Euro am Sonntag-Einschätzung

Spanien nach der Wahl: Verlockend für Anleger

06.11.16 16:00 Uhr

Spanien nach der Wahl: Verlockend für Anleger | finanzen.net

Die Aussicht auf ein Ende des politischen Patts in Madrid motiviert Investoren jetzt zum Kauf. Allerdings sind die Perspektiven nicht auf Dauer rosig.

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von Jörg Billina, Euro am Sonntag

Wenn nicht noch etwas ­Überraschendes passiert, bleibt Spaniens Bürgern eine dritte Parlamentswahl innerhalb nur eines Jahres erspart. Die Parteispitze der PSOE hat ihre Blockadehaltung aufgegeben. Die Fraktionsmitglieder sind gehalten, bei der für diesen Samstag angesetzten zweiten Runde der Vertrauensabstimmung im Parlament sich der Stimme zu enthalten. Die dann mit relativer Mehrheit gewählte Minderheitsregierung von Premierminister Mariano Rajoy wollen sie bis auf Weiteres tolerieren.
Hätten die Sozialisten ihren Kurs fortgesetzt, wäre König Felipe VI. gezwungen gewesen, am 31. Oktober Neuwahlen auszurufen. So aber kann die Koalition aus Partido Popular (PP) und der bürgerlichen Ciudadanos die Arbeit aufnehmen.

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In Brüssel und in Berlin ist man über die jüngste Entwicklung hoch erfreut. Die bereits mit vielen Krisen belastete EU will ein politisch stabiles Spanien. Nicht zuletzt gilt die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone als Musterschüler der Austeritätspolitik. Als Rajoy und die PP von 2011 bis 2015 allein regierten, setzten sie die Auflagen von EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds größtenteils um. 2013 konnte Spanien den Rettungsschirm verlassen. Die Wirtschaft erholte sich. In diesem und im kommenden Jahr wird das Brutto­inlandsprodukt um rund drei Prozent zulegen. Kein anderes Mitglied der Eurozone wächst stärker.

Wirtschaftsfreundlicher Kurs

Eine wieder handlungsfähige Regierung in Madrid lockt die Anleger aus der Reserve. Spaniens Leitindex erreichte vergangene Woche ein neues Drei-Monats-Hoch. Dank der Erholung weist der Leitindex IBEX 35 seit Jahresanfang nun nur noch ein kleines Minus auf. Gut möglich also, dass Spaniens Börse das Jahr mit einem Plus abschließt.

Die Wiederaufnahme einer weitgehend wirtschaftsfreundlichen Politik weckt jedenfalls Kursfantasien. PP und Ciudadanos wollen durch Investitionen in die Bildung die Wettbewerbsfähigkeit spanischer Arbeitnehmer stärken. Auch Körperschaftsteuer und Kündigungsschutz will die Regierung reformieren. Vordringlich aber muss sie den Haushalt für 2017 verabschieden. Auf ihn wartet auch die EU-Kommission. Sie möchte wissen, wie Madrid die Neuverschuldung abbauen will. Trotz brummender Konjunktur prognostizieren Experten nämlich ein Defizit von 3,6 Prozent, das sind 0,5 Prozentpunkte mehr als mit Brüssel vereinbart. Im Juni hatte die EU noch auf eine Strafzahlung verzichtet. Angesichts der daran geübten Kritik ist es fraglich, ob sie erneut bereit ist, die im Stabilitätspakt bei Verstößen eigentlich vorgesehenen Sanktionen nicht anzuwenden.

Um das Haushaltsziel zu erreichen, müssen jedoch aller Voraussicht nach soziale Leistungen weiter gekürzt werden. Für Rajoy ist das riskant. Die bisher schon auferlegten sozialen Härten und die mit 19,5 Prozent nach Griechenland zweithöchste Arbeitslosenrate in der Eurozone sind Grund für das Erstarken der linkspopulistischen Podemos-Partei. Deren Chef Pablo Iglesias macht sich unter anderem für ein Grundeinkommen für sozial schwache Familien stark und fordert zudem eine Restrukturierung der Staatsschulden.
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Die Sorge der Anleger: Nimmt Rajoy weitere Einschnitte vor, die aufgrund der Enthaltung der PSOE durchs Parlament kommen, dürfte Podemos weiter an Zustimmung gewinnen. In Umfragen liegt die Partei bereits vor den Sozialisten. Sollte die keineswegs geschlossen agierende PSOE die Tolerierung Rajoys wieder aufgeben und es kommt doch noch zu Neuwahlen, droht Spanien erneut ein politisches Patt. Völlig auszuschließen wäre aber auch eine Koalition aus Podemos und PSOE nicht.

Abschreckendes Beispiel Portugal

Einem solchen Regierungsbündnis dürften die Investoren mit ähnlich großer Skepsis begegnen wie der Linksregierung in Portugal. Diese ist vom Sparkurs der Vorgängerregierung abgewichen und hat unter anderem Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst wieder zurückgenommen, obwohl der Staat mit über 128 Prozent des Bruttoinlands­produkts verschuldet ist. Die Ratingagenturen S & P, Moody’s und Fitch beurteilen die Bonität daher mit "Ramsch". Lediglich die kanadische Agentur DBRS stuft Portugal noch mit Investment Grade ein - und nur deshalb kann die EZB weiterhin portugiesische Staatsanleihen erwerben. Sollte jedoch 2017 auch DBRS seine Einschätzung revidieren, droht Portugal, die Unterstützung der Notenbank zu verlieren. Die Refinanzierungssätze dürften dann in die Höhe schnellen. Das würde die Wirtschaft schwer treffen.

Eine solche Entwicklung will Rajoy in Spanien unbedingt verhindern, doch das wird ein schwieriger Balanceakt. ­Einerseits muss er den Anforderungen Brüssels genügen, andererseits darf er auch die sozialen Empfindlichkeiten der PSOE nicht überstrapazieren.

Hoffnungen auf eine Jahresendrally in Madrid sind berechtigt, auf einen nachhaltigen Kursaufschwung aber nicht. Denn auf Rajoy wartet eine weitere schwere Herausforderung. Bis zum Sommer will Katalonien ein unabhängiger Bundesstaat sein. Madrid lehnt dies ab, die spanische Verfassung erlaubt weder eine Abspaltung einer Region noch die Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums. Eine Eskalation des Konflikts ist nicht auszuschließen. Spätestens dann aber werden die Notierungen an der Börse in Madrid wieder heftig schwanken.
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Investor-Info

Amundi ETF MSCI Spain
Rückenwind

Mit dem von Amundi aufgelegten ETF partizipieren Anleger an der Wertentwicklung des MSCI Spain. Der Index deckt rund 85 Prozent des gesamten spanischen Aktienuniversums ab. Mit 35 Prozent ist die Finanzbranche am höchsten gewichtet. Versorger bringen es auf knapp 18, Konsumwerte auf zehn Prozent. Zu den Top-Ten-Titeln zählen Banco Santander, Iberdrola und Abertis Infraestructuras. Seit Jahresanfang bringt es der ETF auf 1,2 Prozent. Hohe Wachstumsraten und wirtschaftsfreundliche Entscheidungen sollten zunächst für weiteren Rückenwind sorgen. Im kommenden Jahr müssen sich Investoren jedoch wieder auf erhöhte Volatilität einstellen.

Bildquellen: Alexander Mak / Shutterstock.com, Pitcha T. / Shutterstock.com

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