Fidelity-Kolumne

Behavioural Finance - Die Macht des Primings

03.12.12 12:26 Uhr

Wenn Sie eine Fernsehwerbung für einen schönen, sonnigen Strand sehen, könnte es passieren, dass Sie noch am selben Tag ein Reisebüro aufsuchen, ohne genau darüber nachzudenken, warum.

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von Andreas Feiden, Geschäftsführer Fidelity für das Privatkundengeschäft in Deutschland

Sie haben es wahrscheinlich gar nicht gemerkt, aber die Werbung hat Sie empfänglicher für den Entschluss gemacht, ein Reisebüro zu betreten. Werbung hat schon immer darauf abgezielt, diese Neigung bei unserer Entscheidungsfindung auszunutzen – und zwar über etwas, das sich Priming nennt. Beim Priming werden Sie einem Reiz ausgesetzt, der Ihre Reaktion auf einen späteren Reiz beeinflusst. Diese Reize können gesprochene oder geschriebene Wörter, Bilder oder sogar Gerüche sein.

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Dieser Effekt wurde zum ersten Mal von Verhaltenspsychologen bei Untersuchungen mit Wortfragmentierungen entdeckt. Wenn Sie beispielsweise mit dem Wort „ESSEN“ konfrontiert wurden (oder mit Bildern von Nahrungsmitteln), ist es wahrscheinlicher, dass Sie das Fragment B_OT als BROT und nicht als BOOT vervollständigen. Das Gegenteil wäre der Fall, wenn Sie zuerst das Wort „FAHRZEUGE“ gelesen hätten. ESSEN sendet Reize für BROT und FAHRZEUGE für BOOT. Priming findet eher im Unterbewusstsein statt und wird nicht bewusst wahrgenommen oder aus dem Gedächtnis abgerufen. Die Versuchspersonen wissen also nicht unbedingt, warum sie mit BROT geantwortet haben. Wenn sie darauf angesprochen werden, werden sie sogar häufig andere Gründe angeben, warum sie ein spezielles Wort gewählt haben.

Die Auswirkungen von Priming können überraschend groß sein. Ein berühmtes Experiment von John Bargh zeigte, dass Priming sogar signifikante physiologische Effekte haben kann. Als Psychologieprofessor an der Universität von Yale führte Bargh ein Experiment durch, bei dem die Versuchspersonen mit Wörtern gereizt wurden, die sich auf die Stereotypen von älteren Menschen bezogen (Wörter wie „vergesslich“, „grau“ und „Runzeln“). Ziel des Experiments war zu messen, wie schnell die Versuchspersonen nach dem Test den Flur entlanggingen. Unglaublicherweise gingen diejenigen, die mit Wörtern in Bezug auf ältere Menschen gereizt wurden, nach dem Test viel langsamer als diejenigen, die neutralen Reizen ausgesetzt waren. In einem ähnlichen Experiment nutzten die Teilnehmer, die mit Wörtern wie „fit“, „aktiv“ und „athletisch“ gereizt wurden, deutlich eher die Treppe als den Aufzug.

Andreas Feiden
Experimente legen ebenfalls dar, dass Menschen wohlwollend auf Wörter und Ideen reagieren, denen sie wiederholt ausgesetzt sind. Auf Anleger hat das hat erhebliche Auswirkungen in einem Zeitalter, in dem es unzählige Anlagemöglichkeiten gibt und die „Stories“, die die Märkte antreiben, ein Eigenleben zu haben scheinen. Da wir gegenüber Priming so empfänglich sind, sollten wir vorsichtig sein und uns nicht zu Sklaven dieser Stories machen. Zum einen wird der Nachrichtenfluss in der Regel erste eine Weile später wieder positiv, als zu dem Zeitpunkt, wenn die Märkte historisch gesehen ihren Tiefpunkt haben. Das macht es für Anleger umso schwerer, da sie ja in den vorangegangenen Monaten täglich damit konfrontiert wurden, wie unwiederbringlich schlecht die Zeiten geworden sind. Unter solchen Umständen legt uns Priming nahe, dass wir nicht investieren sollten – trotz der Tatsache, dass die Aktienkurse auf attraktive Niveaus gesunken sind und sich eine konträre Sichtweise auszahlen könnte.
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Priming hat gute und schlechte Auswirkungen auf Anleger. Wenn wir damit beginnen, uns mit Kapitalanlagen zu beschäftigen und den monetären Reizen der Finanzmärkte ausgesetzt werden, haben wir eventuell den positiven Wunsch, unabhängiger zu werden. Diese Unabhängigkeit bringt jedoch menschliche Emotionen wie Gier und Ängste und eine komplette Bandbreite an kognitiven Neigungen mit sich. Wie Value-Investor Benjamin Graham in den 1930er Jahren zum ersten Mal feststellte: „Das Hauptproblem des Anlegers – und sogar sein größter Feind – ist vermutlich er selbst.“

Was können wir also dagegen tun? Eine Lösung ist, als Schutz vor verhaltensbezogenen Neigungen einer strikten Anlagestrategie zu folgen. Wenn man einen Investmentansatz konsequent einhält (oder einen Fondsmanager engagiert, der das tut), kann man bei Anlageentscheidungen die Emotionen leichter ausblenden. Heutzutage ist es üblich, Sportler darüber sprechen zu hören, dass „Prozesse wichtiger sind als Ergebnisse“. Sie möchten verhindern, dass sie von Ereignissen eingeschüchtert werden, indem sie sich auf die Wiederholbarkeit von Prozessen konzentrieren, die sie durch Training verinnerlicht haben.

Die gleiche Haltung zahlt sich auch stark bei der Geldanlage aus. Indem sie sich auf einen Prozess konzentrieren – beispielsweise auf eine Anlage in kleinere Unternehmen, aber nur zu attraktiven Bewertungen, oder eine Investition in größere Unternehmen, die nachhaltige oder steigende Dividenden zahlen -, können Anleger an einem System festhalten, das die Empfänglichkeit für Priming und zahlreiche andere Fallstricke bei der Entscheidungsfindung begrenzt, in denen sich unerfahrenere Anleger häufig verheddern.

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