EZB-Anleiheprogramm bereit - Angst vor Inflation
Der Rat der Europäischen Zentralbank hat erstmals seit längerer Zeit wieder seine Inflationsrhetorik verschärft, was eine baldige Zinssenkung unwahrscheinlich macht.
Bei der Pressekonferenz nach der Ratssitzung im slowenischen Ljubljana betonte EZB-Präsident Mario Draghi den positiven Effekt, den die Ankündigung zu Staatsanleihekäufen durch die Zentralbank bereits gehabt habe. Neue Details zu diesem Programm namens "Outright Monetary Transactions" (OMT) nannte Draghi nicht. Er machte aber deutlich, dass die EZB keine Staatsanleihen kaufen wird, so lange sich ein mögliches Hilfsprogramm in der Prüfung befindet. Das neue Anleihekaufprogramm sei laut Draghi einsatzbereit. "Wir sind jetzt in der Lage, Anleihen von Eurostaaten zu kaufen, falls diese die notwendigen Voraussetzungen erfüllen", sagte er am Donnerstag in Ljubljana.
Nach Draghis Aussage wird die EZB die Entwicklung von Preisen, Kosten und Löhnen genau verfolgen. Damit griff der EZB-Präsident erstmals seit längerer Zeit wieder auf eine Formulierung zurück, die darauf hindeutet, dass Inflation eine nennenswerte Rolle in den Überlegungen des Rats spielt. Draghi fügte jedoch relativierend hinzu, dass der jüngste Inflationsanstieg vorübergehender Natur sei und nicht zu Zweitrundeneffekten führen dürfte. Im September hatte die Inflationsrate überraschend auf 2,7 Prozent angezogen, während Beobachter mehrheitlich einen Rückgang erwartet hatten.
Die EZB-Stabsprojektionen für den Verbraucherpreisanstieg im laufenden und kommenden Jahr waren erst bei der Ratssitzung Anfang September von 2,4 auf 2,5 Prozent und von 1,6 auf 1,9 Prozent angehoben worden. Nach Draghis Worten fiel die Entscheidung, die Leitzinsen unverändert zu lassen, einstimmig. Zudem wurde über Zinssenkungen überhaupt nicht diskutiert. Das macht eine baldige Senkung des Hauptrefinanzierungssatzes, der gegenwärtig auf einem Rekordtief von 0,75 Prozent liegt, unwahrscheinlich.
Nach Angaben des Präsidenten wird die EZB auch keine Staatsanleihen von Ländern kaufen, die sich derzeit in einem Hilfsprogramm befinden, solange diese nicht wieder vollen Marktzugang haben. Das würde bedeuten, dass sie wieder selbst Staatsanleihen am Markt platzieren können.
In einem Programm befinden sich derzeit Griechenland, Irland und Portugal. Die Konditionen des OMT-Programms sollen laut Draghi so gestaltet werden, dass es keine Anreize für ein Fehlverhalten der Regierungen setzt. Nach Draghis Worten strebt die EZB "aktiv" eine Einbeziehung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Reformprogramme an. Der IWF ist dafür bekannt, besonders harte Bedingungen zu stellen.
Die EZB will laut Draghi außerdem beobachten, wie begünstigte Länder ihr Emissionsverhalten in Reaktion auf ein Staatsanleihekaufprogramm ändern. Das Ergebnis dürfe nicht sein, dass sich die Länder verstärkt auf kurzfristige Papiere verlegten, sagte Draghi. Die EZB hat angekündigt, im Rahmen des OMT Papiere mit Laufzeiten von bis zu drei Jahren Laufzeit zu kaufen.
In der Verknüpfung möglicher EZB-Käufe mit Reformprogrammen sieht Draghi kein Problem. Diese Verknüpfung bedrohe die Unabhängigkeit der EZB nicht, sie stärke sie vielmehr, weil sie die Dominanz der Geldpolitik gegenüber der Fiskalpolitik unterstütze.
Von Hans Bentzien Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com DJG/hab/apo/chg Dow Jones Newswires October 04, 2012 09:45 ET (13:45 GMT)