BLICKPUNKT/Experiment Notenpresse - Ergebnisse erst in Jahren
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Von Manuel Priego-Thimmel DOW JONES NEWSWIRES FRANKFURT (Dow Jones)--Die Notenpresse ist zur stärksten Waffe der Zentralbanken im Kampf gegen die weltweite Finanzkrise geworden. Durch das Anschmeißen der Gelddruckmaschinen stellen die Notenbanken den Finanzmärkten lebenswichtige Liquidität zur Verfügung. Zum einen kaufen die Notenbanken direkt Anleihen wie Immobilienanleihen oder Staatspapiere, das drückt für die Schuldner die Zinslast. Zum anderen stellen die Notenbank den Banken massiv Geld zu extrem günstigen Bedingungen zur Verfügung. Wie effektiv dies sein kann, hat der Dreijahrestender der Europäischen Zentralbank (EZB) im Dezember gezeigt. Dieser hat ganz erheblich zur Entspannung in der Eurozone beigetragen und die Renditen der Anleihen in der Peripherie purzeln lassen.
Aber die Medaille hat eine Kehrseite. Die Bilanzen der Zentralbanken sind seit Ausbruch der Finanzkrise 2008 massiv aufgebläht worden. Damit steigen aber die langfristigen Inflationsgefahren. Während die vier größten Zentralbanken, die US-Notenbank Federal Reserve, die EZB, die Bank of Japan und die Bank of England, zum Ausbruch der Krise rund 18 Prozent der addierten Wirtschaftsleistung ihrer Regionen auf den Büchern hatten, hat sich dieser Wert in der Zwischenzeit verdoppelt.
Und die Bilanzen werden weiter anschwellen. Ende Februar steht der zweite Dreijahrestender der EZB an. Hier könnten laut Schätzungen bis zu 1 Billion Euro, immerhin rund 10 Prozent des Eurozonen-BIP abgefragt werden. Auch gehen viele Analysten davon aus, dass die US-Notenbank Mitte des Jahres Quantitative Easing Nummer 3 einläuten wird, also die dritte Stufe der Geldmengenaufblähung über Anleihenkäufe. Morgan Stanley schließt nicht aus, dass Quantitatives Easing zu einem "quasi-permanenten" Instrument im Werkzeugkasten der Zentralbanken wird. Bislang sind die Kritiker, die einen Anstieg der Inflation befürchten, eines Besseren belehrt worden.
Allerdings bedeutet das bisherige Ausbleiben von Inflation nicht, dass dies auch in Zukunft der Fall sein wird. Solange überschuldete Verbraucher und Staaten damit beschäftigt sind, die Exzesse der Vergangenheit abzubauen, ist Inflation unwahrscheinlich. Denn die Kreditnachfrage bleibt niedrig und damit gelangt das zusätzliche Zentralbankgeld derzeit nicht in den weiteren Wirtschaftskreislauf. Mit anderen Worten - gerade der deflationäre Charakter von Finanzkrisen erlaubt es den Notenbanken, so aggressiv vorzugehen.
Also, wie weit können die Zentralbanken ihre Bilanzen aufblähen? Rein technisch betrachtet gibt es laut Morgan Stanley überhaupt kein Limit nach oben. Letztendlich handele es sich "ausschließlich um eine Frage des Vertrauens". Der Trick funktioniere aber nur so lange, wie der Privatsektor bereit sei, das von den Zentralbanken gedruckte Geld als Zahlungsmittel anzuerkennen. Sollten die Menschen allerdings anfangen, daran zu zweifeln, dass die Notenbanken eine Politik der Preisstabilität verfolgen, drohe dieses Vertrauen verloren zu gehen.
Noch ist dieser Moment nicht gekommen. Allerdings, schränken die Analysten selbst ein, "bewegen wir uns vermutlich in Richtung dieses Punktes". Morgan Stanley warnt auch davor, dass unser Verständnis der makroökonomischen Auswirkungen der Bilanzausweitungen der Zentralbanken nur unzureichend sei. Wir sind also alle Teil eines Experiments. Wie dieses ausgehen wird, wissen wir erst in vielen Jahren. Ironischerweise stellt gerade eine Genesung des Wirtschaftssystems eine Hauptgefahr für die Notenbanken dar.
Denn dann zöge die Nachfrage nach Krediten wieder an und somit käme der Liquiditätskreislauf wieder in Fahrt. Problematisch dabei ist, dass es den Zentralbanken viel schwerer fallen wird, ihre Bilanzen zu verschlanken als aufzublähen. "Ein Ausstieg wird sich für die Zentralbanken über Jahre hinziehen", sagt Morgan Stanley. Denn Asset-Verkäufe aus der Bilanz "müssten mit allergrößter Vorsicht getätigt werden" - sonst drohen die Zentralbanken die Erholung selbst zu untergraben.
Auch dürfte die Risikoaversion der Notenbanker dazu führen, dass sie "zu wenig zu spät" agieren werden. "Das ist einer der Gründe, warum wir uns langfristig Sorgen über Inflation machen", sagt Morgan Stanley. Die Kritiker könnten also doch noch recht behalten.
-Von Manuel Priego-Thimmel, Dow Jones Newswires; +49 (0)69 29 725 218, manuel.priego-thimmel@dowjones.com DJG/mpt/hru/raz/flf (END) Dow Jones Newswires
February 09, 2012 07:57 ET (12:57 GMT)
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