Enttäuschende Zahlen

Gerresheimer: Der Placebo-Effekt

16.10.14 17:00 Uhr

Gerresheimer: Der Placebo-Effekt | finanzen.net

Eine scharfe Korrektur folgt enttäuschenden Zahlen. Verliert die MDAX-Aktie ihren Favoriten-Status?

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von Florian Westermann, Euro am Sonntag

Die erfolgsverwöhnten Aktionäre des Verpackungsspezialisten Gerresheimer mussten in der vergangenen Handelswoche eine bittere Pille schlucken. "Wir sind im dritten Quartal solide gewachsen, wenn auch etwas langsamer als ursprünglich angenommen", sagte Konzernchef Uwe Röhrhoff bei der Vorstellung der Geschäftszahlen. Umsatz und operativer Gewinn zogen leicht an, verfehlten aber die Prognosen des Marktes.

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Noch schwerer wiegt der leicht gesenkte Ausblick. Für das laufende Gesamtjahr erwartet der langjährige Gerresheimer-Chef nunmehr ein Umsatzplus von rund vier Prozent zu konstanten Wechselkursen. Zuvor hatte der Hersteller von Spezialverpackungen für die Pharma- und Kosmetikindustrie ein Wachstum von vier bis sechs Prozent in Aussicht gestellt. Beim bereinigten operativen Gewinn rechnet Röhrhoff mit einem Ertrag zwischen 255 und 258 Millionen Euro. Bislang lag die Spanne bei 250 bis 265 Millionen Euro.

Die Verfehlungen gleichen zwar eher einem leichten Sommerschnupfen als einer ausgewachsenen Grippe, dennoch entfaltete die Pille ihre volle Wirkung. Zahlreiche Analysten senkten ihre Einschätzung für die Aktie des MDAX-Konzerns, die sich in den vergangenen drei Jahren verdoppelt hatte. Unmittelbar nach Bekanntgabe der Zahlen brachen die Titel um fast fünf Prozent ein. Im ­Anschluss setzte die Aktie die Talfahrt ungebremst fort. Vom Ende September markierten Allzeithoch ging es um rund ein Fünftel nach unten. In die Favoritenrolle schlüpfte Gerresheimer vor fünf Jahren, weil der Konzern als Zulieferer für die Medizin- und Pharmabranche von Konjunkturschwankungen kaum berührt wird - nach der Finanzkrise war das für viele Anleger eine willkommene Beruhigungspille im Depot.

Probleme in den USA
Ein Grund für die schleppenden Geschäfte sind nun die schwelende Ukraine-Krise und die gegen Russland verhängten Sanktionen, die das Geschäft in Osteuropa beeinträchtigen. Außerdem läuft es für die Düsseldorfer in den USA nicht mehr so rund wie gewohnt. Das ist ein Problem für die Rheinländer, schließlich erzielt der US-Marktführer für standardisierte Glasverpackungen wie Injektionsfläschchen, Ampullen oder Gläser für Pharmazeutika rund ein Fünftel seiner Erlöse in der weltgrößten Volkswirtschaft. Röhrhoff verwies auf Großkunden aus der Pharmabranche, die ihre Bestände reduziert und ihre Produktion verringert oder gar vorübergehend eingestellt haben, um Auflagen der US-Arzneimittelbehörde FDA zu erfüllen.

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Trotz der Baustellen ist Röhrhoff zuversichtlich, dass sich das Geschäft in den USA bald wieder normalisiert. Schon in zwei bis drei Quartalen könne der Konzern in dem wichtigen Auslandsmarkt wieder auf den Wachstumspfad zurückkehren.

Für das Geschäftsjahr 2015 stellt Finanzchef Rainer Beaujean für den Konzern zwar vorerst nur ein organisches Umsatzplus zwischen einem und drei Prozent in Aussicht, mittelfristig - zwischen 2016 und 2018 - sollen die Erlöse im Durchschnitt aber um vier bis sechs Prozent steigen. Gleichzeitig soll die bereinigte operative Marge von zuletzt gut 19 Prozent auf bis zu 21 Prozent verbessert werden.

Röhrhoffs Patentrezept: "Wir werden in den Erfolg versprechenden Pharma­märkten wachsen, entwickeln innovative Produkte zur sicheren und einfachen Verabreichung von Medikamenten und expandieren mit lokaler Produktion in den wichtigsten Schwellenländern", sagt der Manager.

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Weltweit nehmen chronische Krankheiten wie Asthma und Diabetes zu. In Schwellenländern steigt die Zahl derer, die sich moderne Medikamente leisten können. Gleichzeitig gewinnt die Selbstmedikation an Bedeutung. Auch kommen immer mehr Biotechmedikamente auf den Markt, die besondere Anforderungen an Verabreichung und Verpackung stellen. Es sind Trends, die Röhrhoff auf lange Sicht allesamt in die Hände spielen. Die bittere Pille der Gewinnwarnung könnte sich am Ende als harmloses Placebo herausstellen.

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Bildquellen: Gerresheimer

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