AUSBLICK/Volkswirte erwarten keine QE-Details von Draghi-Anhörung
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Nachdem die US-Notenbank ihre Zinsen nicht erhöht hat, betrachten viele Volkswirte eine weitere Lockerung der EZB-Geldpolitik als unausweichlich. Grund: Die ausgebliebene Ausweitung der Zinsdifferenz setzt den Euro tendenziell unter Aufwertungsdruck. Das ist schlecht für die exportorientierte Wirtschaft des Euroraums. Schon nach der EZB-Ratssitzung am 3. September, die vor der Zinsentscheidung der Fed stattgefunden hatte, hatten viele Beobachter auf eine Aufstockung des Anleihekaufprogramms getippt.
Für wahrscheinlich halten sie, dass EZB-Präsident Draghi die Ratssitzung im Dezember nutzen wird, um eine Aufstockung des Programms bekannt zu geben. Dass der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) darauf bereits bei der Anhörung im Wirtschafts- und Währungsausschuss am Mittwoch (Beginn 15.00 Uhr) genauere Hinweise geben wird, gilt aber als unwahrscheinlich.
BNP Paribas glaubt nicht, dass Draghi noch "dovisher" als bei der Pressekonferenz am 3. September sein wird, als er Abwärtsrisiken für Wachstum und Inflation und seine prinzipielle Bereitschaft zur Ausweitung des Anleihekaufprogramms betonte. Dazu müsste Draghi bereits Details nennen, und dafür sei es zu früh, argumentiert BNP-Paribas-Volkswirt Ken Wattret.
Wattret verweist auf die Formulierung in Draghis Einleitenden Bemerkungen, dass die EZB noch nicht einschätzen könne, ob die Finanzmarkentwicklungen eine nachhaltige Auswirkung für den Preisausblick haben würden, oder ob sie vorübergehender Natur seien. "Etwas Ähnliches werden wir bei der kommenden Pressekonferenz wahrscheinlich wieder hören", vermutet Wattret. Möglicherweise werde Draghi erwähnen, dass die zuständigen Gremien bereits eine geldpolitische Reaktion vorbereiteten.
Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert glaubt so etwas nicht. "Nach den Äußerungen von EZB-Offiziellen aus den vergangenen Tagen habe ich eher den Eindruck, dass man etwas zurückrudern möchte", sagte er. Schubert verweist auf den Gouverneur des Banco d'Espana, Luis Maria Linde, der gesagt hatte, die von der Fed verschobene Zinswende bedeute keine zwangsläufige Änderung der EZB-Anleihekäufe. "Wie wir wissen, ist das ein mächtiges und großes Programm, und das läuft gut", sagte er in Madrid.
Commerzbank-Volkswirt Schubert erinnert außerdem daran, dass das Wachstum ist ersten Halbjahr doch etwas besser als erwartet gewesen ist, was die EZB bei ihren Projektionen zumindest nicht voll berücksichtigt habe. "Dass sie die Wachstumsprognose für 2015 auf 1,4 Prozent herunterrevidiert haben, war etwas voreilig", kalkulierte er.
Eher in Richtung einer Lockerung deuteten dagegen Äußerungen von EZB-Chefvolkswirt Peter Praet. Praet hatte am Montag gesagt, dass die EZB "kraftvoll reagieren" werde, falls das Preisstabilitätsziel in Gefahr gerate. Außerdem müsse die EZB "sehr wachsam" sein, damit es nicht zu einer ungewollten Straffung der geldpolitischen Rahmenbedingungen komme.
BayernLB-Ökonom Norbert Wuthe ist der Ansicht, dass die EZB ihr QE-Programm sehr wohl ausweiten wird. "Wir glauben, dass die EZB den September als zeitliches Zwischenziel fallen lassen und das monatliche Ankaufvolumen auf 70 Milliarden Euro aufstocken wird", sagte er. Allerdings werde sie das der besseren Wirksamkeit halber zusammen mit neuen Wachstums- und Inflationsprognosen im Dezember tun. "Am Mittwoch wird Herr Draghi sicherlich wieder die Abwärtsrisiken hervorheben und betonen, dass die EZB genug Munition hat, um zu reagieren. Aber Details wird er noch keine nennen", sagte Wuthe.
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September 23, 2015 00:55 ET (04:55 GMT)
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