Verjährungsfristen: Düstere Aussichten
Wer bei Wertpapier- und Immobiliengeschäften übers Ohr gehauen wurde, muss aufpassen. Ende des Jahres verjähren Ansprüche aus der Zeit vor 2002. Wie jetzt noch reagiert werden kann.
Claudia Marwede-Dengg, €uro am Sonntag
Die 90er-Jahre waren goldene Zeiten für die Verkäufer von Finanzanlagen. Die Sektkorken knallten nicht nur zum Jahresende. Nach dem Motto „Hauptsache Steuerersparnis“ rissen sich Gutverdiener um Geschlossene (Immo-)Fonds, Medien- und Schiffsfonds. Gewiefte Verkäufer überredeten Tausende Kleinanleger zum Kauf einer vermieteten Immobilie, um im Alter gut versorgt ruhig schlafen zu können.
Ende dieses Jahres dürften eine ganze Reihe von Finanzanlagenverkäufern wieder in Champagnerlaune sein – allerdings nicht wegen besonderer Vertriebserfolge oder weil die damaligen Investments so gut gelaufen sind.
„Zum 31. Dezember 2011 verjähren durch die sogenannte Ultimoverjährung Schadenersatzansprüche von Anlegern in Milliardenhöhe“, sagt Kai-Oliver Knops, Professor für Bank- und Kapitalmarktrecht an der Universität Hamburg. Der 1. Januar 2012 sei daher ein Freudentag für Vermittler von Kapitalanlagen, freie Anlageberater und Banken.
So verjähren die Ansprüche unter anderem bei Anlagen von LeaseTrend, Alag, Albis Finance, Logimac, Frankonia (jetzt Deltoton), RWB oder OFL (jetzt Four Gates), aber auch bei Medienfonds wie KC-Medien, Montranos, Apollo, VIP, First Twenty Million sowie bei Offenen Immobilienfonds wie den kürzlich geschlossenen Degi-Fonds oder bei Schrottimmobilien, die über die Badenia oder die frühere HypoVereinsbank (heute Unicredit) verkauft wurden.
Unbekanntes Paragrafenwerk
„Der Grund der Verjährung liegt in einem Paragrafenwerk, von dem die meisten Verbraucher kaum etwas wissen dürften“, erläutert Julius Reiter, Fachanwalt für Bank- und Kapitalanlagerecht von der Kanzlei Baum, Reiter & Collegen und verweist auf die zum 1. Januar 2002 in Kraft getretene Schuldrechtsreform.
Im Zuge dieser Neuregelung wurde die Regelverjährungsfrist für Haftungsansprüche von 30 auf drei Jahre verkürzt. Diese Frist läuft aber erst ab dem Zeitpunkt, ab dem der Anleger von eventuellen Ansprüchen weiß. Erhält er erst später „Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen“, wie es im Juristendeutsch heißt, kann er gegen Bank, Vermittler oder freie Berater vorgehen.
Die absolute (Ultimo-)Verjährungsfrist betrifft hingegen Ansprüche aus der Zeit vor 2002, die für Schäden aus Falschberatung unabhängig von der Kenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an abläuft. Eigentlich hätte dies zur Folge gehabt, dass Ansprüche, die aus einem Vertragsabschluss im Jahr 1999 entstanden sind, erst Ende 2029 verjähren, während ein Anspruch aus dem Jahr 2008 aufgrund der verkürzten Frist bereits nach Ende 2011 nicht mehr geltend gemacht werden kann.
Um solche drastischen Ungleichgewichte zu vermeiden, hat der Gesetzgeber mit der Schuldrechtsreform die absolute (Ultimo-)Verjährungsfrist eingeführt. Dabei legte der Gesetzgeber fest: Spätestens zehn Jahre nach Inkrafttreten des neuen Schuldrechts, also zum 1. Januar 2012, verjähren auch jene Ansprüche, bei denen nach altem Recht eigentlich die 30-jährige Frist gelten würde.
Wie Anleger vorgehen sollten
Wie wahrt man nun mögliche Schadenersatzansprüche? Ein einfaches Schreiben an die Bank, den Berater oder Vermittler reicht nicht aus. Wer die Kosten gering halten will, kann nach Paragraf 204 BGB mit einem Antrag auf Einleitung eines Güteverfahrens bei einer staatlich anerkannten Gütestelle die Verjährung hemmen. Das Gleiche gilt für Verhandlungen zwischen den Parteien. „Allerdings“, so rät Rechtsanwalt Reiter, „sollten die Verhandlungen nachweisbar sein und am besten schriftlich geführt werden.“
Meist wird die drohende Verjährung allerdings durch Klage oder Mahnbescheid vor dem 31. Dezember 2011 gehemmt, also unterbrochen. Dafür sollte man einen Rechtsanwalt einschalten, der im Bank- und Kapitalmarktrecht firm ist. Und angesichts der recht verbraucherfreundlichen Rechtsprechung hat eine Klage durchaus Aussicht auf Erfolg. Vor allem der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteilen zu verschwiegenen Provisionsrückvergütungen (Kickbacks) die Chancen erheblich erhöht.
So zum Beispiel bei vom Finanzvertrieb AWD vermittelten Falk-Immobilienfonds. Auf Empfehlung eines selbstständigen Handelsvertreters des AWD hatten Anleger sich an einem Geschlossenen Falk-Immobilienfonds beteiligt, der Handelsvertreter war als „Wirtschaftsberater“ aufgetreten. Bei der Zeichnung des Fonds waren 3,5 Prozent Agio angefallen. Für den Vertrieb hatte der AWD eine Provision vom Hauptvertriebsunternehmen des Fonds erhalten. Darüber hatte der Handelsvertreter die Kläger jedoch nicht aufgeklärt. Das Landgericht München verurteilte den AWD, die Kläger so zu stellen, als hätten sie die Beteiligung nie gezeichnet (Az. 22 O 1797/09 und 22 O 1374/09).
Besonders spektakulär waren die Prozesse um die sogenannten Schrottimmobilien. Nicht zuletzt deswegen, weil hier in den 90er-Jahren Kleinanleger durch den Kauf völlig überteuerter Immobilien zum Teil um ihre Altersvorsorge gebracht wurden oder sich sogar bis über beide Ohren verschuldeten – auf die Zusage hin, dass Steuerersparnis und Mieteinnahmen das Ganze schon finanzieren würden.
Streitfall Badenia
Die Bausparkasse Badenia etwa arbeitete mit Vermittlern zusammen, die nicht nur die Immobilie, sondern auch deren Finanzierung als Paket in Form von Darlehen und Bausparverträgen der Badenia anboten. Die Profiteure waren neben dem Wohnungsverkäufer die Vermittler, die hohe Provisionen erhielten, und die Badenia, die ihr Darlehensgeschäft ausbaute. Den Schaden hatten Anleger. Die Mieteinnahmen blieben aus, und die Darlehensschulden überstiegen die abgestürzten Immobilienpreise. Erst mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs (Az. XI ZR 104/08) sind ihre Chancen auf Rückabwicklung gestiegen.