Brasilien: Wo sich die Zeichen für ein Comeback häufen
Nicht nur die Fußball-WM und Olympia sollen die Wirtschaft des Schwellenlandes wieder anschieben, denn in den beiden vergangenen Jahren stagnierten Wirtschaft und Börse. Brasiliens Ziele.
von Emmeran Eder, Euro am Sonntag
Die Statistik ist der Strohhalm, an den sich Brasiliens Fußballfans klammern. Noch nie gewann eine europäische Mannschaft bei einer Fußball-WM auf dem amerikanischen Kontinent den Titel. Das und der Heimvorteil sind aber die einzigen Punkte, die für den sechsten Erfolg des Rekordweltmeisters sprechen. Die Leistungen der Seleção waren zuletzt so schwach, dass nur eingefleischte Fans an ein brasilianisches Sommermärchen glauben.
Selbst wenn es mit dem Titel nichts werden sollte, die sportlichen Großevents sind trotzdem ein Segen für das Land. Zum einen boomt die Baubranche, zum anderen wird die schlecht ausgebaute Infrastruktur, die ein Hemmschuh für die Geschäftswelt ist, verbessert. Nach der Boomphase von 2004 bis 2010 mit jährlichen Wachstumsraten von vier Prozent und mehr herrscht seit 2011 Flaute. Dem mageren Wachstum von 2,8 Prozent 2011 folgte ein noch schwächeres Jahr 2012 mit einer BIP-Zunahme von nur 1,5 Prozent.
Schwache Bildung, hohe Löhne
Neben dem schlecht ausgebauten Straßen-, Bahn- und Mobilfunknetz sind dafür noch andere Faktoren verantwortlich. Dazu zählen das mangelhafte Bildungssystem, Korruption, die hohen Energiekosten sowie die rasant steigenden Löhne.
Die sorgen zwar für hohe Verbrauchsausgaben. „Das ist aber gleichzeitig das Problem Brasiliens. Das Land hat sich auf dem Konsum und seinem Rohstoffreichtum ausgeruht. Wichtige Strukturreformen wurden nicht angegangen“, kritisiert Patrick Pastollnigg, Emerging-Markets-Experte bei Raiffeisen Capital Management. Die Investitionsquote von 19 Prozent des BIPs ist verglichen mit asiatischen Tigerstaaten, wo 30 Prozent die Regel sind, gering.
Die Regierung unter Präsidentin Dilma Rousseff geht die Probleme offensiv an. Neben dem Ausbau der Infrastruktur steht vor allem die Strombranche im Fokus. Die hohen Preise sind ein bedeutender Standortnachteil für das größte Land Südamerikas. Die Tarife liegen im Schnitt rund 130 Prozent über denen anderer BRIC-Staaten. Um die Kosten zu senken, will die Regierung das Angebot erhöhen und die Steuern senken. Zudem werden erneuerbare Energien gefördert.
Eine weitere Initiative ist, dass Telekomfirmen Übernahmen von den Regulierungsbehörden mit der Begründung verweigert wurden, sie sollten das Kapital zur Verbesserung der Qualität des Netzes einsetzen. Die hohen Lohnkosten bekämpft die Regierung, indem sie für arbeitsintensive Industrien zeitlich begrenzt die Sozialbeiträge bis 2016 senkt.
Anders als ihr Vorgänger „Lula“, der eine wirtschaftsliberale Politik verfolgte, setzt Dilma auf staatliche Eingriffe. Mit Sozialprogrammen gelang es Lula, viele Brasilianer aus der Armut zu holen. Seine Nachfolgerin setzt die Umverteilung fort. Zwar hat das südamerikanische Land neben Südafrika immer noch die höchsten Einkommensunterschiede global. Doch die Mittelschicht stellt mit 54 Prozent inzwischen das Gros der Bevölkerung, das viel Geld ausgibt und die Wirtschaft trägt. Der private Verbrauch hat einen BIP-Anteil von 60 Prozent. Oft wird auf Pump konsumiert. „Rund ein Viertel ihrer Einkünfte bringen die Brasilianer für Ratenzahlungen auf“, beschreibt Alexander Kalb, Länderanalyst bei der Bayern LB, die Risiken. Da die Arbeitslosigkeit mit 5,5 Prozent auf einem Rekordtief steht, sind die Ausfallraten trotzdem gering.
Zumal die Zinsen für brasilianische Verhältnisse historisch niedrig sind. Der Leitzins wurde seit August 2011 von 12,5 auf 7,25 Prozent reduziert. Weitere Senkungen sind unwahrscheinlich, da es nicht gelang, die Inflation wegen der hohen Lohnzuwächse zu bändigen. Sie kletterte zuletzt sogar leicht auf 5,7 Prozent.
Bovespa am Boden
Trotz niedriger Zinsen blieb der Leitindex Bovespa am Boden. Das hat mehrere Ursachen. Rohstoffkonzerne litten unter der geringeren Nachfrage aus China. Telekom- und Versorgerfirmen waren wegen staatlicher Eingriffe bei Investoren verpönt. Nur Konsum- und einige Immobilienaktien liefen 2012 gut. Deren Gewicht im Bovespa ist aber moderat. Inzwischen hat der Bovespa das hohe Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) der Boomjahre wieder abgebaut und liegt mit einem erwarteten 2013er-KGV von zehn wieder im historischen Schnitt. Auch das Kurs-Buchwert-Verhältnis von 1,3 für 2013 ist preiswert. „Es ist schon viel Negatives in den Kursen enthalten“, meint Pastollnigg.
Er und weitere Experten gehen wegen der Wachstumsprogramme und der erwarteten stärkeren Rohstoffnachfrage davon aus, dass nächstes Jahr die Wirtschaft um vier Prozent wächst. Pastollnigg und Kalb rechnen mit einem zyklischen Aufschwung. Sie sind aber skeptisch, ob es Brasilien gelingt, trotz eingeleiteter Maßnahmen langfristig mit den asiatischen Staaten mitzuhalten.
Gerd Bennewirtz, Gesellschafter des Fondsanbieters SJB FondsSkyline, ist aus einem anderen Grund optimistisch für Brasilien. „Mit Aktien aus Schwellenländern, die Gastgeber von Olympischen Spielen oder Fußball-WMs waren, verdienten Anleger in der Vergangenheit sehr gut.“ Nicht nur Fans, sondern auch Aktionäre hoffen auf die Statistik.
Investor-Info
Bonuszertifikat
Mit Bonus und Puffer
Viel Sicherheit offeriert das Bonuszertifikat (ISIN: DE000GS14536) von Goldman Sachs auf den Bovespa-Index. Vom jetzigen Indexstand bei 56 279 Punkten müsste der Leitindex bis zur Fälligkeit im Juli 2014 um 47 Prozent auf die Barriere von 30 000 Zählern fallen, damit Anleger die jährliche Bonusrendite von 9,7 Prozent (Bonuslevel: 95.000 Punkte) nicht erhalten und Verluste entstehen. Der maximale Gewinn kann noch deutlich höher sein, liegt doch der Cap erst bei 115.000 Zählern. Der Spread beträgt ein Prozent.
ETF
Viele Rohstoffe und Banken
Mit dem ETF von Lyxor (ISIN: FR0010408799) können Anleger 1 : 1 auf den Bovespa setzen. Der Leitindex umfasst die 80 wichtigsten Unternehmen des größten südamerikanischen Landes. Das Barometer wird dominiert von Energietiteln wie Petrobras, Minenwerten wie Vale sowie Banken. Die drei Branchen haben einen Anteil von gut 50 Prozent am Index, der sich seit Anfang 2011 abwärts bewegt. Die Dividenden werden reinvestiert — gut für den Anleger. Die Jahresgebühr beträgt 0,65 Prozent.