Reaktion auf Brexit-Votum

Bank of England steht vor Leitzinssenkung

11.07.16 07:16 Uhr

Bank of England steht vor Leitzinssenkung | finanzen.net

Die Bank of England (BoE) dürfte ihre Geldpolitik in dieser Woche lockern, und damit auf die Risiken reagieren, die sich aus dem Votum der Briten für einen Austritt Großbritanniens aus der EU ergeben.

Volkswirte erwarten überwiegend, dass der geldpolitische Ausschuss (MPC) seinen Leitzins am Donnerstag um 25 Basispunkte auf 0,25 Prozent senken wird. Allerdings sind manche Experten der Ansicht, dass die BoE noch bis August still halten wird. Die Entscheidung wird um 13.00 Uhr (MESZ) bekannt gegeben.

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   Außerdem steht in der kommenden Woche (Mittwoch) das Beige Book der US-Notenbank auf dem Kalender, das chinesische Bruttoinlandsprodukt (BIP) für das zweite Quartal (Freitag) sowie aus den USA Einzelhandelsumsätze, Verbraucherpreise, Industrieproduktion, Kapazitätsauslastung und Verbrauchervertrauen (alles ebenfalls Freitag).

   Nimmt man die doch sehr harschen Warnungen der Zentralbank vor einem Leave-Votum im Vorfeld des Referendums als Maßstab, dann wäre alles andere als eine sofortige Lockerung sehr erstaunlich. Allerdings sprechen zwei Argumente dagegen:

BoE hat Hintertür für spätere Lockerung 1. Der Finanzstabilitätsausschuss hat bereits die Anforderung an Banken, einen antizyklischen Kapitalpuffer von 0,5 Prozent der risikogewichteten Kredite vorzuhalten, aufgehoben. Nach Berechnung von Commerzbank-Analyst Peter Dixon erhöht das die Kapazität der Banken zur Kreditvergabe um eine Summe, die 9 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung Großbritanniens entspricht. Damit hat die BoE zumindest etwas Zeit gekauft.

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   2. BoE-Gouverneur Mark Carney hatte sich gleich nach dem Brexit-Votum der Briten die Option gesichert, nicht sofort handeln zu müssen, indem er eine geldpolitische Lockerung "über den Sommer" für wahrscheinlich erklärte. Damit kommen sowohl der Juli als auch der August für Maßnahmen in Betracht - oder beide.

   Nach Carneys Worten wird das MPC zunächst eine erste Einschätzung der möglichen ökonomischen Auswirkungen des Brexit-Votums versuchen und später, im August, eine ausführlichere Analyse, verbunden mit einer Prüfung des geldpolitischen Arsenals. Die Frage ist also, ob sich die Konjunktur- und damit die Inflationsaussichten bereits jetzt so deutlich eingetrübt haben, dass die BoE sofort handeln muss.

   Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob es den Briten gelingen werde, sich von ihrem wichtigsten Absatzmarkt, der EU, zu einigermaßen annehmbaren Bedingungen scheiden zu lassen, meint der in London lebende Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding. "Der kurzfristige Konjunkturzyklus ist größtenteils stimmungsgetrieben, ob sich die Stimmung wieder fängt, hängt von politischen Ausblick ab", sagt er.

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Zögerliche Tories stellen Wachstumsrisiko dar Für eine eher pessimistische Beurteilung der Perspektiven spricht vor diesem Hintergrund, dass sich die britischen Konservativen so viel Zeit (neun Wochen) nehmen wollen, um eine neue Führung zu bestimmen, die dann auch die Regierung übernehmen und die Brexit-Konditionen aushandeln würde. Ein solches Szenario einer länger andauernden Phase der Unsicherheit würde Großbritannien nach Aussage des Internationalen Währungsfonds (IWF) 2017 in eine Rezession stürzen.

   Nicht gerade optimistisch stimmt zudem die Finanzmarktreaktion auf das Brexit-Votum. Die im Leitindex FTSE gelisteten Bankaktien verloren zwischen 26 und 35 Prozent ihres Werts, das Pfund knapp 14 Prozent. Auch die Stimmung der Verbraucher wurde stark in Mitleidenschaft gezogen, wie die jüngste GfK-Umfrage zeigt. Zudem haben mehrere Immobilienfonds mitgeteilt, keine Anteile mehr zurückzunehmen.

   Analysten sind überwiegend der Meinung, dass diese Gemengelage ausreichen sollte, die BoE zu einem raschen Handeln zu bewegen. Zugleich sind sie der Ansicht, dass eine Zinssenkung im Juli nicht der letzte Schritt gewesen sein dürfte. Diskutiert werden eine Wiederaufnahme der Anleihekäufe im August und eine Wiederaufnahme des Kreditprogramms "Funding for Lending".

Fed veröffentlicht Beige Book Unterdessen veröffentlicht die US-Notenbank am Mittwoch (20.00 Uhr) ihr Beige Book, das die Ergebnisse einer Konjunkturumfrage der regionalen Fed-Dependancen enthält. Das Beige Book bildet eine Entscheidungsgrundlage für die geldpolitischen Beratungen des Offenmarktausschusses am 26. und 27. Juli.

   Aktuelle Konjunkturdaten aus den USA kommen am Freitag, beginnend mit Einzelhandelsumsätzen und Verbraucherpreisen für Juni (14.30 Uhr), Industrieproduktion und Kapazitätsauslastung für Juni (15.15 Uhr) und dem Index der Verbraucherstimmung der Uni Michigan für Juli (16.00 Uhr).

  Bereits um 4.00 Uhr des gleichen Morgens veröffentlicht die chinesische Statistikbehörde BIP-Daten für das zweite Quartal.

   FRANKFURT (Dow Jones)

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