Der zentrale Unterschied zur Leibrente: Noch nicht ausgezahltes Vermögen ist vererbbar. Verstirbt du vor Ende des Auszahlungsplans, geht das Restkapital an deine Erben. Allerdings müssen die Erben die erhaltene steuerliche Förderung (Zulagen und Steuervorteile) zurückzahlen. Eine Ausnahme gilt für den überlebenden Ehepartner: Er kann das Altersvorsorgevermögen ohne Abzüge auf seinen eigenen Altersvorsorgevertrag übertragen.
Entscheidungshilfe: Die Leibrente bietet maximale Sicherheit gegen das Risiko, im hohen Alter ohne Einkommen dazustehen. Der Auszahlungsplan gibt dir mehr Kontrolle über dein Vermögen und ermöglicht die Weitergabe an Erben – setzt aber voraus, dass du selbst abschätzt, wie lange dein Kapital reichen muss.
Besteuerung: Nachgelagert wie bisher
Die grundlegende Systematik der Besteuerung bleibt unverändert. In der Ansparphase sind Beiträge und Zulagen steuerfrei. Es fallen keine Steuern auf Wertsteigerungen, Zinsen oder Dividenden an – auch keine Abgeltungsteuer. Das ermöglicht einen ungebremsten Zinseszinseffekt.
Erst in der Auszahlungsphase werden die Leistungen aus dem Altersvorsorgevertrag mit deinem persönlichen Steuersatz besteuert. Die Besteuerung erfolgt nach § 22 Nummer 5 des Einkommensteuergesetzes. Da dein Steuersatz im Ruhestand in der Regel niedriger ist als während des Erwerbslebens, ergibt sich ein Steuervorteil.
Diese nachgelagerte Besteuerung unterscheidet die geförderte Altersvorsorge vom privaten Vermögensaufbau ohne Förderung, bei dem Kapitalerträge bereits während der Ansparphase mit 25 Prozent Abgeltungsteuer plus Solidaritätszuschlag belastet werden.
Steuervorteil kalkulieren: Die nachgelagerte Besteuerung ist umso vorteilhafter, je größer die Differenz zwischen deinem Steuersatz im Erwerbsleben und im Ruhestand ausfällt. Bei hohen Einkommen während der Berufstätigkeit kann der Steuervorteil die staatliche Zulage deutlich übertreffen.
Eigenheimrenten-Förderung: Weiterhin möglich
Auch nach der Reform kannst du dein Altersvorsorgevermögen für den Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums einsetzen. Diese sogenannte Eigenheimrenten-Förderung besteht in zwei Varianten: Entnahme von angespartem Kapital (Altersvorsorge-Eigenheimbetrag) oder direkte Förderung von Tilgungsleistungen für ein Immobiliendarlehen.
Eine wichtige Änderung: Die Entnahmemöglichkeit muss künftig nicht mehr zwingend in jedem Altersvorsorgevertrag enthalten sein. Anbieter können diese Option anbieten, sind aber nicht dazu verpflichtet. Wenn du diese Flexibilität nutzen möchtest, achte bei Vertragsabschluss darauf, dass die Eigenheimrenten-Förderung Vertragsbestandteil ist.
Die Reform beseitigt außerdem eine bisherige Hürde: Du musst bei Teilentnahmen kein Restkapital von mindestens 3.000 Euro im Altersvorsorgevertrag belassen. Das ermöglicht auch bei kleineren Ansparsummen die Nutzung für Wohneigentum.
Die Besteuerung des Wohnförderkontos wird vereinfacht. Statt über einen 20-jährigen Zeitraum erfolgt die Besteuerung künftig nur noch über fünf Jahre ab Beginn der Auszahlungsphase. Nach Ablauf dieser Frist entfällt die Überwachung der Selbstnutzung. Bei Aufgabe der Selbstnutzung aus Pflege- oder Krankheitsgründen bleibt die Förderung unter bestimmten Voraussetzungen erhalten.
Förderrückzahlung beachten: Nutzt du dein Altersvorsorgevermögen für Wohneigentum, entsteht ein Wohnförderkonto. Die erhaltene Förderung musst du bei Verkauf oder dauerhafter Aufgabe der Selbstnutzung grundsätzlich zurückzahlen – es sei denn, eine der Ausnahmeregelungen greift.
Altverträge und Übergang: Bestandsschutz und Wechseloptionen
Was passiert mit bestehenden Riester-Verträgen?
Für alle vor dem 1. Januar 2027 abgeschlossenen Riester-Verträge gilt Bestandsschutz. Du kannst deinen Vertrag mit der bisherigen steuerlichen Förderung unverändert weiterführen. Es besteht kein Handlungszwang.
Alternativ hast du drei Optionen für den Übergang in das neue System:
Option 1 – Nur Förderwechsel: Du erklärst gegenüber deinem Anbieter, dass dein bestehender Vertrag künftig nach der neuen Fördersystematik gefördert werden soll. Alle anderen Konditionen bleiben unverändert. Diese Option ermöglicht den einfachsten Übergang ohne Wechselkosten.
Option 2 – Vollständiger Produktwechsel: Du wechselst von deinem bestehenden Riester-Vertrag in einen komplett neuen Altersvorsorgevertrag – entweder ein Altersvorsorgedepot oder ein Garantieprodukt nach neuen Regeln. Dein bisher angespartes Kapital wird übertragen. Die erhaltene Förderung musst du nicht zurückzahlen. Allerdings können Wechsel-, Abschluss- und Vertriebskosten anfallen, die gesetzlich gedeckelt, aber nicht kostenlos sind. Bereits gefördertes Vermögen wird im Jahr der Übertragung nicht erneut gefördert.
Option 3 – Beibehaltung des Altvertrags: Du lässt deinen Riester-Vertrag unverändert und schließt parallel einen neuen geförderten Altersvorsorgevertrag ab. Diese Option kommt in Betracht, wenn dein Altvertrag gute Konditionen hat oder hohe Wechselkosten einen Produktwechsel unattraktiv machen.
Ein Wechsel zurück in die alte Fördersystematik ist nicht möglich. Hast du dich einmal für die neue Förderung entschieden, bleibt diese verbindlich. Innerhalb des neuen Systems sind Wechsel zwischen Anbietern und Produkten aber deutlich einfacher und günstiger als bisher.
Prüfe genau: Ob sich ein Wechsel vom Altvertrag in ein neues Produkt lohnt, hängt von deinen bisherigen Konditionen, den anfallenden Wechselkosten und deiner verbleibenden Ansparzeit ab. Eine unabhängige Beratung kann hier Klarheit schaffen.
Verzahnung mit der geplanten Frühstart-Rente
Die Bundesregierung plant parallel zur Reform der privaten Altersvorsorge die Einführung einer Frühstart-Rente. Dieses Konzept soll Kindern und Jugendlichen bereits früh Zugang zum Kapitalmarkt verschaffen und ihnen ein Startkapital für die spätere Altersvorsorge zur Verfügung stellen.
Die Reform der privaten Altersvorsorge ist bewusst so gestaltet, dass ein nahtloser Übergang von der Frühstart-Rente in einen geförderten Altersvorsorgevertrag möglich wird. Junge Menschen sollen frühzeitig Kapitalmarkterfahrung sammeln und später ohne Brüche in die eigene Altersvorsorge einsteigen können.
Der Berufseinsteigerbonus von 200 Euro für alle, die vor dem 25. Geburtstag einen Altersvorsorgevertrag abschließen, unterstreicht dieses Ziel. Zusammen mit der langen Ansparzeit und dem Zinseszinseffekt können auch kleinere monatliche Beträge über Jahrzehnte ein substantielles Altersvorsorgevermögen aufbauen.
Langfristperspektive: Bei einem Anlagehorizont von 40 Jahren und einer durchschnittlichen jährlichen Rendite von 5 Prozent nach Kosten verwandeln sich monatliche Sparraten von 100 Euro in über 150.000 Euro – vor staatlicher Förderung. Der frühe Einstieg zahlt sich durch den Zinseszinseffekt überproportional aus.
Für wen lohnt sich die geförderte Altersvorsorge?
Die Reform macht die geförderte private Altersvorsorge für eine breitere Zielgruppe attraktiv. Besonders profitieren Menschen mit niedrigem bis mittlerem Einkommen von den beitragsproportionalen Zulagen. Auch ohne Steuererklärung fließen 30 Cent pro gespartem Euro direkt in den Vertrag – bei Kindern sogar zusätzlich 25 Cent pro Euro.
Familien mit Kindern erhalten durch die Kinderzulage eine deutlich höhere Förderung. Bei zwei Kindern und einem jährlichen Eigenbeitrag von 1.200 Euro summiert sich die staatliche Förderung auf 960 Euro – das sind 80 Prozent des Eigenbeitrags.
Gutverdiener profitieren vor allem vom Sonderausgabenabzug. Bei hohen Steuersätzen während des Erwerbslebens und niedrigeren Sätzen im Ruhestand kann der Steuervorteil die Zulagen deutlich übertreffen. Die nachgelagerte Besteuerung wirkt hier als zusätzlicher Hebel.
Für sicherheitsorientierte Sparer, die Garantien schätzen, bleiben entsprechende Produkte verfügbar. Wer hingegen bereit ist, Wertschwankungen zu akzeptieren und langfristig zu denken, kann mit dem Altersvorsorgedepot von den Renditechancen der Kapitalmärkte profitieren – bei gleichzeitiger Steuerfreistellung in der Ansparphase.
Rechenbeispiel: Alleinerziehende mit zwei Kindern
Eine alleinerziehende Mutter zahlt monatlich 100 Euro in ein Altersvorsorgedepot – jährlich 1.200 Euro. Sie erhält 360 Euro Grundzulage (bis 2028) plus 600 Euro Kinderzulage für zwei Kinder. Insgesamt fließen 2.160 Euro in ihre Altersvorsorge. Die staatliche Förderung beträgt 80 Prozent ihres Eigenbeitrags. Bei einer Ansparzeit von 30 Jahren und einer angenommenen Nettorendite von 4 Prozent nach Kosten ergibt sich ein Endkapital von deutlich über 120.000 Euro.
Realistisch bleiben: Die geförderte Altersvorsorge ist ein Baustein, nicht die Lösung für die gesamte Altersvorsorge. Sie sollte die gesetzliche Rente ergänzen, nicht ersetzen. Eine diversifizierte Vorsorgestrategie mit mehreren Säulen bleibt sinnvoll.
Unabhängige Beratung und Produktvergleich
Vor dem Abschluss eines Altersvorsorgevertrags solltest du dich umfassend informieren. Unabhängige Beratungsangebote findest du bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung, insbesondere der Deutschen Rentenversicherung Bund. Diese Beratung ist kostenfrei und produktneutral.
Gegen Entgelt bieten auch die Verbraucherzentralen der Bundesländer unabhängige Beratung an. Sie prüfen bestehende Verträge und helfen bei der Einordnung unterschiedlicher Angebote.
Die Reform verpflichtet Anbieter, Produktinformationen standardisiert zur Verfügung zu stellen. Das schafft die Grundlage für Vergleichsplattformen, auf denen du verschiedene zertifizierte Altersvorsorgeprodukte objektiv gegenüberstellen kannst. Achte dabei besonders auf die Effektivkosten, die Anlagestrategien und die vertraglichen Flexibilitäten.
Ein Altersvorsorgevertrag ist eine langfristige Bindung über Jahrzehnte. Nimm dir Zeit für die Entscheidung, vergleiche mehrere Angebote und stelle sicher, dass das gewählte Produkt zu deiner persönlichen Situation, deiner Risikobereitschaft und deinen Altersvorsorgezielen passt.
Zertifizierung prüfen: Nur zertifizierte Altersvorsorgeprodukte sind förderfähig. Die Zertifizierung erfolgt durch das Bundeszentralamt für Steuern und ist für die Finanzverwaltung bindend. Prüfe vor Vertragsabschluss die Zertifizierung des Produkts.
Fazit: Eine Reform mit Chancen und Herausforderungen
Die Reform der privaten Altersvorsorge setzt klare Akzente: mehr Renditeorientierung, niedrigere Kosten, einfachere Förderung und größere Flexibilität. Mit dem Altersvorsorgedepot öffnet sich erstmals der Zugang zu chancenreichen Kapitalmarktanlagen bei gleichzeitiger Steuerfreistellung in der Ansparphase. Das beitragsproportionale Zulagensystem ist transparent und kalkulierbar.
Gleichzeitig bleiben Garantieprodukte für sicherheitsorientierte Sparer verfügbar. Die Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Produktkategorien, Garantiestufen und Auszahlungsformen gibt dir mehr Kontrolle über deine Altersvorsorge. Bestehende Riester-Verträge genießen Bestandsschutz, Wechsel in das neue System sind möglich.
Die Reform macht die geförderte Altersvorsorge wieder zu einer ernsthaften Option für den Vermögensaufbau im Alter – ohne die grundlegenden Herausforderungen der Altersvorsorge zu lösen. Sie bleibt ein ergänzender Baustein neben gesetzlicher Rente und eigenem Vermögensaufbau. Ob sich ein Altersvorsorgevertrag für dich lohnt, hängt von deiner individuellen Situation, deinem Einkommen, deiner Familienplanung und deiner Risikobereitschaft ab.
Der Erfolg der Reform wird sich daran messen lassen, ob Anbieter attraktive Produkte mit fairen Konditionen auf den Markt bringen und ob Verbraucher das neue Angebot annehmen. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen ab 2027 bieten dafür eine deutlich bessere Grundlage als das bisherige System. Nutze die Zeit bis zum Start der neuen Produkte, um dich zu informieren, deine persönliche Altersvorsorgesituation zu analysieren und die passende Strategie für deine Zukunft zu entwickeln.