Behavioural Finance - Selbstdisziplin und Haltedauer
Kapitalanlagen und Geduld waren noch nie die besten Verbündeten. Auch wenn wir die Absicht hegen, langfristig anzulegen, machen uns die eigenen Emotionen viel zu oft einen Strich durch die Rechnung.
von Andreas Feiden, Geschäftsführer Fidelity für das Privatkundengeschäft in Deutschland
„Wenn ich einen Bauernhof kaufe und fünf Jahre lang kein Wertgutachten erhalte, bin ich doch glücklich, solange der Betrieb läuft. Investiere ich in ein Mehrfamilienhaus und stelle fünf Jahre lang nicht den Wiederverkaufswert fest, bin ich auch zufrieden, solange es die Mieteinnahmen generiert, die ich erwarte. Aber wenn Menschen eine Aktie kaufen, schauen sie sich am nächsten Morgen den Kurs an und entscheiden, ob die Aktie gut läuft oder nicht. Das ist verrückt.“
Warren Buffet
Die wachsende Faszination, die täglichen Kursbewegungen am Aktienmarkt zu verfolgen, kann Anleger dazu bringen, vorschnell zu verkaufen oder zu häufig zu handeln. Hinter dieser Vorliebe für die schnelle Belohnung steckt eine Verhaltensweise mit einem eher technischen Namen: hyperbolische Diskontierung. Wie der Ökonom John Maynard Keynes schon Jahre, bevor der moderne Begriff geprägt wurde, feststellte, bedeutet dieses Phänomen, dass wir eine deutliche Vorliebe für sofortigen Konsum aufweisen, statt für Gewinne in der Zukunft.
Hyperbolische Diskontierung ist eine Erklärung dafür, warum es so schwierig ist, Menschen frühzeitig zur Altersvorsorge zu bewegen. Da die „Belohnung“ so weit in der Zukunft liegt, messen wir ihr weniger Wert bei. Oder anders ausgedrückt: Je länger wir warten müssen, desto weniger schätzen wir sie. Studien zeigen beispielsweise, dass die meisten Menschen eher heute 100 Euro einstecken würden als 200 Euro in zwei Jahren. Über einen Zeitraum von sechs Jahren würden sie jedoch 100 Euro abweisen und hätten lieber 200 Euro nach acht Jahren. Dafür gibt es keine rationale Erklärung: Dieser Kompromiss lässt sich auch auf andere Bereiche anwenden.
In Bezug auf den Faktor Zeit denken wir einfach nicht rational. Zeitpunkte in der Zukunft werden zu unkonkreten Ereignissen in weiter Ferne. Dieser Umgang mit Zeit erschwert unsere Wertschätzung künftiger Gewinne erheblich. Der Stellenwert der Altersvorsorge ist für einen 65-jährigen Mann offensichtlich, aber dem gleichen Mann in seinen Zwanzigern diese Notwendigkeit ohne Zeitmaschine klar zu machen, ist problematisch. So verschwenden viele Menschen wertvolle Jahre, in denen eine Geldanlage vom Zinseszinseffekt profitieren könnte.

Bei Investmentfonds oder Direktanlagen in Aktien ist dagegen die Selbstdisziplin gefordert. Geld anlegen stellt die Geduld auf die Probe – aber Anleger weltweit scheinen immer weniger Geduld zu haben: Die Haltedauer von Aktien ist auf Rekordtiefs gesunken. 1940 betrug die durchschnittliche Haltedauer einer Aktie an der New Yorker Börse etwa sieben Jahre. Während der Technologieblase im Jahr 2000 fiel sie unter ein Jahr und betrug 2007 lediglich sieben Monate. Asiatische Anleger haben sogar noch kürzere Anlagehorizonte. Die Haltedauer einer Aktie an der Börse von Shanghai beträgt momentan nur sechs Monate.

Dabei zahlt sich eine Anlage in ein sorgfältig ausgewähltes Portfolio in erster Linie langfristig aus. Wenn der breite Markt immer kurzsichtiger agiert, gewinnt ein langfristiger Ansatz, bei dem man Unternehmen auf Basis ihrer zugrundeliegenden Geschäftsaussichten auswählt, sogar noch mehr an Attraktivität. Die erfolgreichsten Investoren der Geschichte haben schon immer den Grundsatz verfolgt, dass eine gute Titelauswahl plus Zeit eine wirksame Formel ist. Investorenlegende Warren Buffet bezeichnete seine favorisierte Haltedauer einer Aktie als „ewig“.
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