Stahlkonzerne fahren an

ThyssenKrupp & Co: Wieder schwarze Zahlen im Fokus

02.06.15 16:00 Uhr

ThyssenKrupp & Co: Wieder schwarze Zahlen im Fokus | finanzen.net

Über Jahre schrieben ThyssenKrupp & Co Milliardenverluste. Das Schlimmste hat die Branche dank harter Sparmaßnahmen hinter sich. Für Entlastung könnte auch die EU sorgen.

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von Stephan Bauer, €uro am Sonntag

Der Job galt als schwierigster im gesamten DAX. Vor gut vier Jahren trat Heinrich Hiesinger als Vorstandschef bei ThyssenKrupp an. Der heikelste Teil der Mission des Schwaben scheint inzwischen erfüllt: Der größte deutsche Stahlhersteller, zugleich im Anlagen- und Maschinenbau aktiv, hat die Zeit akuter finanzieller Bedrängnis beendet. Nach Jahren mit Milliardenverlusten schafften die Essener im vergangenen Geschäftsjahr den Sprung in die schwarzen ­Zahlen. Und soeben hob Chef Hiesinger die Gewinnprognose für die laufende Periode an.

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Wie fragil das Geschäft trotz des Aufwärtstrends immer noch ist, zeigt indes ein Blick in die Bilanz: Die Eigenkapitalquote liegt unter acht Prozent - und ist damit so niedrig, wie bei keinem anderen DAX-Unternehmen. Von Januar bis März haben die Essener weiter Geld im operativen Geschäft verbrannt, also mehr investiert und ausgegeben, als sie einnahmen. Als Mindestmarke für den operativen Gewinn hat Hiesinger zwei Milliarden Euro ausgegeben, um finanziell wieder stabil zu werden. Im Geschäftsjahr bis Ende September sollen es 1,6 bis 1,7 Milliarden werden.

Metallenes Kartenhaus

Der DAX-Konzern ist ein spezieller Fall: In Amerika versenkte ThyssenKrupp mit desaströsen Stahlprojekten Unsummen, seit der Krise 2009 fielen fast neun Milliarden Euro Verlust an. Hiesinger weiß nur zu gut: Ein Konjunkturabschwung würde das hochzyklische Stahlgeschäft hart treffen - und könnte den gesamten Konzern erneut in Schwierigkeiten bringen. "Sollte es mit der Branche erneut nach unten gehen, ist das Eigenkapital ruckzuck weg", sagt Carsten Riek, Branchenexperte bei der Schweizer Bank UBS.

Zum Glück für Hiesinger und seine Mannschaft sieht es derzeit nicht nach Krise aus, auch wenn das Umfeld in der Stahlindustrie nach wie vor alles andere als rosig ist. Das Problem der Stahlkocher: Die Branche leidet unter weltweiten Überkapazitäten. Vor allem chinesische Schmelzen überschwemmen den europäischen Markt mit billigem Stahl. Laut Branchenverband Eurofer hat China noch im ersten Quartal die Exporte nach Europa deutlich gesteigert.
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Die schiere Masse drückt schon geraume Weile auf die Preise, vor allem auf jene billiger Qualität, etwa im Bau­stahlbereich. Experten sehen indes die Chance, dass der Druck nachlassen könnte, weil sich die Europäer neuerdings gegen die asiatische Importflut wehren. Bestimmte Edelstahlbleche aus China werden seit einigen Wochen mit Strafzöllen durch die EU-Kommission belegt. Die Maßnahmen könnten auf ­andere Qualitäten ausgeweitet werden. "Trotz des schwachen Euro, Kapazitätsschließungen und großer Sparanstrengungen stehen die europäischen Anbieter noch immer unter hohem Druck. Weitere Sanktionen zum Schutz der strategisch wichtigen Branche sind daher wahrscheinlich", sagt Analyst Riek.

Entlastung spüren die Stahlkocher schon jetzt an anderer Stelle: beim Einkauf. Die Preise für den wichtigsten Rohstoff, Eisenerz, sind in den vergangenen Monaten regelrecht eingebrochen. Der Grund: Große Produzenten wie der britisch-australische Bergbaukonzern Rio Tinto, Rivale BHP Billiton oder die brasilianische Vale produzieren auf Teufel komm raus, um kleinere Anbieter aus dem Markt zu drängen. Derzeit gibt es keine Anzeichen, dass die Riesen den Verdrängungswettbewerb stoppen. Zugleich lässt der Rohstoffhunger des weltweit größten Verbrauchers, China, wegen der gedämpften Konjunktur nach. Erzeuger kaufen die Tonne Erz deshalb für 60 Dollar ein. Zum Vergleich: Seit 2010 lag der Durchschnittspreis deutlich über 100 Dollar.

Was integrierte Stahlkonzerne mit eigenen Erzminen wie den Weltmarktführer ArcelorMittal schmerzt, erfreut die meisten anderen Anbieter. Auch für Unternehmen wie ThyssenKrupp oder Salzgitter ist der Rückenwind von der Rohstoffseite spürbar. Die deutschen Produzenten haben sich vor allem auf hochwertige Bleche etwa für die Automobilindustrie spezialisiert. Trotz des weltweiten Booms in der Autobranche ist jedoch auch das High-End-Segment kein Selbstläufer.
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Zwar zogen die Absatzmengen zuletzt spürbar an. ThyssenKrupp etwa lieferte von Januar bis März fast 25 Prozent mehr Stahl aus als im Vorquartal. Die Profitabilität lässt jedoch noch zu wünschen übrig. Zwischen 50 und 70 Euro operativem Gewinn wirft die Tonne derzeit ab - vor drei Jahren waren es um die 100 Euro. Ein Grund: Die Kunden, große Autokonzerne wie Europas Nummer 1, Volkswagen, kennen die günstigen Einkaufskonditionen ihrer Zulieferer nur allzu gut - und bestehen bei den Preisverhandlungen auf Nachlässen.

Hoffnung auf höhere Auslastung

Aussicht auf höhere Margen gibt es für die Hütten nur, wenn die Auslastung der Hochöfen steigt. Weil die Kunden dann beginnen, um das knapper werdende Angebot zu feilschen. Derzeit liegt die Auslastung der Produktionskapazitäten knapp unter 80 Prozent. Es ist eine Marke, die in der Branche als kritische Schwelle gilt. Steigt die Auslastung, gewinnen die Hütten an Verhandlungsmacht gegenüber den Kunden, und es sind höhere Gewinne drin. "Ich rechne damit, dass die Auslastung auch wegen Anti-Dumpingmaßnahmen der EU künftig ansteigt", sagt Experte Riek. Auch deshalb sollten die Stahlpreise in der zweiten Jahreshälfte anziehen.

Die Aussicht auf Besserung ist da - dennoch müssen die Stahlkocher ­weiter eisenhart sparen. ThyssenKrupp-Chef Hiesinger strich in der Sparte "Steel Europe" rund 2000 Stellen, teils durch Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 31 Stunden. Nur deshalb wies der Bereich zuletzt einen unerwartet hohen operativen Gewinn aus.

Bei der deutschen Nummer 2, Salzgitter, fällt alles ein wenig bescheidener aus - Sparmaßnahmen wie Verluste. Seit der Krise 2009 schrieben die Niedersachsen, die beim Umsatz auf ein knappes Viertel des Wertes von ThyssenKrupp kommen, rund 1,3 Milliarden Euro Defizit. Noch 2013 versenkte der Konzern fast eine halbe Milliarde Euro.

Chef Heinz Jörg Fuhrmann schmelzt, wie sein Pendant Hiesinger, fleißig die Kosten. Das laufende Sparpaket soll 200 Millionen Ergebnisverbesserung bringen. "Es ist noch eine harte Wegstrecke", sagte Fuhrmann auf der Hauptversammlung am Donnerstag. Gewinne will der Chef 2015 aber schreiben.

Investor-Info

ThyssenKrupp
Heiße Legierung
Der DAX-Konzern erzielt rund ein Viertel des Umsatzes mit Stahlproduktion, weitere 29 Prozent kommen aus dem Stahlhandel. Vor allem die Herstellung erholte sich zuletzt. Ertragreicher sind bislang die Maschinenbausparten, am profitabelsten ist das Aufzugsgeschäft. Die Aktie profitiert von der Aussicht auf steigende Stahlgewinne. Anleger müssen sich im Klaren sein, dass der Konzern bilan­ziell sehr schwach aufgestellt ist. DAX-Investment nur für spekulative Investoren.

Salzgitter
Schweres Metall
Mehrmals wurden die Niedersachsen in der Restrukturierung zurückgeworfen. Zuerst verursachte die niedersächsische Schmelze Peine Träger Probleme, dann der Baustahlspezialist Hoesch Spundwand und Profil (HSP). Inzwischen scheinen die Baustellen im Griff, im laufenden Jahr soll es schwarze Zahlen geben. Von einer Erholung in der Branche profitiert der fast reine Stahlhersteller stärker als ThyssenKrupp. Spekulativ.

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Bildquellen: SARIN KUNTHONG / Shutterstock.com, Oliver Hoffmann / Shutterstock.com

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