Mit Bier gegen Populismus
Populisten gewinnen selten durch bessere Argumente. Vielmehr profitieren sie oft davon, dass ihre Gegner falsch reagieren. Wer Populisten angreift, stärkt sie nicht durch die Kraft des Gesagten, sondern durch die Stimmung, die dadurch entsteht. Entscheidend ist dabei nicht die Überzeugungskraft, sondern der psychologische Effekt eines inneren Widerstands, der in der Psychologie als Reaktanz bezeichnet wird.Der Psychologe Jack Brehm beschrieb diesen Effekt als eine innere Trotzreaktion. Menschen leisten Widerstand, wenn sie den Eindruck haben, bevormundet zu werden, oder wenn ihnen eine Haltung aufgezwungen wird. Selbst dann, wenn sie ursprünglich gar nicht anderer Meinung waren. Dieser Widerstand ist kein rationales Gegenargument, sondern ein emotionaler Abwehrreflex.Besonders ausgeprägt ist dieser Reflex, wenn Menschen das Gefühl haben, ihre Freiheit sei bedroht. Genau an diesem Punkt setzen viele populistische Bewegungen an. Sie präsentieren sich nicht nur als politische Alternative, sondern als Schutzraum vor Bevormundung. Je stärker der Eindruck, bewertet oder eingeschränkt zu werden, desto heftiger die Ablehnung. Inhalte verlieren an Bedeutung. Stattdessen dominiert das Bedürfnis nach Selbstbehauptung.Diese Dynamik zeigt sich nicht nur in der Politik, sondern auch im Konsum. In den USA riefen rechte Influencer zum Boykott von Bud Light auf, weil die Marke mit der Transfrau Dylan Mulvaney kooperiert hatte. Als sich Bud Light von der Aktion distanzierte, schlug die Stimmung um. Progressive wandten sich ab, konservative Gruppen griffen weiter demonstrativ zur Dose. Wer Bud Light kaufte, wollte ein Zeichen setzen. Gegen die Kritik und für ein bestimmtes Lebensgefühl.Ein ähnlicher Effekt zeigte sich beim Lebensmittelhersteller Goya. Nachdem dessen CEO Donald Trump gelobt hatte, folgte ein Boykott. Konservative Stimmen riefen daraufhin zum Kauf auf. Auch hier ging es nicht um Bohnen oder Gewürze, die das Unternehmen im Angebot hat, sondern um Identität, Abgrenzung und Zugehörigkeit.Das Gesetz wurde zum Symbol einer empfundenen Entmündigung.In Deutschland wiederum stieß die Debatte um das sogenannte Heizungsgesetz auf breite Ablehnung. Nicht wegen seiner Ziele, sondern aufgrund der damit verbundenen Kommunikation. Viele fühlten sich nicht als Teil eines Wandels, sondern als Ziel staatlicher Eingriffe. Das Gesetz wurde zum Symbol einer empfundenen Entmündigung. Produkte, Personen oder Gesetze werden so zu Stellvertretern größerer Konflikte. Was im Einkaufswagen liegt, ist eine Botschaft. Gekauft wird das Gefühl, sich nichts vorschreiben zu lassen.Generell gilt: Kritik, die moralisch aufgeladen ist, etwa in sozialen Netzwerken, verfehlt oft ihre Wirkung. Sie erzeugt keinen Konsens, sondern Gegendruck. Konsum wird politisiert, nicht aufgrund des Produkts selbst, sondern wegen des Signals, das damit verbunden ist.Was im Konsum sichtbar wird, gilt auch in der Politik. Wer Populisten laut widerspricht, macht sie hörbarer. Wer sie verspottet, macht sie glaubwürdiger. Politische Wirkung entsteht weniger durch Inhalte als durch das Gefühl, nicht gemeint zu sein.Dieser innere Widerstand entsteht dort, wo Menschen spüren, dass über sie gesprochen wird, aber nicht mit ihnen. Dieses Muster lässt sich in vielen Ländern beobachten. Populistische Bewegungen gewinnen dort an Boden, wo sich Teile der Gesellschaft ausgeschlossen oder abgewertet fühlen. Digitale Plattformen verstärken diesen Trend, weil sie Polarisierung belohnen, nicht Dialog.In Brasilien wurde Bolsonaro nicht trotz, sondern wegen seiner Grenzüberschreitungen gewählt. Seine Entgleisungen galten als Zeichen von Authentizität und Widerstand gegen eine als bevormundend empfundene Elite. Die Ablehnung durch das Establishment diente als Legitimation.Genau hier setzt die Idee der Zugehörigkeit an. Sie ist kein weiches Gegenmodell zur Polarisierung, sondern eine strategische Antwort. Menschen ändern ihre Meinung selten aufgrund von Fakten, sondern durch Beziehung. Wer sich gesehen fühlt, bleibt offen. Wer sich ausgegrenzt fühlt, verschließt sich.Entscheidend ist nicht, was sachlich korrekt ist, sondern was Anschluss ermöglicht.Der Kommunikations-Wissenschaftler Jan Niklas Kocks beschreibt in seinem Buch Vor-Herrschaft, dass sich politische Kommunikation heute nicht mehr nur durch Argumente durchsetzt, sondern durch Resonanz. Auch Hartmut Rosa betont, dass Bindung nicht durch Inhalte entsteht, sondern durch das Gefühl, mitgemeint zu sein. Entscheidend ist nicht, was sachlich korrekt ist, sondern was Anschluss ermöglicht. Wer wahrgenommen werden will, muss das Gefühl erzeugen, dass Menschen sich zugehörig fühlen können. Was zählt, ist der Ton – die Beziehungsebene, die Frage, wer sich angesprochen fühlt.Auch in der Wirtschaftskommunikation spielt dieser Trotzimpuls eine Rolle. Wer glaubt, mit klaren Anweisungen überzeugen zu können, erreicht oft das Gegenteil. Erfolgreiche Kommunikation basiert auf Einbindung und dem Gefühl, beteiligt zu sein. In der Wirtschaft spricht man davon, Betroffene zu Beteiligten zu machen. In der Politik ist das Teil demokratischer Kultur. Beide Felder zeigen, dass Zugehörigkeit Vertrauen schafft. Und Vertrauen ist die Grundlage für Veränderung.Dass Zugehörigkeit Vertrauen schafft, zeigen zwei Beispiele. In Mecklenburg-Vorpommern hat Patric Dahlemann als Staatssekretär für Vorpommern bewusst den direkten Austausch mit Menschen gesucht, die sich lange abgehängt fühlten. Statt auf große Ankündigungen setzte er auf persönliche Gespräche. Durch Nähe und Präsenz konnte er Vertrauen aufbauen.Im polnischen Wahlkampf 2023 setzte Donald Tusk auf seine „Bewegung der Millionen Herzen“. Die Kundgebungen zielten nicht auf Konfrontation, sondern auf Nähe. Menschen, die sich von der Regierung und den liberalen Eliten übergangen fühlten, fanden dort Resonanz. Diese Ansprache stellte emotionale Offenheit her und trug so zu seinem Wahlerfolg bei.Moralisch aufgeladene Sprache wirkt schnell belehrend.Drei Prinzipien helfen, diesen Widerstand zu vermeiden und Anschlussfähigkeit zu fördern.Erstens: Verstehen kommt vor dem Sprechen. Wer kommunizieren will, muss zuhören. Politisch bedeutet das, mit Neugier zu beginnen, nicht mit Parolen. Wer zunächst verstehen will, schafft Vertrauen.Zweitens: Nähe statt Lautstärke. Starke Marken überzeugen durch Erreichbarkeit und Wiedererkennbarkeit. Politische Kommunikation wirkt jedoch dort am stärksten, wo sie präsent ist. Nähe entsteht durch Begegnung.Drittens: Der Ton entscheidet. Moralisch aufgeladene Sprache wirkt schnell belehrend. Wer sich so angesprochen fühlt, zieht sich zurück. Der Abwehrreflex ist oft ein Schutzmechanismus. Gute Kommunikation erkennt man daran, dass sie Türen öffnet.Wer politisch wirksam kommunizieren will, muss lernen, anders zu sprechen und zuzuhören. Große Kampagnen sind oft weniger wirksam als Begegnungen im Alltag. Der Besuch im Sportverein zählt mehr als 100 Social-Media-Beiträge, die nicht zum Dialog einladen. Nähe entsteht vor Ort. Kommunikation braucht Beziehung, nicht nur Präsenz.Diese Trotzreaktion ist kein Randphänomen. Sie betrifft nicht nur extreme Positionen, sondern auch Menschen mit Unsicherheiten oder abweichenden Meinungen. Wer in Pandemiezeiten kritische Fragen stellte oder beim Thema Migration abwich, wurde teils vorschnell etikettiert. Auch Begriffe wie „alte weiße Männer“ können schnell Widerstand hervorrufen, etwa dann, wenn sich Menschen dadurch reduziert fühlen. In solchen Fällen wächst die Abgrenzung. Die Antwort darauf ist Zugehörigkeit. Wer differenziert kommuniziert und Raum für Perspektiven lässt, fördert Vertrauen statt Widerstand.Innere Ablehnung entsteht dort, wo Menschen das Gefühl haben, ihre Sichtweise habe keinen Platz mehr.Kommunikation stiftet Zugehörigkeit, wenn sie Identifikation ermöglicht. Menschen müssen sich in Aussagen wiederfinden. Wenn Kommunikation vorgibt, was gesagt werden darf, entsteht kein Vertrauen, sondern Gegenwehr. Innere Ablehnung entsteht dort, wo Menschen das Gefühl haben, ihre Sichtweise habe keinen Platz mehr.Der Wunsch zu widersprechen entsteht oft dort, wo Menschen spüren, dass ihre Meinung nicht zählt. Antonio Gramsci schrieb, dass Zusammenhalt nicht durch Zwang entsteht, sondern durch das Gefühl, mitgenommen zu werden. Michel Foucault zeigte, dass es nicht nur darauf ankommt, was gesagt wird, sondern auch, wer gehört wird. Wenn Stimmen ausgeschlossen werden, entsteht Widerspruch, nicht aus Trotz, sondern aus dem Bedürfnis heraus, Teil des Gesprächs zu sein.Manche Diskussionen, etwa zu Geschlechtergerechtigkeit oder Klimapolitik, können den Eindruck erwecken, dass wenig Raum für Rückfragen bleibt. Wer nicht die richtigen Begriffe findet, fühlt sich schnell außen vor. Doch genau dort entscheidet sich, ob Kommunikation Vertrauen schafft. Es braucht eine Sprache, die nicht ausgrenzt, sondern einlädt.Das bedeutet nicht, dass man Populisten umarmen muss. Es bedeutet, ihre Mechanismen zu verstehen, um ihnen gezielt begegnen zu können. Offen, aber nicht anbiedernd. Klar, aber nicht belehrend. Demokratie entscheidet sich nicht in Talkshows, sondern in Beziehungen. Wer gehört wird, bleibt. Wer sich ausgeschlossen fühlt, sucht Alternativen. Kommunikation kann beides sein. Die Frage ist: Wofür entscheiden wir uns?Weiter zum vollständigen Artikel bei IPG Journal
Quelle: IPG Journal