Notenbanker warnen vor Folgen ihrer Geldpolitik
Drei führende Geldpolitiker haben vor einer Reihe von Risiken gewarnt, die mit der Politik des lockeren Geldes einhergehen. Darunter auch der ehemalige Chef der EZB.
Die Chefs der japanischen Notenbank und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, Masaaki Shirakawa und Jaime Caruana, sowie der frühere EZB-Chef Jean-Claude Trichet nahmen insbesondere Banken und Regierungen ins Visier. Sie fürchten, dass die niedrigen Zinsen diese davon abhalten könnten, nach Jahren enormer Kreditaufnahme die Reform ihrer Haushalte zu versäumen.
"Aggressive geldpolitische Lockerung ist nach dem Platzen von Blasen unbedingt nötig, aber ihre Nebenwirkungen und ihre Grenzen müssen in Betracht gezogen werden", sagte Shirakawa während einer von der US-Notenbank organisierten Konferenz in Washington. Auf der Veranstaltung sollten die weitreichenden Herausforderungen diskutiert werden, denen die Zentralbanken im Zuge der Finanzkrise ausgesetzt sind.
Besonderes Gewicht haben die Aussagen, da die großen Notenbanken der Welt zuletzt einen neuen Anlauf genommen haben, um mit einer Politik des leichten Geldes die Finanzmärkte zu stabilisieren und das Wirtschaftswachstum anzukurbeln.
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So ist die Federal Reserve gerade dabei, für 400 Milliarden US-Dollar langlaufende Staatsanleihen zu kaufen und dafür kurzfristige abzustoßen. Die Europäische Zentralbank hat eine Billion Euro zum Niedrigzins für drei Jahre an die Banken der Eurozone verliehen, um deren Kapitalbedarf zu stillen. Und die Bank of Japan hat ihre Käufe von Staatsanleihen kräftig aufgestockt, um die Zinsen niedrig zu halten.
Auf verschiedene Art und Weise soll damit erreicht werden, dass die Probleme der Banken gelindert und durch langfristig niedrige Zinsen die Ausgaben von Unternehmen und Verbrauchern angekurbelt werden. Die anwesenden Notenbanker gaben sich auf der Konferenz bezüglich ihrer nächsten Schritte zwar verschlossen, aber der zurückhaltende Ton ihrer Äußerungen war bemerkenswert.
Shirakawa schöpfte wie so oft bei solchen Gelegenheiten aus der langjährigen Erfahrung der Japaner mit niedrigen Zinsen und schleppendem Wirtschaftswachstum: "Auch mit einer lockeren Geldpolitik erhöhen die überschuldeten Unternehmen und Verbraucher weder ihre Ausgaben noch gehen sie mehr Risiko ein, bis ihre Schulden auf ein geeignetes Niveau gesunken sind", sagte er. Niedrigzinsen machten die Schuldenlast zwar erträglich, aber sie minderten auch den Anreiz für Unternehmen und Regierungen zur Rückzahlung, warnte er. Zudem bestehe die Gefahr steigender Rohstoffpreise.
Trichet lobte die Dreijahrestender der EZB als "völlig berechtigtes" Programm, das bei der Vermeidung neuer Schockwellen im globalen Finanzsystem eine "entscheidende Rolle" spiele. Mit den Krediten sollen die Banken ihren Kapitalbedarf für lange Zeit decken können; die Gefahr einer Destabilisierung im Fall eines plötzlichen Geldabzugs gemindert werden. Normalerweise geben die Zentralbanken den privaten Geldhäusern nur für einen Tag Kredit.
Der frühere EZB-Chef stellte seine Zustimmung zu den außergewöhnlichen Maßnahmen aber unter den Vorbehalt bestimmter Bedingungen. So müssten Banken und Staaten wissen, dass sie nicht den Vorteil niedriger Zinsen genießen könnten und darüber nötige Maßnahmen wie die Aufnahme neuen Kapitals vermeiden. Das Programm der EZB erfülle diese Bedingungen, erklärte er.
Caruana, der Chef der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), äußerte sich ziemlich offen. "Es ist wichtig, die Grenzen dieser Politik anzuerkennen", sagte er mit Blick auf die Anstrengungen der Notenbanken, die Zinsen zu senken. Diese könnten !Zeitverschwendung erleichtern", indem sie Unternehmen die verzögerte Verbuchung von Verlusten ermögliche und auch eine neue Periode überzogener Risikofreude einläuten könnten, sagte er.
Die BIZ gilt als Zentralbank der Zentralbanken und spielt eine Schlüsselrolle bei der internationalen Regulierung des Bankwesens. Caruanas Aussagen sind auch insofern bemerkenswert, weil es BIZ-Analysen waren, in denen schon vor der Finanzkrise von 2008 vor zu hohen Risiken im Finanzsystem gewarnt wurde.
Am Rande der Konferenz gestanden Teilnehmer die Gefahren der lockeren Geldpolitik ein. Sie wiesen aber auch darauf hin, dass Untätigkeit ebenfalls ernsthafte Konsequenzen hätte, wenn sich die Rezession vertiefen, die Arbeitslosigkeit erhöhen und die Fähigkeit der Banken zur Kreditvergabe vermindern würde.
Die US-Notenbank, deren Chef Ben Bernanke den Vortragenden in der ersten Reihe lauschte, hatte das zweitägige Treffen zu Ehren ihres früheren Vizepräsidenten Donald Kohn veranstaltet. Viele der Teilnehmer erinnerten während der Veranstaltung an seine Worte: Notenbanker bräuchten eine gewisse Bescheidenheit darin, was sie wüssten und was sie tun könnten.
Mervyn King, Gouverneur der Bank of England, zeigte sich während einer Diskussion über die von der Notenbank gewünschte Regulierungsmacht ziemlich bescheiden. "Wir wissen absolut nichts darüber, wie diese Instrumente wirken", sagte er. "Es ist sehr wichtig, dass wir sie vorsichtig einsetzen".
WASHINGTON (Dow Jones)