ZERO WINTERDEAL 2025: Bis zu 300 € Prämie + Gratis-Aktie + finanzen.net MSCI World-ETF - Jetzt informieren!
Drei Fragen an

Chefvolkswirt Allgeier: "Ein Double Dip ist ein mögliches Szenario"

08.09.10 17:00 Uhr

Burkhard Allgeier, Chefvolkswirt von Hauck & Aufhäuser, hält einen Rückfall in die Rezession für möglich. Mit welchen Investments Anleger auch in diesem Szenario noch Gewinne machen können.

von Silke Kampmann, Euro am Sonntag online

Herr Allgeier, die Konjunkturdaten, vor allem die aus den USA, sind eher enttäuschend. Halten Sie einen Double Dip, also ein Wiederkehren der Rezession, für ein mögliches Szenario?
Einen Double Dip erlebten die Vereinigten Staaten bislang nur einmal, nämlich während der Rezession von 1980/82. Damals waren die massiven Zinsanhebungen der Notenbank der wesentliche Auslöser für die zweite Rezession innerhalb kurzer Zeit. Auch heute ist ein Double Dip ein mögliches Szenario. Ich würde ihm eine Wahrscheinlichkeit von einem Drittel zubilligen, Tendenz sogar steigend. Denn das Wachstum in den USA, in den letzten vier Quartalen zusammen genommen rund 3 ¼ Prozent, ging zu knapp zwei Prozent auf das Auffüllen der zuvor geräumten Lager zurück. Ein knappes Prozent an Wachstum dürften die staatlichen Ausgabenprogramme beigesteuert haben. Der Lagerzyklus ist allerdings so gut wie abgeschlossen, und die Fiskalimpulse laufen bald aus. Es ist äußerst fraglich, ob dann der Konsum und die Investitionen genügend Kraft entfalten, um diese Lücke zu schließen. Gelingt das nicht, fallen die Vereinigten Staaten in der Tat in eine erneute Rezession zurück.
Unglücklicherweise wird die Ausgabenlaune der Amerikaner derzeit durch mehrere Dinge getrübt. So ist die Verschuldung der privaten Haushalte immer noch zu hoch und muss weiter reduziert werden. Die Arbeitslosenrate liegt bei knapp unter zehn Prozent und eine Entspannung am Arbeitsmarkt ist nicht in Sicht, von Lohnzuwächsen ganz zu schweigen. Hinzu kommt, dass bislang jeder Aufschwung in den Vereinigten Staaten begleitet war von einer dynamischen Investitionstätigkeit, insbesondere die Bautätigkeit belebte sich stets rege. Genau das ist heute jedoch kaum zu erwarten. Selbst wenn ein Double Dip verhindert werden kann, die wirtschaftliche Dynamik wird bei weitem nicht so schwungvoll sein wie es in der Vergangenheit nach der Überwindung einer Rezession üblich war. Die US-Konjunktur ist wie ein Fahrradfahrer, der an Geschwindigkeit verliert: fährt er noch langsamer, droht er umzukippen.

Wer­bung

Was bedeutet das für Preisniveau? Könnte uns eine Deflation drohen?
Kühlt sich die Konjunktur weiter ab, sind die Folgen für die Inflation eindeutig. Die Teuerungsraten gehen dann weiter zurück. Da die Kerninflationsraten (Verbraucherpreise ohne Energie und Lebensmittel) ohnehin schon bei nur einem Prozent liegen, ist die Gefahr groß, dass sie auf die Nulllinie und darunter zurück gehen. Mit negativen Inflationsraten wäre man dann tatsächlich in der Deflation angelangt.
Die Preisentwicklung kann zudem sehr abrupt verlaufen. Je mehr die Inflationsraten sich zurückziehen, umso wahrscheinlicher ist es, dass Konsumenten und Investoren ihre Ausgabenpläne in der Erwartung weiter fallender Preise zurückstellen. Die Nachfrage geht zurück, die Produktion schrumpft, die Preise fallen weiter – eine Abwärtsspirale setzt sich in Gang. Vieles hängt also von den Erwartungen der Wirtschaftsteilnehmer in Bezug auf die künftige Geldentwertung ab. Noch sind die Inflationserwartungen auf mittlere Sicht gesehen mit einem Prozent bis 1,5 Prozent in positivem Terrain, aber sie sind zuletzt gesunken.

Sollte sich die wirtschaftliche Situation tatsächlich wieder verschlechtern, wie sollen Anleger reagieren? Staatsanleihen sind wenig rentierlich, gerade mit Blick auf eine mögliche Deflation, Aktien wären in dem Fall aber riskant...
Eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation würde die Notenbanken zwingen, die Leitzinsen unverändert auf dem erreichten niedrigen Stand zu belassen. Wahrscheinlich würden sie sich außerdem gezwungen sehen, ihre „unorthodoxe“ Politik fortzuführen oder gar zu verstärken. Das hieße, dass zum Beispiel weitere Wertpapierkäufe durchgeführt würden, um das Zinsniveau am Kapitalmarkt nach unten zu drücken. Die Kurse von Staatsanleihen würden steigen, ihre Renditen fallen.
Allerdings träfe das nur für die als „sicher“ erachteten Emittenten wie Deutschland, Schweiz oder USA zu. Andere Staaten mit ohnehin bereits hoher Verschuldung kämen bei einem erneuten heftigen wirtschaftlichen Abschwung in arge Bedrängnis. Sehr bald würde für Länder wie Griechenland, Spanien oder Irland deren Bonität hinterfragt werden. Somit wären ähnliche Entwicklungen wie im Frühjahr zu befürchten, als die Kurse solcher Staatsanleihen massiv unter Druck gerieten. In einem solchen Szenario würde auch der Euro Federn lassen. Mit anderen Hart-Währungen wären dagegen Gewinne möglich. Hierzu zählen der Schweizer Franken oder beispielsweise skandinavische Währungen oder solche aus den rohstoffreichen Ländern.
Unter Renditeaspekten am besten wären Anleger mit Anleihen von finanzstarken Unternehmen bedient. Denn ein Konjunkturabschwung würde zunächst zu Lasten der Aktionäre gehen, Gläubiger müssten „nur“ den Zahlungsausfall ihres Unternehmens fürchten. Bei guter Selektion kann dies jedoch vermieden werden. Unternehmensanleihen (Corporate Bonds) bieten heute immer noch ordentliche Renditevorteile. Neu emittierte Anleihen deutscher Emittenten im Hochzinsbereich (High Yield) haben Kupons von bis zu acht Prozent.
Ein scharfer wirtschaftlicher Abschwung würde die Gewinne der Unternehmen belasten. Verluste an den Aktienmärkten wären die Folge. Insbesondere die stark konjunkturabhängigen Aktien wie etwa aus der Investitiongsgüterindustrie würden erheblich zu leiden haben. Besser weg kämen in diesem Fall „defensive“ Aktien und Sektoren, also die weniger konjunktursensitiven Werte. Verluste würden sich aber auch hier kaum vermeiden lassen. Gefährdet waren überdies Aktien von Unternehmen mit hoher nomineller Verschuldung, denn bei rückläufigen Inflationsraten erhöht sich der reale Wert des Fremdkapitals. Den besten Schutz würden wahrscheinlich Aktien aus den Emerging Markets bieten. Vor allem aus solchen Ländern mit einer robusten Binnenkonjunktur, wo die Anfälligkeit gegen konjunkturelle Probleme in der entwickelten Welt gering ist. Rohstoffe sollten ebenfalls gemieden werden. Typischerweise zeigen Industriemetalle und Energie einen hohen Gleichlauf mit der wirtschaftlichen Entwicklung. Eine Ausnahme könnten Edelmetalle – insbesondere Gold – bieten. Wenn Aktien und Anleihen als nicht besonders ertragreich angesehen werden, könnte der Anlagenotstand „Fluchtbewegungen“ in Edelmetalle freisetzen.
Alles in allem lässt sich festhalten, dass schlechter werdende wirtschaftliche Zeiten die Erträge auf den Kapitalmärkten eng begrenzen. Man würde sich in einer „Welt der kleinen Zahlen“ wiederfinden.

Burkhard Allgeier ist Chefvolkswirt und Teamleiter des Investment-Research bei der Privatbank Hauck & Aufhäuser Privatbankiers KGaA.