Likes für Effizienz
Elon Musks Herangehensweise bezüglich des Departments of Government Efficiency (DOGE) ist typisch für das Silicon Valley: Mit einem kleinen Team und schnellen Eingriffen soll die US-Bürokratie im Hau-Ruck-Verfahren modernisiert, verschlankt oder gleich ganz abgeschafft werden. Die Website von DOGE spiegelt diesen Ansatz wider. Sie besteht aus einer langen Liste erledigter „Tasks“ und erinnert an Tools aus der agilen Softwareentwicklung wie Jira, in denen Aufgaben als digitale Häppchen („Tickets“) organisiert werden. Bei DOGE erscheinen diese praktischerweise gleich als Postings auf Musks eigener Plattform X. Trotz mancher Ungenauigkeiten mit seiner detaillierten Auflistung von Kürzungen kann DOGE durchaus neue Maßstäbe in Sachen staatlicher Transparenz setzen.Ein solches „Ticket“ vom 4. April 2025, das Bezug auf die allgemeine Dienstleistungsverwaltung nimmt, liest sich so: „Das IT-Team von @USGSA hat gerade 1 Million US-Dollar pro Jahr gespart, indem es 14 000 Magnetbänder (70 Jahre alte Technologie zur Informationsspeicherung) in dauerhafte moderne digitale Aufzeichnungen konvertiert hat.“ Diese Fortschrittsmeldung ist zunächst eine reine Behauptung, die sicherlich eine kritische Prüfung verlangt. Aber selbst, wenn sie nur halb wahr ist, zeigt sie zwei Dinge: Es wird ein reales Problem benannt und dafür eine schnelle Lösung präsentiert – und die Community kann unmittelbar kommentieren. So schreibt ein Nutzer: „Trotz ihres Alters sind Magnetbänder für die langfristige, statische Datenarchivierung nach wie vor äußerst beliebt – kosteneffizient, langlebig, offline-sicher und mit hoher Kapazität (bis zu 50 TB pro Band).“Die Ökonomin Mariana Mazzucato kritisiert, Musks Startup-Ansatz sei auf Regierungsinstitutionen nicht anwendbar. Startups hätten schnelle Iteration, technologische Disruption und Investorenrenditen im Fokus, während öffentliche Institutionen andere Ziele verfolgen. Sie empfiehlt, Regierungen sollten frühere Reformbemühungen evaluieren. Damit liegt sie nicht falsch, denn DOGEs Handeln entspringt oft einer libertären Lust an der Zerstörung öffentlicher Institutionen, befeuert Ressentiments und gefährdet Existenzen.Auch die Produkte von Startups müssen nicht nur technisch funktionieren, sondern auch regel- und gesetzeskonform sein.Allerdings müssen Startups und Tech-Unternehmen, um ihre Profitziele zu erreichen, zunächst neue Innovationen, funktionierende Produkte und erfolgreiche Applikationen auf den Markt bringen. Auch die Produkte von Startups müssen nicht nur technisch funktionieren, sondern auch regel- und gesetzeskonform sein. Jede neue App muss datenschutzkonform sein, jedes neue Auto muss verkehrssicher sein. Bei Tesla hieß es, den Autobau kann man nicht mit den Methoden aus der Digitalwirtschaft angehen, das müsse scheitern. Musk hat bei Tesla jedoch gezeigt, wie weit man mit einem agilen Ansatz kommt – nichts weniger als zum zwischenzeitlich größten, profitabelsten und am höchsten bewerteten Autohersteller. Dabei kamen Musk und seinen Mitstreitern deren Erfahrungen aus der Softwarebranche zugute.Ironischerweise empfiehlt Mazzucato staatlichen Institutionen, sich „die kontinuierliche Aktualisierung der Fähigkeiten, Organisationsstrukturen und Betriebsmodelle“ zu Herzen nehmen und sich auf „Experimentieren und iterative Problemlösung in der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen“ einzulassen. Zwei Maßnahmen, die direkt aus dem Playbook von Agilität und Startup-Kultur entstammen, und gerade nicht aus dem Methodenkatalog etablierter Institutionen.Die von Elon Musk geleitete Behörde für Verschlankung DOGE kündigte kürzlich an, einen Hackathon veranstalten zu wollen, bei dem die US-amerikanische Steuerbehörde IRS „gehackt“ werden soll. Hackathons, bei denen eine große Anzahl von Menschen gemeinsam an der Lösung eines Programmierproblems arbeitet, um quasi über Nacht lauffähige Prototypen zu generieren, ist eines der Lieblingsformate der Tech-Branche.Im Hau-Ruck-Verfahren soll eine einheitliche Software-Schnittstelle (API, application programming interface) aus der Taufe gehoben werden, die den Zugang zu sämtlichen Steuerdaten der US-Steuerbehörde IRS ermöglichen soll. Aktuell liegen diese fragmentiert auf diversen, teils Jahrzehnte alten Systemen.Eine solche API würde es auch ermöglichen, IRS-Daten mit Tools privater Firmen wie Palantir zu analysieren – ein Unternehmen von Trump-Unterstützer Peter Thiel. Palantir hat zwar die höchste Sicherheitsfreigabe des Federal Risk and Authorization Management Program erhalten. Datenschützer schlagen jedoch die Hände über dem Kopf zusammen, da sie eben diese Trennung in Datensilos und das Fehlen einer solchen Schnittstelle nach außen als Garanten für die Einhaltung von Datenschutzvorschriften ansehen.Modernisierung und digitale Transparenz haben direkte sozialpolitische Relevanz.Doch libertäre Kritik an Behörden wie der IRS kann auch eine progressive Antwort provozieren. Unübersichtliche Datensilos, undurchsichtige Prozesse, veraltete Software oder überlastetes Personal sind sicher kein Paradebeispiel für Institutionen, die Steuergerechtigkeit sowie einen sparsamen Umgang mit öffentlichen Geldern garantieren. Ein Beispiel aus Österreich zeigt das: 2024 sollte ein einkommensabhängiger Klimabonus ausgezahlt werden. Doch das Finanzministerium konnte die Haushaltszusammensetzung nicht ermitteln, weil rechtliche und technische Grundlagen zur Verknüpfung der Daten fehlten. So wurde der Bonus pauschal vergeben – auch an Besserverdienende.Das zeigt: Modernisierung und digitale Transparenz haben direkte sozialpolitische Relevanz. Veraltete IT ist ebenso wenig ein Garant für Gerechtigkeit wie deren radikale Abschaffung. Warum also nicht das Steuersystem vereinfachen und steuerpolitische Daten transparent machen?Dass auch die politische Rechte soziale Narrative besetzt, zeigt ein weiteres Beispiel: Das US-Verteidigungsministerium fiel zuletzt erneut durch die jährliche Haushaltsprüfung. Seit 2018 konnte es keine einzige vollständig nachweisbare Jahresbilanz vorlegen. Verteidigungsminister Pete Hegseth kündigte nun Einsparungen in Höhe von 5,1 Milliarden Dollar an: bei überdimensionierten Beraterverträgen, doppelten IT-Leistungen sowie Programmen zu Diversität, Klima und Gleichstellung. Während Letzteres klar ideologisch motiviert ist, trifft er bei den anderen Punkten einen Nerv: „Wir brauchen das Geld für eine bessere Gesundheitsversorgung für unsere Soldaten – nicht für 500-Dollar-Berater.“ Sicherlich ist diese Äußerung angesichts der Politik der Trump-Administration zynisch und heuchlerisch. Aber sie berührt einen wahren Kern: Viele Amerikanerinnen und Amerikaner fühlen sich nicht ausreichend von Staatsausgaben begünstigt.Die Bekämpfung der Verschwendung öffentlicher Mittel, intransparenter Strukturen, veralteter Technik und bürokratischer Starrheit – sollte das nicht eigentlich ein genuin linkes Anliegen sein? Und dementsprechend Transparenz und Effektivität linke Forderungen? Wenn die Linke auf brachiale Digital-Disruption mit der Verteidigung bestehender Institutionen, Prozesse und Infrastrukturen reagiert, bleibt sie strukturkonservativ und verpasst die Chance, der Kettensägen-Politik einen linken Modernisierungsentwurf entgegenzusetzen. Dass in Deutschland immer noch Fax-Geräte im Einsatz sind, die DOGE garantiert sofort abschaffen würde, mag wohl niemand ernsthaft verteidigen wollen.Sollte es bei uns bald ein Ministerium für Staatsmodernisierung geben, wäre es wünschenswert, wenn es sich an Prinzipien wie Agilität und Transparenz orientiert – und wenn das auch noch mit Zielen wie Inklusion, Gerechtigkeit und Nachvollziehbarkeit einhergeht, umso besser.Weiter zum vollständigen Artikel bei IPG Journal
Quelle: IPG Journal