Der neue Mann an der Spitze

Wer ist Alexis Tsipras? - Vom Krawallmacher zum Spitzenpolitiker

26.01.15 21:20 Uhr

Wer ist Alexis Tsipras? - Vom Krawallmacher zum Spitzenpolitiker | finanzen.net

Er will erst eine Krawatte tragen, wenn er einen Schuldenschnitt für Griechenland erreicht hat, und ein Konkurrent nannte ihn einmal einen "radikalen Träumer": Das ist der neue Premierminister von Griechenland.

Rein äußerlich erinnert nur noch ein Che Guevara-Poster im Büro von Alexis Tsipras an den langhaarigen jungen Revoluzzer, der in seiner Studienzeit Reisen nach Kuba unternahm und 2001 aus Italien ausgewiesen wurde, bevor er beim dortigen G8-Gipfel protestieren konnte - man hatte die italienische Polizei über die Ankunft einer "Hardcore-Gruppe griechischer Anarchisten" gewarnt und Tsipras als einen solchen identifiziert.

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Auch 2012, als Alexis Tsipras bereits als Vorsitzender des linken Parteibündnisses Syriza auf Wahlkampftour nach Paris und Berlin kam, wollte man dem jungen Parteiführer am liebsten die Tür vor der Nase zu schlagen. Statt des französischen Präsidenten Hollande, traf Tsipras in Paris lediglich den linksradikalen französischen Spitzenpolitiker Jean-Luc Mélenchon. Eine Woche später erwarteten ihn in Berlin ebenfalls nur politisch Gleichgesinnte: Als Vertreter der Linkspartei der damalige Parteichef Klaus Ernst und der Fraktionschef Gregor Gysi.

Am 25. Januar 2015 wurde nun bei der griechischen Parlamentswahl das Linksbündnis Syriza zur stärksten Partei in Griechenland gewählt - spätestens jetzt wird sich jeder in Europa, egal aus welchem politischen Lager, mit dem neuen Premierminister Griechenlands befassen müssen.

Alexis Tsipras: Vom jungen Krawallmacher zum ernstzunehmenden Politiker

Tsipras‘ politische Karriere begann bereits zu Schulzeiten. Ab 1988 engagierte sich der 1974 in Athen geborene Alexis in der kommunistischen, antieuropäischen Jugendorganisation (KNE) und nahm 1990 und 91 an den Schülerprotesten gegen die Bildungsreform der Regierung teil. Schon in diesen jungen Jahren verdiente sich Tsipras einen Ruf als "glänzender Redner". In einem TV-Interview brillierte der junge Linke sogar so sehr, dass die TV-Journalistin Anna Panagiotarea ihm eine Zukunft als "großer politischer Führer" prophezeite.

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Dieses Ziel verfolgte Tsipras weiterhin hartnäckig. Während seines Bauingenieurstudiums an der Technischen Universität in Athen, trat er der Studentenbewegung bei und engagierte sich fortan in Organisationen der "reformierten Linken". Von 1995 bis 1997 war Tsipras Mitglied des Zentralrates des Nationalen Studentenbund Griechenlands (EFEE). Kein Wunder also, dass Tsipras‘ Noten eher mäßig ausfielen. Dennoch schloss er im Jahr 2000 sein Studium mit einem Diplom als Bauingenieur ab - kurz nachdem er 1999 zum Sekretär der Parteijugend des Synaspismos, der Koalition der Linken und des Fortschritts, gewählt wurde. In diesem Amt verdiente sich der junge Tsipras seine politischen Sporen. Er übernahm eine führende Rolle bei der Bildung des griechischen Sozialforums und nahm international an Protestaktionen gegen die Globalisierung teil.

Kometenhafter Aufstieg innerhalb der Partei

2004 vollzog Tsipras einen eindrucksvollen Wechsel von der Jugendabteilung in die Mutterpartei. An fünfter Stelle wurde der nicht ganz 30-jährige Politiker direkt in den Zentralrat des Synaspismos gewählt und war hier zuständig für das Ressort Bildung und Jugend - Themen, die dem engagierten Jungpolitiker wie auf den Leib geschrieben waren. Kaum hatte Tsipras in der Partei Fuß gefasst, nahm ihn bereits der damalige Parteivorsitzende Alexandros Alvanos unter seine Fittiche und ebnete ihm im Oktober 2006 den Weg zum Stadtrat Athens, zu dem Tsipras mit 10,5 Prozent gewählt wurde. Nur zwei Jahre später drängte der junge Aufsteiger seinen Schutzpatron Alvanos aus der Partei und ersetzte ihn gleichzeitig als Vorsitzenden des jungen Parteibündnisses Syriza. Mit 70 Prozent der Stimmen setzte er sich hier klar gegen seinen Konkurrenten Fotis Kouvelis durch und wurde mit 30 Jahren Parteichef. Kouvelis erwies sich im Nachhinein als schlechter Verlierer und nannte Tsipras einen "radikalen Träumer", der "ungeeignet für jegliche Regierungsverantwortung" sei. Im Jahr 2010 spaltete sich Kouvelis von der Syriza ab und gründete die Demokratische Linke "Dimar".

Zunächst schien es als behielte Kouvelis Recht: 2009 fuhr die Syriza-Partei unter der Führung ihres neuen Vorsitzenden mit nur 4,6 Prozent ihr schlechtestes Wahlergebnis der Geschichte ein. Kaum aber hatte der charismatische Tsipras das Ruder richtig übernommen, kletterte das Parteibündnis bis zur Wahl 2012 Schritt für Schritt ganz nach oben in den Umfragen. Am Wahltag, dem 17. Juni 2012 wurde die Syriza-Partei mit einem Ergebnis von 26,9 Prozent zweitstärkste Partei.

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Tsipras als Spitzenkandidat für die Europawahl

Wer nun noch Zweifel am politischen Gewicht von Alexis Tsipras hegte, der kam spätestens bei der Europawahl 2014 nicht mehr um den griechischen Linken herum. Im Dezember 2010 war Tsipras zum Vizepräsidenten der Europäischen Linken gewählt worden - zwei Jahre später wurde er als Spitzenkandidat der Europäischen Linken für die Europawahl nominiert und hatte das Amt des Präsidenten der EU-Kommission zumindest kurze Zeit vor Augen.

Vom Parteichef zum Premierminister

Im Januar 2015 hat es Tsipras schließlich an die Spitze geschafft. Nicht als Präsident der EU-Kommission, aber als Premierminister Griechenlands. Die vom drastischen Sparkurs der vergangenen Jahre gebeutelten Griechen haben entgegen aller Warnungen aus Europa die Partei gewählt, deren Vorsitzender ihnen ein Ende der harten Zeiten und die Durchsetzung eines Schuldenerlasses versprochen hat: Alexis Tsipras. Nach Auszählung von knapp 95 Prozent aller abgegebenen Stimmen, kam das Linksbündnis Syriza auf einen Anteil von 36,5 Prozent und verfehlte damit die absolute Mehrheit nur knapp. Bereits einen Tag nach der Wahl einigte sich Alexis Tsipras jedoch mit der nationalistischen Partei der Unabhängigen Griechen (Anel) auf eine Koalition und legte seinen Amtseid als neuer Ministerpräsident Griechenlands ab. Damit ist das Schreckensszenario vieler europäischer Politiker und Notenbanker Wirklichkeit geworden. Droht nun der Ausstieg aus der Eurozone, also der "Grexit"?

Tsipras selbst hatte sich noch vor seiner Wahl diesbezüglich versöhnlich gezeigt und Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Dennoch liegt nun die Forderung eines Schuldenmoratoriums für die Griechen unwiderruflich auf dem Tisch - eines der Wahlversprechen, mit dem Tsipras die Stimmen und Herzen vieler Griechen gewonnen hat und das er einlösen möchte.

"Ab morgen beginnt die harte Arbeit", kündigte Tsipras bereits an. An diese Arbeit wird sich der frischgebackene Premierminister zunächst ohne Krawatte machen - die will Tsipras nach eigenen Aussagen erst dann anlegen, wenn er einen Schuldenschnitt für Griechenland erkämpft hat.

Christina Fischer / Redaktion finanzen.net

Bildquellen: Kostas Koutsaftikis / Shutterstock.com