„Die Zwei-Staaten-Lösung ist und bleibt der einzige Weg“

30.06.25 14:33 Uhr

Die Fragen stellte Philipp Kauppert.Lassen Sie uns mit der Lage im Nahen Osten nach der jüngsten militärischen Eskalation beginnen. Der Krieg zwischen Israel und Iran war kurz, aber heftig. Wie beurteilen Sie die darauffolgende Waffenruhe? Und können Sie nachvollziehen, dass Israel alles daransetzt, einen nuklear bewaffneten Iran zu verhindern?Nein, das ist für mich nicht nachvollziehbar. Israel ist selbst eine Atommacht. Warum sollte es sich beklagen, wenn andere dieselbe Fähigkeit erreichen – zumal es hier um zivile Nutzung geht? Diese Logik ist widersprüchlich und ehrlich gesagt schwer zu verstehen.Glauben Sie, dass die Waffenruhe anhalten wird? Was erwarten Sie jetzt?Ich hoffe, dass es nicht bloß Wunschdenken ist, aber ich glaube, der Krieg hat ein einzigartiges Moment geschaffen. Die israelische Militäroperation war wirkungslos – sie hat weder Iran besiegt, noch dessen Nuklearprogramm zerstört, das Regime gestürzt oder das iranische Volk eingeschüchtert. Der einzige „Erfolg“ war die gezielte Tötung einzelner Personen – aber das ist kein strategischer Sieg.Nicht Israel oder Iran, sondern die USA sind die eigentlichen Gewinner.Erst durch das Eingreifen der USA ist etwas Substanzielles passiert. Deshalb sage ich: Nicht Israel oder Iran, sondern die USA sind die eigentlichen Gewinner. Iran wiederum behauptet, sein Atomprogramm sei nicht zerstört worden. Vielleicht verzögert – aber es besteht weiterhin.Was bedeutet das für Israel?Israel hat sein Ziel verfehlt. Und selbst der begrenzte Erfolg war nur durch das Eingreifen der USA möglich. Das wirft eine neue Frage auf: Wenn all das unternommen wurde, um ein nukleares Iran zu verhindern – was ist dann mit Israels bestehenden nuklearen Fähigkeiten? Warum wird das nicht infrage gestellt? Warum ist es akzeptabel, dass ein Staat in der Region Atomwaffen besitzt?Lassen Sie uns über Gaza sprechen. Erst kürzlich kamen Hunderte Menschen bei der Ausgabe von Lebensmitteln ums Leben. Wie bewerten Sie die humanitäre Lage?Das ist ein Verbrechen, ganz klar. Ältere Menschen, Kinder, ganze Familien gehen hinaus, um irgendetwas Essbares zu finden – und werden getötet. Sie haben niemanden angegriffen. Sie suchten nur nach Nahrung. Das ist kriminelles Verhalten, und die Welt sollte es auch so benennen.Welche Auswirkungen hat das auf Ägypten – vor allem, falls sich die Lage in Gaza weiter verschärfen sollte?Ägyptens Haltung war von Anfang an klar: Wir werden uns an keinem Plan beteiligen, der die Vertreibung von Palästinensern aus Gaza oder anderen besetzten Gebieten vorsieht. Das ist nicht unsere Rolle, und wir akzeptieren es nicht. Wenn das Argument lautet, Gaza sei überbevölkert – warum verlegt man die Menschen dann nicht in die Negev-Wüste? Auch das ist ein leerer Landstrich, und historisch palästinensisches Gebiet. Warum soll ausgerechnet der Sinai Ägyptens herhalten? Wir unterstützen keine Pläne, die das palästinensische Volk vertreiben und damit die Palästinafrage auslöschen wollen. Und ich glaube nicht, dass irgendein Land das akzeptieren würde – außer ein paar wenigen. Und ich denke, Sie wissen, wen ich meine.Könnte diese Situation das Friedensabkommen zwischen Ägypten und Israel gefährden?Nein. Der Vertrag besteht weiterhin und wird davon nicht berührt. Aber das heißt nicht, dass wir Israels Politik gutheißen. Wir als ägyptisches Volk lehnen das Vorgehen Israels in Gaza entschieden ab. Vor allem die Tötung von Zivilisten, die nur versuchen zu überleben. Das ist inakzeptabel und muss verurteilt werden.Mehr als 30 Jahre nach Oslo meinen manche, eine Zwei-Staaten-Lösung sei heute weiter entfernt denn je. Stimmen Sie dem zu?Nein, das sehe ich nicht so. Ich lehne hingegen die Vorstellung ab, dass die Zwei-Staaten-Lösung unmöglich sei. Ein palästinensischer Staat bleibt ein realistisches Ziel – innerhalb der Grenzen von 1967. Illegale Handlungen Israels dürfen nicht den Ausschlag geben. Nur rechtliche Grundlagen – UN-Resolutionen, ausgehandelte Abkommen – dürfen das tun.Die Zwei-Staaten-Lösung ist und bleibt der einzige Weg, diesen historischen Konflikt zu lösen. Israel hat Palästinenser und Palästinenserinnen aus ihren Häusern vertrieben, sie in Zelte gezwungen und fragt nun: „Wohin sollen sie gehen?“ Die Logik ist verdreht. Die Siedler – viele von ihnen sind erst vor kurzem gekommen und leben in illegalen Siedlungen – werden nicht infrage gestellt. Aber Menschen, die seit Generationen dort leben, sollen einfach verschwinden?Einige argumentieren, es gebe einen Generationenkonflikt: Ältere Palästinenser halten an der Zwei-Staaten-Lösung fest, während viele junge sie ablehnen. Was sagen Sie dazu?Wenn die junge Generation eine andere Vision hat, sollten wir ihr offen gegenüberstehen. Aber solange es keine klare Alternative gibt, bleibt die Zwei-Staaten-Lösung der einzig gangbare Weg. Sie ist möglich, lassen Sie sich nichts anderes einreden. Es braucht nur politischen Willen und Gerechtigkeit.Es braucht einen historischen Kompromiss – mit Zugeständnissen auf beiden Seiten.Bestimmte Strömungen der zionistischen Bewegung in Israel versuchen der Welt einzureden, dass eine Lösung unmöglich sei. Ich sage: Die Lösung ist möglich. Menschen, die erst seit wenigen Jahren dort leben, können nicht Vorrang haben vor denen, die seit Jahrhunderten dort leben. Es braucht einen historischen Kompromiss – mit Zugeständnissen auf beiden Seiten. Wenn die derzeitige israelische Regierung dazu nicht bereit ist, dann vielleicht eine künftige.Welche Rolle können Deutschland und die EU in diesem Zusammenhang spielen? In den letzten Monaten schienen sie außen vor, während die USA dominierten.Das stimmt, und es hat Gründe. Einer davon sind doppelte Standards. Der Westen hat geschwiegen, als Israel versuchte, die Palästinafrage auszulöschen. Man hat nichts gesagt. Man hat es so weit kommen lassen. Und dann geschah der 7. Oktober. Das war keine Überraschung. Es war die Folge von jahrelanger Verleugnung und Schweigen. Heute ist die Illusion zerplatzt, man könne das palästinensische Volk dauerhaft unterdrücken. Wenn diese Illusion weiterbesteht, erleben wir nicht nur einen 7. Oktober, sondern auch einen 8., einen 9. und so weiter. Das dürfen wir nicht zulassen. Die Gewalt muss aufhören, der Frieden muss siegen.Was sollte Deutschland konkret tun?Deutschland ist ein wohlhabendes Land, eine wichtige Macht und führend in Europa. Wir erwarten, dass es seiner Verantwortung in dieser Rolle gerecht wird. Es muss für Ausgewogenheit eintreten, nicht für einseitige Unterstützung. Ein lebensfähiger palästinensischer Staat – nicht nur ein symbolischer – ist unerlässlich. Ein lebensfähiger Staat wird auch ein verantwortungsvoller Staat sein. Ein nicht lebensfähiger führt zu mehr Chaos.Wir brauchen Frieden – aber Frieden, der auf Gerechtigkeit beruht. Machen wir uns nichts vor: Wenn Israel weiterhin auf die Kapitulation der anderen Seite setzt, ist das eine Illusion. Es wird keine Kapitulation geben. Die Zeit ist reif für ein normales Leben – nicht eines, das von Besatzung, Angst und Gewaltspiralen bestimmt wird.Weiter zum vollständigen Artikel bei IPG Journal Weiter zum vollständigen Artikel bei IPG Journal

Quelle: IPG Journal