Bankenverbandschef: "Die Wirtschaft mit Krediten zu versorgen wird hart"
2010 könnte ungemütlich werden, glaubt Bankenverbandspräsident Andreas Schmitz. Den Instituten drohten milliardenschwere Kredit-Abschreibungen.
von Wolfgang Ehrensberger, Euro am Sonntag
2010 könnte ungemütlich werden, glaubt Andreas Schmitz, Präsident des Bundesverbands deutscher Banken (BdB). Den Instituten drohten milliardenschwere Kredit-Abschreibungen, zurückgehende Margen und Probleme im Privatkundengeschäft. Schmitz (49) steht seit März 2009 an der Spitze des BdB, der die Interessen von mehr als 220 Privatbanken in Deutschland vertritt. Schmitz ist seit 2006 Vorstandssprecher der Privatbank HSBC Trinkaus.
Euro am Sonntag: Laut Studien bezeichnen mehr als 90 Prozent der Banken in Deutschland ihre Lage als gut. Gleichzeitig rechnet die Bundesbank noch immer mit einem Abschreibungspotenzial von 60 bis 90 Milliarden Euro. Wo steht die Kreditwirtschaft Anfang 2010?
Andreas Schmitz: Die Situation Anfang 2010 ist deutlich besser als Anfang 2009, als wir knapp an der Kernschmelze vorbei gekommen waren und auch die Konjunktur einbrach. 2009 haben wir insgesamt deutlich besser abgeschnitten als anfangs befürchtet, die Ergebnissituation bei den Banken ist respektabel. Viele strukturierte Wertpapiere haben im zweiten Halbjahr wieder an Wert zugelegt. Zudem ist die Industrie so eigenkapitalstark wie nie in diese Krise gegangen, so dass Wertberichtigungen bei Krediten bisher noch niedrig ausfielen. Die Betonung liegt auf noch, denn das wird 2010 nicht mehr so weitergehen.
Wohin geht die Reise?
Die Margen werden zurückgehen, Volatilitäten gehen zurück, die Notenbanken werden Liquidität wieder aus dem Markt nehmen. Problematisch ist das gesamte Privatkundengeschäft, das nicht besonders profitabel läuft. Und das Firmenkundengeschäft wird konjunkturbedingt im dritten und vierten Quartal 2010 durch erhebliche Wertberichtigungen belastet werden.
Die Bundesbank rechnet im Kreditgeschäft mit Ausfällen von 50 bis 75 Milliarden Euro. Ist das realistisch?
Die Zahlen der Bundesbank sind ein Worst-Case-Szenario und zudem nicht auf einen konkreten Zeitraum bezogen. Es ist das, was potenziell verloren gehen könnte. Die Banken werden aber 2010 im Kreditgeschäft wohl Abschreibungen in zweistelliger Milliardenhöhe zu verkraften haben. Das Umfeld ist schwierig - unabhängig davon, was von der regulatorischen Seite noch kommt.
Ist die Gefahr bei den strukturierten Wertpapierportfolios gebannt?
Bei den strukturierten Produkten sind wir noch nicht komplett durch, aber das Ende der Belastungen ist hier absehbar. Das Kernproblem für 2010 werden die Auswirkungen der kreditnehmenden Wirtschaft auf die Banken sein.
Haben die Banken dafür ausreichend Vorsorge getroffen?
Die Banken haben ihre Eigenkapitalausstattung hochgefahren, auch um sich auf künftige regulatorische Anforderungen einzustellen. Im Schnitt ist die Kernkapitalquote bei den großen deutschen Instituten zwischen 2007 und 2009 von sieben auf zehn Prozent gestiegen.
Was bedeutet das für Rendite und Dividendenfähigkeit?
Mehr Eigenkapital bedeutet ceteris paribus eine sinkende Eigenkapitalrendite, das Niveau wird daher in den nächsten Jahren deutlich unter dem der vergangenen Jahre liegen, entsprechend auch die Dividenden. Aber in der aktuellen Situation ist es absolut wichtig, dass die Banken ihr Geschäft mit mehr Kapital unterlegen, denn damit haben sie auch größere Risikopuffer.
Haben das auch alle Banken ausreichend getan? Es reicht ja ein Institut, das kippt, um das ganze System zu destabilisieren.
Schmitz: Die G20-Staaten haben klar gemacht, dass sie in diesem Krisenzyklus keine systemrelevante Bank mehr umfallen darf, sonst wäre das Vertrauen zerstört. Sie machen aber auch klar: Das ist eine besondere Situation. Im nächsten Zyklus und auch ganz grundsätzlich sollte eine Bank auch insolvent werden können, ohne dass sie das ganze System in Mitleidenschaft zieht.
Da wird sich der eine oder andere Risikospieler denken: Wenn der Staat mir jetzt mein Überleben garantiert, kann ich ja wieder loslegen.
Es ist Aufgabe der Politik und der Verbände, darauf hinzuwirken, dass das nicht so kommt.
Sind die G20-Länder mit ihren Plänen für schärfere Eigenkapitalregeln auf dem richtigen Weg?
Eine Regulierung und höhere Eigenkapitalquoten sind grundsätzlich richtig, um nachhaltige Geschäftsmodelle zu fördern.
Was muss getan werden, damit die Kreditvergabemöglichkeit der Banken nicht eingeschränkt wird?
Wir müssen auf Timing und Struktur der neuen Maßnahmen achten und dürfen uns nicht von den Angelsachsen ins Bockshorn jagen lassen. Es muss in Form von Auswirkungsstudien geprüft werden, wie Maßnahmen kumuliert wirken und welche Auswirkungen dies auf die Kreditvergabe hat. Viele deutsche Banken haben außerdem strukturell bedingt kaum direkten Zugang zum Kapitalmarkt und sind beispielsweise auf andere Formen der Finanzierung wie Stille Einlagen angewiesen. Stille Einlagen sollten daher auf jeden Fall zum Kernkapital gelten.
Kann sich die deutsche Seite in diesem Punkt durchsetzen?
Es sieht besser aus als noch vor drei Monaten. Bundesregierung, Bundesbank und die Bafin haben der deutschen Position in den Gremien Gehör jedenfalls ein Stück weit verschafft.
In welchem Zeitraum sollten die Regeln eingeführt werden?
Wir brauchen ein Stufenverfahren, das etwa von Ende 2010 bis 2015 läuft.
Werden die Banken insgesamt in der Lage sein, die Wirtschaft ausreichend mit Krediten zu versorgen?
Momentan haben wir noch eine niedrige Nachfrage nach Krediten, vor allem im kurzfristigen Bereich. Das wird aber nicht so bleiben. Sobald die Konjunktur anzieht, müssen Aufträge vorfinanziert und Vorräte aufgebaut werden, dann wird wieder mehr Liquidität nachgefragt. Diese Nachfrage zu bedienen wird ein hartes Stück Arbeit.
Droht eine Kreditklemme?
Kreditklemme heißt, dass gute Unternehmen keinen Kredit zu fairen Konditionen bekommen. Diese Situation sehe ich nicht. Aber es gibt eben schwach kapitalisierte Branchen, die im Sommer oder Herbst in eine schwierige Situation kommen werden, etwa im Automobilbereich und im Maschinenbau. Unternehmen, die 2007 schon schwach eigenkapitalisiert waren, aber gute Aussichten hatten, werden wir 2010 gegebenenfalls nicht mehr finanzieren können. Denn Eigenkapital von Unternehmen wird mehr und mehr aufgezerrt und in einigen Branchen sind auch die Zukunftsaussichten nach wie vor düster.
Viele Unternehmen werfen den Banken prohibitiv hohe Margen vor.
Offen gesagt waren Kredite früher zu billig, Geld war reichlich vorhanden, und wir haben den Fehler gemacht, Kredite anzudienen und zu fragen: Darf´s ein bisschen mehr sein? In der Krise haben wir den Wert des Geldes wieder kennen gelernt. Heute werfen uns manche Unternehmer vor: Ihr Banken macht Kasse auf unsere Kosten, ihr habt Abwehrkonditionen. Da muss ich entgegnen: Wir haben keine Abwehrkonditionen, wir haben inzwischen risikoadäquate Marktkonditionen. Das kann man dann meinetwegen als Konditionenklemme bezeichnen.
In den USA sollen Banken mit einer Art Strafsteuer an den Kosten der Finanzkrise beteiligt werden. Ein sinnvoller Ansatz?
Sieht man sich das in den USA geplante Modell genau an, dann werden dort diejenigen Banken besteuert, die die staatlichen Mittel zurückgezahlt haben. Diejenigen, die nicht dazu in der Lage sind wie Fanny May, Freddy Mac werden von der Besteuerung ausgenommen. Sogar die Deutsche Bank würde mit rund 500 Millionen Euro belastet, obwohl sie das US-Bankenrettungsprogramm nie in Anspruch genommen hat und es auch nicht hätte in Anspruch nehmen können. Das ist nicht fair.
In Deutschland und Europa findet die Idee aber immer mehr Anhänger. Die FDP fordert eine Strafsteuer für Banken, die Union macht sich für eine Finanztransaktionssteuer stark. Was wäre Ihnen denn lieber?
Ich verstehe die Überlegungen, die Banken an den Krisenkosten zu beteiligen. Aber man sollte dabei mehrere Dinge berücksichtigen: Eine Finanzmarkttransaktionssteuer müsste grundsätzlich international eingeführt werden, sonst sucht sich das Kapital den Platz aus, an dem es diese Steuer nicht gibt. Man sollte auch nicht den Glauben erwecken, dass dies eine Steuer ist, die der Finanzsektor entrichtet. Letztendlich ist es eine Steuer für alle, die den Finanzsektor in Anspruch nehmen, also Anleger, normale Bürger, Unternehmen und auch den Staat selbst. Die Steuer würde in den Kosten eingepreist werden. Man muss auch aufpassen, dass diese Steuer nicht dort anfällt, wo die meisten Transaktionen abgewickelt werden, also an den großen Finanzplätzen wie London, New York oder Hongkong – Frankfurt zählt dazu eher nicht. Wir als Anleger in Deutschland würden sonst eine Steuer entrichten, die nicht beim deutschen Fiskus ankommt. Wenn es eine Steuer gibt, sollte sie weltweit eingeführt werden; ohne Ausnahmen. Bisher ist völlig unklar, wer diese globale Steuer erheben könnte und wie diese dann zu verteilen wäre.
Der Bund hat versucht, den Banken über ein Bad-Bank-Modell des Soffin toxische Wertpapiere abzunehmen. Warum sind darauf so wenige Banken eingegangen?
Es war wichtig, diesen Weg zu ebnen. Ich kann nur jedem raten, der Nöte in seinem Eigenkapital sieht, die Bad Bank des Soffin in Anspruch zu nehmen, allein schon aus volkswirtschaftlicher Verantwortung, weiter Kredit vergeben zu können. Wenn eine Bank einen Riesenberg toxischer Vermögenswerte mit sich herumschleppt, lähmt das Management-Resourcen. Der Staat kann diese Krise „aussitzen“, ein privatwirtschaftliches Institut kann das nicht.
War das Bad-Bank-Modell falsch konzipiert?
Wir hätten uns in der Tat eine Struktur gewünscht, die es den einzelnen nicht ganz so schwer macht, unter das Dach des Soffin zu schlüpfen. Es hält sich die Vorstellung, dass nur pathologische Fälle den Soffin in Anspruch nehmen – und wer gibt das schon gern von sich Preis.
Das Modell hat also vorwiegend ein Imageproblem?
Ein Imageproblem, aber auch ein Strukturproblem. Landesbanken wie die WestLB oder HSH Nordbank sind das Thema mit eigenen Abwicklungsanstalten angegangen. Die Länder als Eigentümer haben hier sowieso eine Nachhaftung.. Die sagen sich, wenn ich sowieso hafte, kann ich gleich direkt haften, spare die Gebühr und habe auch die Verfügungsgewalt über die Aktiva.
Sollte das Bad-Bank-Modell neu geregelt werden?
Dieser Zug ist, glaube ich, abgefahren.
Nun heißt es, auch der Bankenverband BdB wolle eine Bad Bank einrichten. Was ist da dran?
Um mal eines vorweg klarzustellen: Es geht in den Überlegungen nicht um die Gründung einer klassischen Bad Bank, einer Mülldeponie für toxische Wertpapiere wie beim Soffin. Es geht um ein Abwicklungsvehikel. Bei den Volksbanken ist das zum Beispiel seit Jahrzehnten die Volksbank Hamm, die auf diese Weise genutzt wird. Es geht um die Kumulation von Abwicklungs-Know how in einer bestimmten Adresse.
Warum wird das Thema gerade jetzt relevant?
Weil wir in der Vergangenheit ein paar Banken, die Probleme hatten, aufgefangen haben. Es hat nichts damit zu tun, dass wir neue Belastungen erwarten.
Der Einlagensicherungsfonds der Privatbanken steht in der Kritik. Muss er reformiert werden?
Für systemische Krisen wie jetzt sind die Sicherungseinrichtungen der Kreditwirtschaft ohnehin nicht geschaffen, das sehen Sparkassen und Volksbanken genauso.
Wie sollte denn ein Sicherungssystem idealerweise aussehen?
Es sollte ein mehrstufiges System mit klarer Reihenfolge geben: Zunächst sollte die Prävention an erster Stelle stehen – entsprechende Regulierung und effektive Aufsicht, damit solche Fälle nicht eintreten. Kommt es dennoch zu einem Problem, sind in erster Linie die Eigentümer gefordert, auch die, die eigenkapitalähnlich engagiert sind. Reicht das nicht, sind die Banken gemeinsam gefragt. Erst wenn es deren Fähigkeit übersteigt, in einer systemischen Krise, dann sollte der Staat eingreifen.
Wird die Einlagensicherung in Deutschland missbraucht?
Wir haben mit unserem Einlagensicherungssystem eine Qualität, die jeden Anleger aus Rom, Paris oder Madrid dazu einlädt, sein Geld hierher zu tragen, weil hier die Einlagensicherung fast unbegrenzt haftet. In der Krise floss viel Geld nach Deutschland, weil die Banken haften, und wenn die nicht mehr können, ist der Steuerzahler dran. Das kann doch nicht sein.
Was wollen Sie denn dagegen tun – einen restriktiveren Zugang für Anleger aus dem Ausland verlangen?
Ein restriktiverer Zugang wäre ein Verstoß gegen das Kartellrecht, wir haben hier einen Zielkonflikt. Es wäre deshalb gut, zu einer europäischen Regelung zu kommen - aber das muss die Politik entscheiden. Ich will nur, dass die Diskussion darüber beginnt. Wir müssen uns dieses Themas annehmen, das hat sich in dieser Krise herausgestellt.
Die Regierung will die Bankenaufsicht reformieren. Wie sehen Sie die Pläne, alles komplett bei der Bundesbank zu bündeln?
Nur eine Zusammenführung macht in meinen Augen keinen Sinn. Die Zusammenarbeit zwischen Bundesbank und Bafin hat sich gerade in der Finanzkrise entscheidend verbessert und bewährt.Wenn zusammengelegt wird, sollte man aufpassen, dass nichts vom Know how der Bafin verloren geht, denn wir brauchen dieses Wissen. Es darf gerade jetzt keine Unruhe entstehen. Gleichzeitig muss die Unabhängigkeit der Bundesbank sichergestellt sein, ich jedenfalls will keine politisch dominierte Notenbank. In gewisser Weise verstehe ich die Versicherungswirtschaft, wenn sie glaubt, hier nur noch das fünfte Rad am Wagen zu sein. Ich habe aber kein Verständnis, wenn sie sagt, sie hätte mit Finanzwirtschaft nichts zu tun. Kreditversicherung, kreditbesicherte Wertpapiere, Anlagepolitik, es gibt viele Berührungspunkte zwischen Banken und Versicherungen, die einer gemeinsamen Regelung und Beaufsichtigung bedürfen.