Brüchige Bande

03.07.25 10:45 Uhr

Eine der wichtigsten geopolitischen Entwicklungen der vergangenen Jahre ist die immer intensivere Zusammenarbeit zwischen autoritären Staaten in aller Welt. China und Russland sind wirtschaftlich und politisch sehr viel näher zusammengerückt. So hilft Peking etwa Moskau beim Umgehen der nach dem Einmarsch in die Ukraine verhängten Sanktionen. Die Länder sind die beiden Zentren einer weltumspannenden Achse der Autoritären, zu der auch Nordkorea, Iran und weitere autokratische Staaten gehören.Kooperationsgrundlage dieser Achse sind aber weder gemeinsame Werte noch eine gemeinsame Ideologie, sondern die jeweils eigenen Interessen und die einmütige Abneigung gegen die USA und ihre Verbündeten. China kauft nicht deshalb iranisches Öl und hilft dem venezolanischen Diktator Nicolás Maduro, an der Macht zu bleiben, weil es hofft, auf diesem Weg Xi Jinpings Gedankengut zu verbreiten. China handelt als Gönner und Förderer, weil es eine Koalition als Gegengewicht zum Westen schmieden will. Anders als die Allianzen der Sowjetära benötigen autoritäre Staaten heute keine ideologische Klammer mehr: Es reicht, wenn sie einander helfen, Sanktionen zu umgehen, militärische Unterstützung leisten und diplomatisch an einem Strang ziehen – alles mit dem Ziel, ein Gegengewicht zum Westen zu schaffen.Im Ukrainekrieg sind mehrere Länder, die zur Achse der Autoritären zählen, direkt auf dem Schlachtfeld präsent. Russland hat in der Ukraine seit Kriegsbeginn mehr als 8 000 vom Iran-entwickelte Shahed-Kamikaze-Drohnen eingesetzt. Nordkorea beliefert Russland mit Millionen Artilleriegeschossen, ballistischen Raketen und stellt sogar 12 000 Soldaten zur Verfügung. China versorgt Russland zwar nicht direkt mit Rüstungsgütern, aber liefert unter Umgehung der Sanktionen Dual-Use-Technologien, Halbleiter, Werkzeugmaschinen und andere Ausrüstungsgüter sowie Satellitenbilder.Diese Beziehungen sind jedoch durchweg transaktional. Mit anderen Worten: Die gegenseitige Unterstützung, die diese Staaten sich gegenseitig leisten, ist klar begrenzt. Ein markantes und typisches Beispiel aus der jüngsten Zeit ist Russlands und Chinas lasche Reaktion auf den gemeinsamen Angriff Israels und der USA gegen das iranische Atomprogramm. Im Januar unterzeichneten Russland und Iran ein Abkommen über eine strategische Partnerschaft, das diverse Formen der militärischen Zusammenarbeit von gemeinsamen Übungen bis zu technischer Hilfestellung beinhaltet. Doch obwohl der Iran Russland bei seinen Kriegsaktivitäten unterstützt, ließ Moskau Teheran im Stich, als das Land von der israelischen Luftwaffe bombardiert wurde und seine nukleare Infrastruktur, Militäranlagen und Regierungsgebäude massiv beschädigt sowie führende Militärs getötet wurden. Wladimir Putin ignorierte Teherans Bitten um neue Luftabwehrsysteme als Ersatz für jene, die Israel Anfang des Jahres zerstört hatte. Während iranische Städte von Kampfjets verwüstet wurden, agierte Russland nicht wie ein Verbündeter, sondern wie ein Vermittler.Es ist nicht das erste Mal, dass Putin einen Verbündeten in verzweifelter Lage im Regen stehen lässt.Es ist nicht das erste Mal, dass Putin einen Verbündeten in verzweifelter Lage im Regen stehen lässt. Als im vergangenen Jahr der Zusammenbruch des syrischen Regimes ins Haus stand, beschränkte Russland sich darauf, Baschar al-Assad und seiner Familie Asyl zu bieten. Assads Sturz war auch für die iranische Führung, deren „Ring of Fire“ von Stellvertretern in der Region – allen voran Hamas und Hisbollah – von Israel gerade systematisch eliminiert wird, eine herbe strategische Niederlage. Die ausbleibende Unterstützung ist ein sehr deutliches Signal an Russlands Freunde in aller Welt: Wenn es hart auf hart kommt, ist auf Moskau kein Verlass.Ein ähnliches Muster zeigt sich auch bei China. Peking hat in den vergangenen Jahren ebenso wie Russland engere Bande mit dem Iran geknüpft und 2021 zum Beispiel ein Abkommen über wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit mit dem Land unterzeichnet. Anfang des Jahres führten China, Russland und der Iran gemeinsame Militärmanöver durch. In chinesischen Staatsmedien wird behauptet, dass „der Iran eine engere Zusammenarbeit mit China anstrebt, um der Hegemonie und dem Unilateralismus der USA entgegenzutreten.“ Chinas eigene Bereitschaft, „der Hegemonie der USA entgegenzutreten“, ging allerdings nicht so weit, dass es dem Iran Schutz geboten hätte, als die USA seine Nuklearanlagen bombardierte.Der Wirtschaftswissenschaftler Tino Sanandaji von der Stockholm School of Economics konstatiert: Russland und China „nutzen die Isolation des Iran aus, um an billige Rohstoffe zu kommen, und verkaufen dem Land zweitklassiges militärisches Gerät zu überteuerten Preisen, wobei die versprochenen Ausrüstungen manchmal gar nicht geliefert werden“. Die Beziehungen seien kurzfristig und beliebig – und die Gefahr, dass die Partner sich abwenden, sobald es erste Anzeichen für Schwierigkeiten gebe, sei hoch.Eine weitere Erkenntnis aus dem Iran-Israel-Krieg ist, dass Allianzen zwischen Demokratien weitaus tragfähiger sind als zwischen Diktaturen. Im Unterschied zu dem Transaktionalismus, der zwischen autoritären Staaten herrscht, regen liberale Demokratien zur Solidarität an. Nach Russlands Einmarsch in die Ukraine unterstützten die USA und ihre europäischen Verbündeten Kiew nicht einfach nur, um einen geopolitischen Sieg einzufahren. Sie standen der Ukraine bei, weil dort ein ebenfalls demokratisch regiertes Land von einer imperialistischen Diktatur belagert wird.Obwohl es anfangs nicht danach aussah, als könnte die Ukraine der russischen Kriegsmaschinerie erfolgreich die Stirn bieten, begriffen demokratische Staats- und Regierungschefs in aller Welt, dass dieser Krieg eine Front im Kampf gegen den weltweiten Autoritarismus ist. Heute sind nicht einmal 20 Prozent der Ukraine unter russischer Kontrolle und in dem erbitterten, fast dreieinhalbjährigen Zermürbungskrieg blieb diese Zahl weitgehend unverändert. Inzwischen ist der Wunsch der Ukraine, demokratischen Institutionen wie der EU und NATO beizutreten, stärker als jemals zuvor.Trump sollte sich die Lektion zu Herzen nehmen, welche die iranische Führung gerade auf die harte Tour lernen musste.Mit seiner Entscheidung, sich den israelischen Luftangriffen auf den Iran anzuschließen, trug Donald Trump auf der einen Seite dazu bei, der Welt vor Augen zu führen, wie schwach die Bindungen innerhalb der Achse der Autoritären sind. Auf der anderen Seite setzen die USA sich mit ihrer sonstigen Außenpolitik der gleichen Kritik aus. In den ersten Monaten seiner zweiten Amtszeit versuchte Trump, die Ukraine zur Zustimmung zu einer desaströsen Einigung mit Russland zu zwingen, die bedeutet hätte, dass Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer dauerhaft unter russischer Besatzung hätten leben müssen.Statt sich einzugestehen, dass Putin an Frieden kein Interesse hat – Russlands Präsident hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass sein zentrales Kriegsziel die restlose Vernichtung der ukrainischen Souveränität ist –, will Trump sich in diesem Konflikt ganz aus der Verantwortung ziehen. Ähnlich wie Russland und China in den Beziehungen zu ihren Vasallenstaaten ist Trump dabei, das ehemals stabile und verlässliche Engagement der USA für die Ukraine durch ein transaktionales Verhältnis zu ersetzen.Jeder Staat handelt aus seinen eigenen Interessen heraus, aber die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten haben über 80 Jahre eine freiheitliche internationale Ordnung aufgebaut, deren Dreh- und Angelpunkte die Demokratie, die Rechte des Einzelnen und das Rechtsstaatsprinzip sind. Liberale Demokratien haben Vertrauen zueinander, weil sie offene Gesellschaften sind, in denen das Führungspersonal Rechenschaft ablegen muss, in denen die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen auf transparenten und durchsetzbaren Regeln basieren und die Rechte der Bürgerinnen und Bürger geachtet werden. Liberale Demokratien haben ein Bewusstsein dafür, wie wichtig es ist, demokratische Normen in der ganzen Welt zu wahren und zu verhindern, dass autoritäre Staaten diese Normen mit Füßen treten.Doch auch wenn die Vereinigten Staaten kürzlich im Iran Stärke demonstriert haben, bleibt Trump auch weiterhin einer Außenpolitik nach dem Prinzip „America First“ verpflichtet, die ein Abbild des autoritären Transaktionalismus ist und ihn gerade nicht infrage stellt. Trump will eine ähnliche Welt schaffen wie jenes anarchische System der Großmachtrivalitäten, das Russland und China derzeit wiederherzustellen versuchen. Er will nicht durch die Vorstellung einer regelbasierten internationalen Ordnung eingeengt werden, sondern will die Freiheit haben, Dänemark damit zu drohen, dass er Grönland unter seine Kontrolle bringen wird, oder sich den Panamakanal „zurückzuholen“. Er will zudem im eigenen Land unumschränkt autoritär regieren und amerikanische Verbündete fallenlassen können, wann immer es ihm beliebt.Trump sollte sich die Lektion zu Herzen nehmen, welche die iranische Führung gerade auf die harte Tour lernen musste: Demokratische Allianzen sind weitaus tragfähiger als die opportunistischen Bande zwischen autoritären Staaten. Nie war es so wichtig wie heute, der Achse der Autoritären entgegenzutreten. Umso tragischer ist, dass ausgerechnet die mächtigste Demokratie der Welt gerade jetzt von einem Autoritären aus den eigenen Reihen regiert wird.Dieser Artikel erschien zuerst im US-Onlinemagazin Persuasion.Aus dem Englischen von Andreas BredenfeldWeiter zum vollständigen Artikel bei IPG Journal

Quelle: IPG Journal