Euro am Sonntag-Interview

Friedrich Joussen: "TUI war Spielwiese der Hedgefonds"

12.10.15 03:00 Uhr

Friedrich Joussen: "TUI war Spielwiese der Hedgefonds" | finanzen.net

Der TUI-Chef hat den Touristikkonzern umgekrempelt und profitabel gemacht. Im Interview spricht er über Wachstumsmärkte, neue Wettbewerber und die künftige Dividendenpolitik.

Werte in diesem Artikel

von Sabine Gusbeth, Euro am Sonntag

Als Friedrich Joussen im September 2012 zu TUI wechselte, galt der Touristikkonzern als hoffnungsloser Fall. Nur drei Jahre später wird das Unternehmen aller Voraussicht nach ein Rekordergebnis von einer Milliarde Euro erreichen. Der Aktienkurs hat sich mehr als verdoppelt - Tendenz weiter steigend.

Wer­bung


€uro am Sonntag: Herr Joussen, unter Ihrem Vorgänger Michael Frenzel galt die TUI als Kapital­vernichter. Sie peilen nun einen ­Gewinn von einer Milliarde Euro an. Wie machen Sie das?
Friedrich Joussen: Wir haben 2013 in der Holding mit einem ambitionierten Sparkurs begonnen. Das war die Basis für den Zusammenschluss mit unserer britischen Tochter TUI Travel. Jetzt sehen wir durch den Zusammenschluss einen Wachstumsschub. Deshalb halte ich unser Ziel, ein Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Ebita) von einer Milliarde Euro zu erreichen, für realistisch. Darüber hinaus wollen wir in den nächsten drei Jahren durchschnittlich mindestens zehn Prozent beim Ebita wachsen.

Das klingt sehr optimistisch. Wie wollen Sie das schaffen?
Wir wollen den Umsatz steigern, neue Kunden gewinnen und neue, insbesondere ganzjährige Reiseziele erschließen. Wir haben starke Zuwächse in der Karibik und bei Kreuzfahrten. Auf der Fernstrecke haben wir zum Teil Steigerungs­raten von 40 Prozent. Was neue Kunden angeht, zählen die USA im Augenblick zu unseren größten Wachstumsregionen.

Wie schlägt sich dieses Wachstum in Ihrem Ergebnis nieder?
Im Konzern sind wir im vergangenen Jahr beim bereinigten Ergebnis um 14 Prozent gewachsen, in diesem Jahr sollen es 12,5 bis 15 Prozent werden und in den kommenden drei Jahren, wie angekündigt, jeweils zehn Prozent im Schnitt - konstante Wechselkurse vorausgesetzt. Natürlich werden wir auch auf der Kos­tenseite weiter sehr diszipliniert bleiben.

Wer­bung

Wie meinen Sie das?
Strukturell steht die TUI Deutschland jetzt vor Veränderungen. Wir sind dort hinsichtlich Umsatz und Profitabilität nicht, wo wir angesichts der Marktchancen und der Bedeutung für den Gesamtkonzern sein müssten.

Ihr Schweizer Konkurrent Kuoni hat sein Reiseveranstaltergeschäft verkauft. Wo sehen Sie Wachstums­chancen, wo Kuoni keine sieht?
Kuoni hat ein reines Handelsgeschäft betrieben. Das ist nicht einfach, wenn die Konkurrenz aus dem Internet kommt. Wir sind anders aufgestellt. Wir haben 300 eigene Hotels mit Marken wie RIU und Robinson, 13 Kreuzfahrtschiffe, 140 Flugzeuge und durch den Zusammenschluss mit TUI Travel nun auch den direkten Zugang zu unseren Kunden über 1800 Reisebüros. Das ist eine ganz andere Marktposition als vor dem Zusammenschluss.

Haben Sie keine Angst vor Onlinekonkurrenten wie Booking.com oder Expedia?
Nein. Die Buchung einer Urlaubsreise ist für viele unserer Kunden der wichtigste und teuerste Kauf in einem Jahr. Es ist eine Entscheidung, die man in der Regel nicht nur für sich trifft, sondern auch für die Familie. Da machen sie keine Experimente, sondern wenden sich an den Veranstalter, der ihnen die Risiken abnimmt. Dabei nutzen viele immer noch das ihnen bekannte Reisebüro nebenan.

Wer­bung

Trotzdem sind neue Wettbewerber wie Priceline, die Muttergesellschaft von Booking.com, an der Börse sechsmal so viel wert wie TUI. Ärgert Sie das nicht?
Überhaupt nicht. Für die hohe Bewertung gibt es einen einfachen Grund: Bei Internetfirmen spielt immer die Hoffnung mit, es könnte das nächste Facebook oder das nächste Google sein. Das Problem ist, Sie wissen vorher nicht, wer sich am Ende durchsetzt. Das heißt, als Investor können Sie damit auch viel Geld verlieren. Natürlich gibt die hohe Marktkapitalisierung Priceline Freiheiten, die ein traditionelles Unternehmen wie wir vielleicht nicht hat. Aber Anbieter wie Booking.com stehen dafür vor anderen Herausforderungen.

Vor welchen denn?
Im Gegensatz zur TUI sind das reine Vermittlungsplattformen. In diesen Firmen ist die Sorge groß, dass morgen jemand um die Ecke kommt und das gleiche Produkt besser oder billiger anbietet. Das kann TUI nicht so schnell passieren. Wir sind ein in­tegrierter Konzern mit eigenen Hotels, Flugzeugen und Reisebüros, durch die wir einen direkten Zugang zu unseren Kunden haben. Das honorieren im Übrigen auch unsere ­Investoren, zu denen inzwischen große Namen wie BlackRock oder Standard Life zählen. Das war nicht immer so. Es gab eine Zeit, in der wir aus gutem Grund die Spielwiese vieler Hedgefonds waren.

Das war vor der Fusion mit TUI ­Travel. Warum war sie so wichtig für das Unternehmen?
TUI Travel gehörte zwar zu etwas über 50 Prozent der TUI AG, hat aber weitestgehend unabhängig gearbeitet. Das heißt, sie haben ihren Kunden häufig auch andere Hotels angeboten. Jetzt können wir den Reiseveranstalter und die Reisebüros als Vertrieb einsetzen, um unsere eigenen Hotels oder Kreuzfahrtschiffe zu belegen. Und wir investieren in neue Hotels, weil wir uns darauf verlassen können, dass sie durch die Veranstalter gebucht werden.

Warum ist da vorher noch niemand draufgekommen?
Wir mussten die TUI AG erst einmal profitabel machen, um sie für einen Zusammenschluss interessant zu machen. Das Problem war, dass die TUI AG bei meinem Amtsantritt an der Börse weniger wert war als ihr 50-Prozent-Anteil an ihrer Tochter TUI Travel. Das heißt, alle anderen Aktivitäten wurden mit einem negativen Unternehmenswert bewertet. Es war also kein Wunder, dass einige aktionistische Aktionäre gefordert haben, die TUI AG zu zerschlagen. Es gab auch Spekulationen, die britische Tochter könnte die deutsche Holding übernehmen. Das liegt hinter uns.

Das heißt, Ihr Schrumpfkurs war Voraussetzung für die Fusion?
Ja, durch das Restrukturierungsprogramm 2013 und 2014 ist das Vertrauen am Kapitalmarkt zurückgekehrt. Der Aktienkurs ist deutlich gestiegen, und die TUI AG war plötzlich mehr wert als ihr Anteil an der TUI Travel. 2014 haben wir dann zum ersten Mal nach sieben Jahren wieder eine Dividende gezahlt.

Durch den Zusammenschluss hat TUI seine Börsennotierung im MDAX aufgegeben und ist nur noch in London gelistet. Warum?
Die TUI Travel war vor der Übernahme im Premiumsegment der Londoner Börse gelistet und hatte viele britische Fonds als Investoren. Es gibt Aktionärsgruppen, die nur in Unternehmen investieren, die im ­eigenen Land börsennotiert sind. Dazu gehören viele dieser Fonds. Bei einem Listing in Deutschland hätten wir diese Investoren möglicherweise verloren. Für London spricht aber durchaus auch der starke Handel internationaler Investoren. Deshalb haben wir uns bei den Verhandlungen für das Börsenlisting in London im FTSE 100 entschieden.

Deutsche Anleger können am Open Market noch in TUI investieren.
Ja, es war uns wichtig, die Interessen der deutschen Privataktionäre zu wahren. Dazu gehört der Handel in Deutschland und in der Eurowährung. Die deutschen Privatinvestoren sind sehr loyale Aktionäre. Viele von ihnen haben uns von der ­Preuss­ag bis zur TUI die Treue gehalten - auch in Zeiten, als der Kurs unter fünf Euro lag, der Konzern in schwierigem Fahrwasser war und es recht turbulente Hauptversammlungen gegeben haben soll.

Sie haben bereits erwähnt, dass TUI 2014 erstmals wieder Dividende ausgeschüttet hat. Wie sieht Ihre künftige Dividendenpolitik aus?
Sie richtet sich nach dem Vorbild der früheren TUI Travel, die immer ein starker Dividendentitel war. Das wollen wir in unseren Vorschlägen an den Aufsichtsrat beibehalten. Konkret heißt das: Wir steigern die Dividende im Gleichklang mit dem Wachstum unseres bereinigten Ebita. Für die Geschäftsjahre 2014/15 und 2015/16 zahlen wir noch einen zusätzlichen Aufschlag von zehn Prozent auf den Grundbetrag. Ich denke, wir sind dann durchaus auch unter dem Gesichtspunkt der geplanten Dividenden ein attraktives Unternehmen.

Für 2013 gab es 15 Cent Dividende, 33 Cent für 2014. Und für 2015?
Unser Geschäftsjahr ist am 30. September gerade zu Ende gegangen. Ausgangsbasis für die Dividende für 2015 ist die Summe der regulären Ausschüttungen von TUI AG und TUI Travel im vergangenen Jahr von 44,5 Cent. Wenn Aufsichtsrat und Hauptversammlung im Februar 2016 zustimmen, soll die Dividende noch einmal deutlich darüber liegen.

Inzwischen gehen Umbau und ­Integration weiter. Sie wollen sich von einigen Unternehmensteilen wie der Beteiligung am Logistik­konzern Hapag-Lloyd trennen. Was sind die Gründe?
Wir sind ein globales Touristikunternehmen, dazu passt die Containerschifffahrt nicht. Das ist ein schwieriger Markt, zyklisch und mit völlig eigenen Regeln. Es zählt vor allem Größe, das heißt, man sollte stark genug sein, um Übernahmen stemmen zu können. Dazu braucht man einen eigenen Kapitalmarktzugang, sonst fehlt zum Beispiel das Geld, um neue Containerschiffe zu finanzieren. Wir haben immer klar gesagt, wir trennen uns von unseren Anteilen und wir wollen einen Börsengang der ­Hapag-Lloyd Container - zum richtigen Zeitpunkt.

Ist der Zeitpunkt jetzt richtig?
Aufgrund des niedrigen Ölpreises und des starken Dollar ist das erste Halbjahr sehr gut gelaufen. Ich halte das für eine gute Basis für den Börsengang, der jetzt angekündigt wurde. Aber wir sind mit unserem Anteil von 13,9 Prozent bei Hapag Lloyd nicht im Fahrersitz. Gegebenenfalls werden wir einen Teil un­seres Pakets mit einbringen, ab­hängig von der Investorennachfrage und dem Kapitalmarktumfeld. Der Teilbörsengang gäbe insgesamt ein klareres Bild, wie der Kapitalmarkt das Unternehmen bewertet.

Kurzvita

Der Sanierer
Friedrich Joussen (52) steht seit Februar 2013 an der Spitze des Reisekonzerns TUI. Er hat den Zusammenschluss von TUI und der britischen Tochtergesellschaft TUI Travel maßgeblich vorangetrieben. Bevor Joussen in die Reisebranche wechselte, war er sieben Jahre lang Deutschland-Chef des Mobilfunkanbieters Vodafone. Der gebürtige Duisburger hatte nach dem Studium der Elektrotechnik an der RWTH Aachen bei Mannesmann angeheuert, das 2001 von Vodafone übernommen wurde. Der zwei Meter große Manager ist verheiratet und hat vier Kinder.

In eigener Sache

Übrigens: Alphabet C (ex Google) und andere US-Aktien sind bei finanzen.net ZERO sogar bis 23 Uhr handelbar (ohne Ordergebühren, zzgl. Spreads). Jetzt kostenlos Depot eröffnen und Neukunden-Bonus sichern!

Ausgewählte Hebelprodukte auf Abrdn

Mit Knock-outs können spekulative Anleger überproportional an Kursbewegungen partizipieren. Wählen Sie einfach den gewünschten Hebel und wir zeigen Ihnen passende Open-End Produkte auf Abrdn

NameHebelKOEmittent
NameHebelKOEmittent
Wer­bung

Bildquellen: TUI, TUI AG

Nachrichten zu TUI AG

Wer­bung

Analysen zu TUI AG

DatumRatingAnalyst
29.09.2025TUI NeutralUBS AG
24.09.2025TUI BuyDeutsche Bank AG
24.09.2025TUI OverweightBarclays Capital
23.09.2025TUI NeutralUBS AG
23.09.2025TUI OverweightJP Morgan Chase & Co.
DatumRatingAnalyst
24.09.2025TUI BuyDeutsche Bank AG
24.09.2025TUI OverweightBarclays Capital
23.09.2025TUI OverweightJP Morgan Chase & Co.
13.08.2025TUI OverweightJP Morgan Chase & Co.
13.08.2025TUI OverweightJP Morgan Chase & Co.
DatumRatingAnalyst
29.09.2025TUI NeutralUBS AG
23.09.2025TUI NeutralUBS AG
23.09.2025TUI Market-PerformBernstein Research
23.09.2025TUI Market-PerformBernstein Research
14.08.2025TUI NeutralUBS AG
DatumRatingAnalyst
11.02.2025TUI UnderweightBarclays Capital
02.08.2024TUI UnderweightBarclays Capital
13.03.2024TUI UnderweightBarclays Capital
13.02.2024TUI UnderweightBarclays Capital
06.12.2023TUI UnderweightBarclays Capital

Um die Übersicht zu verbessern, haben Sie die Möglichkeit, die Analysen für TUI AG nach folgenden Kriterien zu filtern.

Alle: Alle Empfehlungen

Buy: Kaufempfehlungen wie z.B. "kaufen" oder "buy"
Hold: Halten-Empfehlungen wie z.B. "halten" oder "neutral"
Sell: Verkaufsempfehlungn wie z.B. "verkaufen" oder "reduce"
mehr Analysen