Euro am Sonntag-Porträt

Silvio Berlusconi: Verbittert, aber weiterhin kampfeslustig

16.01.17 10:02 Uhr

Silvio Berlusconi: Verbittert, aber weiterhin kampfeslustig | finanzen.net

Der Milliardär und ehemalige Premier Italiens muss um sein Lebenswerk fürchten. Der französische Medien­konzern Vivendi will Berlusconis TV-Imperium Mediaset an sich reißen.

von Micaela Taroni, Mailand

Es ist eine der letzten großen Schlachten, die Italiens schlachterprobter Ex-Premier und TV-Tycoon Silvio Berlusconi wohl noch schlagen muss. Mit aller Macht kämpft er um die Rettung seiner Fernsehgesellschaft Mediaset, der Krone seines Wirtschaftsimperiums. Denn die in Mailand börsennotierte TV-Gruppe mit drei landesweit ausgestrahlten Fernsehsendern, Pay-TV-Kanälen und einem Jahresumsatz von über drei Milliarden Euro ist ins Visier des französischen Medienkonzerns Vivendi geraten.

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Dessen Chef Vincent Bolloré, einst guter Freund Berlusconis, ist dem Mailänder Großunternehmer in den Rücken gefallen und hat sich als sein ärgster Feind entpuppt. Der als berüchtigter "Firmen-Raubritter" bekannte Bolloré hat einen ausgeklügelten Schachzug gestartet, der sich für Berlusconis TV-Imperium als tödlich erweisen könnte. Bollorés Unberechenbarkeit und seine aggressive Taktik machen seinem Titel "Firmenjäger" alle Ehre. Derzeit ist er dabei, dem alternden Berlusconi das eigene Unternehmen wegzuschnappen. Von drei auf 30 Prozent hat der Industriekapitän aus der Bretagne seine Beteiligung an Mediaset in wenigen Wochen ­aufgestockt.

Damit ist der 64-Jährige zum zweitstärksten Aktionär Mediasets nach der Fininvest-Holding im Besitz der Familie Berlusconi aufgerückt. Bei dem aktuellen Marktwert hat Vivendi circa 900 Millionen Euro für das 30-prozentige Mediaset-Paket ausgegeben. Die Empörung im Berlusconi- Clan ist enorm. Der Patron sieht sein Lebenswerk in Gefahr. Berlusconi spricht offen von einer "feindlichen Übernahme" und hat bei der Staatsanwaltschaft Mailand Anzeige wegen Marktmanipulationen erstattet. Die Regierung in Rom ist besorgt und plant Schritte zum Schutz der "italienischen Identität" Mediasets, eines Schlüsselunternehmens in Italiens Medienbereich.

Hinter Bollorés Sturm auf Berlusconis Imperium steckt ein genau durchdachter Plan. Im Sommer ließ Vivendi eine schon vereinbarte Übernahme des zu Mediaset gehörenden Pay-TV-Senders Premium platzen. Nach einer Prüfung durch die Experten von Deloitte soll Vivendi festgestellt haben, dass der Businessplan von Mediaset Premium unrealistisch sei. Die Analyse der Nutzerdaten zeigte angeblich, dass sie künstlich aufgeblasen wurden, teilte Vivendi mit. Der Plan, bis 2018 rentabel zu werden, sei völlig undurchführbar, bemängelte Vivendi auf Grundlage der Deloitte-­Untersuchung.

Berlusconi will Schadenersatz

Dass Mediaset Premium ein großer Verlustbringer war, zeigte bereits die Bilanz von 2015, in der ein Umsatz von 630 Millionen Euro und ein Vorsteuerverlust von 115 Millionen Euro ausgewiesen wurde. Vivendi verzichtete auf das Geschäft und forderte Berlusconi zu neuen Verhandlungen auf. Der aber zog vor Gericht und forderte einen Schadenersatz von 570 Millionen Euro. Statt Bolloré damit einzuschüchtern, reizte er den Bretonen vielmehr zum Sturmangriff.
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Eigentlich wollten Vivendi und Mediaset eine gemeinsame Plattform zum weltweiten Vertrieb von TV-Inhalten schaffen, eine Art "europäisches Netflix". Doch nach dem Scheitern des Deals wollen die Franzosen stattdessen maßgeblichen Einfluss bei Mediaset erlangen und das Unternehmen zwingen, das Projekt einer europäischen TV-Plattform doch noch gemeinsam voranzutreiben. Zudem wollen sie Berlusconi zum Rückzug seiner Schadenersatzforderung nötigen.

Die Berlusconi-Familie will davon nichts wissen und hat zum Gegenangriff geblasen. Mediasets Mutterkonzern Fininvest stockte zuletzt seine Beteiligung an der TV-Tochter von 34,7 auf fast 40 Prozent auf und sucht jetzt nach Verbündeten. Berlusconi will kleinere Mediaset-Aktionäre wie Norges Bank, Lazard Asset Management, Mackenzie und Rothschild auf seine Seite ziehen.

Bei seiner Verteidigungsstrategie kann er mit besten Verbindungen zur Regierung in Rom und deren Unterstützung rechnen. Italiens Regierungschef Paolo Gentiloni prangerte zuletzt die "feindliche Vorgehensweise" Vivendis an und versicherte, dass sein Kabinett die Entwicklungen rund um Mediaset "genau" beobachte. "Bisher war die Vorgehensweise intransparent, Vivendis Absichten sind unklar. Wir müssen zwar die Marktregeln respektieren und akzeptieren, dass ein Ausländer eine italienische Firma erwirbt. Was nicht normal ist, ist die bisherige Vorgehensweise", betonte Industrieminister Carlo Calenda. Es bestehe die Gefahr, dass Vivendi Mediaset, ein prioritäres Unternehmen in Italiens Medienbereich, komplett blockiere.
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De facto kann die Regierung aber wenig tun. Befürchtet wird in Rom, dass sich Frankreich weiter in großem Stil in Italien einkauft. Unternehmen wie die Luxushäuser Bulgari und Fendi oder der Milchproduzent Parmalat gehören bereits zu französischen Konzernen. Vivendi ist schon bei Telecom Italia Mehrheitsaktionär.

Berlusconi zeigt sich verbittert, aber kampfeslustig. Vivendi wirft er "Erpressung" vor. Eine Übernahme Mediasets durch die Franzosen schließt der exzentrische Ex-Premier resolut aus. Es sei "ein Ding der Unmöglichkeit", dass er die Mediaset-Kontrolle verliere. "Ich kann mir nicht einmal im Traum vorstellen, dass Mediaset nicht von meiner Familie geführt werden könnte", sagte Berlusconi deutlich.

Vieles spricht für Verhandlungen

Vivendis Attacke ist ein schwerer Schlag für das Wirtschaftsimperium Berlusconis, zu dem mehrere Verlagsgruppen, Baugesellschaften und Bankenbeteiligungen gehören. Die Konzerne des Berlusconi-Firmaments haben die Krisenjahre in Italien schmerzhaft zu spüren bekommen. Die Werbeeinnahmen gingen stark zurück. Die Verlagsgruppe Mondadori, die Berlusconis älteste Tochter Marina führt, musste einer tiefgreifenden Umstrukturierung unterzogen werden.

Auch die Beteiligung an der börsennotierten Bank Mediolanum ist nur einen Bruchteil der Summe früherer goldener Zeiten wert, als Berlusconi zum reichsten Italiener wurde. Selbst das Sportgeschäft, an dem der Medienkrösus sehr hängt, läuft nicht mehr so wie in früheren Zeiten. Der fußballvernarrte Berlusconi musste sich im Sommer von seinem Klub AC Milan trennen, den er 30 Jahre lang geführt hatte. Neuer Eigentümer ist ein chinesisches Konsortium, das Berlusconi bis März insgesamt 740 Millionen Euro für den renommierten Klub zu zahlen hat.

Doch dass er nun zu Verhandlungen mit den Franzosen gezwungen werden könnte, ist wahrscheinlich. Denn Vivendi will mit viel Aggressivität und Kapital nicht locker lassen. "Wir haben uns um ein alternatives Angebot bemüht, sind aber öffentlich beleidigt und misshandelt worden. Da wir keine Masochisten sind, haben wir reagiert. Wir haben ein langfristiges Interesse und wollen Mediasets industrieller Partner sein", erklärte Vivendis CEO, Arnaud de Puyfontaine. Vivendi habe kein anderes Ziel als das, was im April verkündet wurde: seine Identität als europäischer Medien- und Inhalteanbieter zu stärken und seine Präsenz in Südeuropa auszubauen.

In dieser prekären Situation zeigt der Berlusconi-Clan Zusammenhalt. Die fünf erwachsenen Kinder des Patriarchen rücken zusammen, um Bollorés Übernahmeversuch abzuwenden. "Es wird hart, doch wir werden uns verteidigen", sagte zuletzt Mediasets Verwaltungsratspräsident Fedele Confalonieri. Wie es nun weitergeht, ist ungewiss. Mediaset will in den nächsten Wochen einen Entwicklungsplan vorlegen, der dem Konzern neuen Schwung verleihen soll. Schließlich hatte das Unternehmen in den ersten drei Quartalen 2016 Verluste von 116,6 Millionen Euro hinzunehmen und muss jetzt seine Aktionäre überzeugen, dass die Gruppe im europäischen Fernseh-Olymp weiterhin Chancen hat.

Der Konzern unter der Leitung von Berlusconis Sohn Piersilvio plant im März eine Roadshow in den USA, um institutionellen Investoren - in erster Linie Hedgefonds - die Wachstumsstrategie vorzustellen. Eigentlich hätte der neue Entwicklungsplan erst im September präsentiert werden sollen. Die Vivendi-­Attacke zwingt Mediaset jedoch zur Vorverlegung.

Insider spekulieren, dass Berlusconi sich am Ende doch noch mit Bolloré einigen könnte. Denn Vivendi strebt unter anderem einen Einstieg bei Mediasets TV-Produktionsgesellschaften Medusa und Taodue an. Die Franzosen sind für ihre europäische Plattform stark an der Produktion von TV-Serien interessiert, was als Verhandlungsbasis zwischen den verfeindeten Unternehmen dienen könnte.

Und vielleicht spielt auch Berlusconis Alter den Franzosen in die Hände. Denn zuletzt ging es auch gesundheitlich mit Berlusconi bergab. Im Juni musste er sich einer schweren Herzoperation unterziehen. Später gab er ganz offen zu: "Mit der Operation ist mir bewusst geworden, dass ich ein Mann von 80 Jahren bin."

Kurzvita

Aufstieg und Fall
Der 1936 in Mailand geborene Silvio Berlusconi begann seine Laufbahn als Conferencier auf Kreuzfahrtschiffen. Im Jahr 1961 stieg er in die Baubranche ein und wurde in den 70er-Jahren in der Medienbranche aktiv. Nach und nach baute er sich ein Netz von privaten TV-Sendern auf, das bald mit Abstand zum größten seiner Art in Europa wurde. 1994 gründete er die rechtsliberale Partei Forza Italia und stieg in die Politik ein. Er war viermal Ministerpräsident Italiens, zuletzt zwischen 2008 und 2011. Zahlreiche Justizprobleme und Skandale zwangen Berlusconi 2013 zum Rückzug.

Das Unternehmen

Mediaset
Der 1978 in Mailand gegründete TV-Konzern Mediaset gilt als Stern am Wirtschaftsfirmament von Silvio Berlusconi. Die Mediengesellschaft mit einem Jahresumsatz von drei Milliarden Euro ist mit Canale 5, ­Italia 1 und Rete 4 Italiens größte private Sendergruppe. ­Mediaset war die erste private TV-Gesellschaft, die in ganz Italien ein einheitliches Programm ausstrahlte. Der Konzern steht unter Kontrolle der börsennotierten Fininvest-Holding. Nach einigen Krisenjahren schrieb Fin­invest 2014 wieder schwarze Zahlen. 2016 lag der Umsatz bei 4,7 Milliarden Euro.

Bildquellen: 360b / Shutterstock.com, emipress / Shutterstock.com

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