HRE-Milliarden

Fehlbuchung von 55,5 Milliarden Euro hat ein Nachspiel

30.10.11 17:33 Uhr

Eine der größten Buchungspannen aller Zeiten senkt die deutsche Staatsverschuldung um 55,5 Milliarden Euro, sie wird aber für die verstaatlichte Hypo Real Estate ein Nachspiel haben.

Vorstände der HRE und ihrer Bad Bank sollten bei Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zum Rapport erscheinen, berichtete der "Spiegel". Die Bank-Verantwortlichen sollten zudem dem Finanzausschuss des Bundestags Rede und Antwort stehen, betonte der CSU-Politiker Hans Michelbach am Sonntag. Es sei ein "unfassbarer Fehler".

Wer­bung

 

    Der Milliardenbetrag war durch fehlerhafte Buchungen seit dem vergangenen Jahr bei der HRE-Bad Bank, die FMS Wertmanagement heißt, entstanden. 2010 beliefen sich diese auf 24,5 Milliarden Euro, 2011 auf 31 Milliarden Euro, teilte das Finanzministerium mit.

 

    Das Ganze war erst jetzt aufgefallen und wurde Anfang Oktober dem Ministerium gemeldet. Im Prinzip wurden im Computersystem Addieren und Subtrahieren verwechselt, so wurden etwa steigende Kursgewinne bei Papieren als Verlust verbucht. Der Fehler führt zu dem positiven Effekt, dass die zuviel verbuchten 55,5 Milliarden Euro die deutschen Staatsschulden mit einem Schlag um 2,6 Prozentpunkte auf 81,1 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung fallen lassen.

 

    Dennoch überwiegt der Ärger. "Ich erwarte von der Führung der Bank im Bundestagsfinanzausschuss eine lückenlose Aufklärung dieses unfassbaren Fehlers von mehr als 55 Milliarden Euro bei der Abwicklung der Hypo Real Estate", sagte der Unions-Finanzexperte Michelbach. Bankintern müssten Konsequenzen gezogen werden. "Das schließt personelle Konsequenzen ausdrücklich ein." Zum Vergleich: Die zuviel verbuchte Summe entspricht etwas mehr als einem Viertel der 211 Milliarden Euro, die Deutschland zum Euro-Rettungsfonds EFSF beisteuert und ist etwa das Doppelte der Neuverschuldung 2011.

Wer­bung

 

    Da die Finanzierung der Bad Bank über einen Sonderhaushalt geführt wird, hat die Panne keinen Einfluss auf den Bundeshaushalt, hier wird für das laufende Jahr eine Neuverschuldung von unter 30 Milliarden Euro erwartet. Daran ändert sich nichts. Der Sonderhaushalt finanziert sich selbst und beschafft sich notfalls Kredite.

 

    Möglich ist aber, dass nun insgesamt die Belastungen durch die HRE und ihre Bad Ban FMS Wertmanagement, in die 2010 Giftpapiere in Höhe von 175 Milliarden Euro ausgelagert worden waren, am Ende geringer ausfällt. Allerdings könnte es sein, dass der Bund schon in Kürze wieder einige Milliarden zuschießen muss, da die Bad Bank griechische Anleihen im Wert von 7,2 Milliarden Euro hält. Im schlimmsten Fall müsste sie die Hälfte davon abschreiben.

 

    Mit dem neuen Schuldenstand liegt Deutschland immer noch weit über den Maastricht-Kriterien für Euro-Staaten von 60 Prozent Verschuldung gemessen an der eigenen Wirtschaftsleistung. "Ungeachtet der noch zu klärenden Ursachen für diese Korrektur begrüßt die Bundesregierung grundsätzlich jede Reduzierung des Maastricht-Schuldenstandes", betonte das Haus von Finanzminister Schäuble.

Wer­bung

 

    Die SPD dringt auf lückenlose Aufklärung durch Schäuble. "Das ist kein Betrag, den die schwäbische Hausfrau in einer Keksdose versteckt und vergisst", sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Schäuble sei für die Bank verantwortlich. "Der unbefangene Beobachter gewinnt den Eindruck, dass das Finanzministerium angesichts immer neuer Rettungspläne völlig die Übersicht verloren hat."

 

    Auch Grüne und Linke forderte Aufklärung, Linke-Fraktionsvize Ulrich Maurer sprach von einem "weiteren Glied in einer langen Kette finanzpolitischer Fehlleistungen der Bundesregierung". Der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick betonte: "Wenn eine Fehlbuchung in dieser Größe vorkommen kann, zeigt das, dass offenbar niemand einen wirklichen Überblick über diese riesigen Wertpapierbestände hat und jederzeit auch Überraschungen in die andere Richtung auftauchen können. Das macht mir Sorgen." Man brauche einen Finanzmarkt mit kleineren Instituten, "in denen Vorstände wieder einen Überblick haben über das, was sie in ihren Büchern haben".
BERLIN (dpa-AFX)