Fragiler Deal

20.05.25 08:00 Uhr

Das Weiße Haus hat letzte Woche angekündigt, dass die USA und China ihre im April gegeneinander verhängten Einfuhrzölle angesichts weiterer Verhandlungen über ein Handelsabkommen vorübergehend aussetzen oder aufheben werden. Obwohl diese Ankündigung eine langersehnte Erleichterung für die Unternehmen darstellt und das Vertrauen der Märkte gestärkt hat, wären die Anleger gut beraten, ihren Enthusiasmus zu zügeln.Aufgrund seiner Erfahrungen in der Wirtschaft nutzt Trump die Zölle als Verhandlungsmasse und scheint überzeugt, dass eine aggressive Eskalation die Handelspartner der USA zu erheblichen Zugeständnissen zwingen und ihn in die Lage versetzen werde, einen großen politischen Sieg zu verkünden. Ein Handelsabkommen auszuhandeln, ist jedoch nicht dasselbe wie der Abschluss eines Immobiliengeschäfts. Der Prozess ist langsamer, unübersichtlicher und weitaus folgenreicher.Dies gilt insbesondere für Verhandlungen der USA mit China, das nicht nur über eine riesige Volkswirtschaft (und damit über ein beträchtliches Druckmittel) verfügt, sondern auch ein starkes Interesse daran hat, Zugeständnisse zu verweigern, da ein Nachgeben gegenüber Trumps Forderungen den Nationalstolz untergraben und eine innenpolitische Gegenreaktion auslösen könnte. Und obwohl Trump schon viele zweifelhafte „Siege“ verkündet hat, wäre es für ihn schwierig, einen Erfolg in seinem Handelskrieg mit China zu verkünden, wenn er einfach nachgeben würde. Ein chinesisches Sprichwort besagt: „Wenn man einmal auf einem Tiger reitet, ist es schwierig, wieder abzusteigen.“Ein Handelsabkommen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt wäre schwer auszuarbeiten und fast unmöglich durchzusetzen. Das haben wir 2018/19 deutlich gesehen. Obwohl die USA und China im April 2019 eine grundsätzliche Einigung erzielten, scheiterten die Verhandlungen letztlich an Differenzen über die konkreten Bedingungen. Während die USA einen starren, 150-seitigen Vertrag mit im Rahmen von Chinas nationaler Gesetzgebung umzusetzenden festgelegten Rechtsreformen forderten, strebte China einen flexibleren, prinzipiengestützten Rahmen an, der durch weniger sichtbare Regulierungsmaßnahmen umgesetzt werden könnte.Tatsächlich hat Trumps Handelskrieg den globalen Lieferketten bereits nachhaltigen Schaden zugefügt.Und dann ist da das Problem mit der Durchsetzung. Als die USA und China im Januar 2020 ihr „Phase 1“-Handelsabkommen unterzeichneten, erklärte Trump dies zu einem historischen Sieg und verwies dabei – neben weiteren chinesischen Zugeständnissen – auf Chinas Zusage, seine Käufe von US-Waren und -Dienstleistungen über einen Zeitraum von zwei Jahren um 200 Milliarden Dollar zu erhöhen. Doch im Gegensatz zu typischen Handelsabkommen enthielt die Vereinbarung keinen neutralen externen Durchsetzungsmechanismus. Sie war auch insofern nicht selbstregulierend, als beide Parteien es als vorteilhafter ansahen, sie einzuhalten, als sie nicht einzuhalten. Als China also seine Abnahmeziele nicht einhielt, hatten die USA – damals unter der Führung von Präsident Joe Biden – kaum eine Handhabe.Heute hat China, insbesondere angesichts des von Trump gesäten enormen Misstrauens, selbst bei einer kurzfristigen Aufhebung der Zölle wenig Grund zu der Annahme, dass die USA ihre Verpflichtungen einhalten oder eine sinnvolle Durchsetzung anstreben werden. Letztlich dürfte jedes von den USA und China ausgehandelte Handelsabkommen brüchig, vom Umfang her begrenzt und scheiterungsanfällig sein. Unternehmen und Investoren sollten daher auf anhaltende Störungen in den globalen Lieferketten vorbereitet sein.Tatsächlich hat Trumps Handelskrieg den globalen Lieferketten bereits nachhaltigen Schaden zugefügt. Der Einzelhandel hat in aller Eile Bestellungen storniert, Hersteller und Händler haben sich beeilt, ihre Lagerbestände umzuleiten und aufzustocken, und die Unternehmen arbeiten in einem Klima erhöhter Unsicherheit. Es ist heute klarer denn je, dass kleine und kurzlebige Schwankungen unverhältnismäßige und langanhaltende Störungen verursachen können, was von Lieferkettenexperten als „Bullwhip-Effekt“ bezeichnet wird.Dieses Phänomen spiegelt sich in den Aussichten für das diesjährige Weihnachtsgeschäft wider. Wenn ein in China hergestelltes Spielzeug noch vor den Feiertagen in den USA in die Regale kommen soll, muss der Produktionsprozess bereits im März beginnen; um diese Zeit stellen die Spielzeughersteller die Produktentwürfe fertig und geben ihre Bestellungen auf. Die Produktion beginnt in der Regel im April, und im Juli werden die Waren dann verschifft, damit sie vor Herbst in den USA ankommen. Der Einzelhandel ist auf diesen langen, aber straff durchchoreografierten Zeitplan angewiesen, um die saisonale Nachfrage zu befriedigen.Die schwankenden Zölle bringen jede Phase dieses Prozesses durcheinander. Angesichts unvorhersehbarer Kosten zögert der Einzelhandel, Bestellungen aufzugeben, wodurch sich Produktion und Versand verzögern. Die Lieferanten stellen dann ihre Produktionslinien um, um eventuelle neue Geschäftschancen zu nutzen, so dass die Abschaffung der Zölle allein womöglich nicht ausreicht, um die Produktion wieder in Gang zu bringen. Selbst wenn die Abschaffung der Zölle die Nachfrage wieder ankurbeln sollte, bliebe die Angebotsverknappung bestehen und würde die Preise in die Höhe treiben – eine Möglichkeit, die Trump kürzlich bei einer Kabinettssitzung abschätzig eingeräumt hat.Erschwerend hinzu kommt, dass höhere Preise ein falsches Nachfragesignal an die Anbieter senden könnten, wodurch sich das langfristige Problem des Überangebots, das mit den Zöllen angegangen werden soll, noch verschärfen würde. Dieser Schwingungszyklus – ein Kennzeichen des Bullwhip-Effekts – führt zu anhaltender Instabilität. Schließlich ist es nicht der Durchschnitt, der einem Schaden zufügt, sondern die Volatilität. Eine Version dieser Dynamik haben wir während der Covid-19-Pandemie erlebt, als plötzliche Produktionsausfälle kaskadenartig Engpässe und Überangebote in den globalen Lieferketten auslösten, deren Auswirkungen jahrelang zu spüren waren. Der Unterschied heute besteht darin, dass die Turbulenzen nicht das Ergebnis einer Naturkatastrophe oder einer Krise im Bereich der öffentlichen Gesundheit sind, sondern das Ergebnis einer bewussten Politik.Unvorhersehbarkeit mag für Trump bei seinen persönlichen Geschäften gut gewesen sein, doch auf den globalen Handel angewandt führt sie zu gewaltigem Chaos, da Lieferketten von Transparenz und Sicherheit leben, nicht von Bluffs und plötzlichen politischen Kehrtwendungen. Die von Trumps Zöllen ausgelöste Störung wird nicht an der Börse Halt machen, sondern in Fabriken, Häfen und Geschäften auf der ganzen Welt nachhallen. Investoren, politische Entscheidungsträger und Verbraucher müssen die Folgen von Trumps Handeln erst noch vollständig aufarbeiten.© Project SyndicateAus dem Englischen von Jan DoolanWeiter zum vollständigen Artikel bei IPG Journal

Quelle: IPG Journal