Euro am Sonntag-Interview

Paul Singer, Argentiniens Albtraum

13.10.14 03:00 Uhr

Paul Singer, Argentiniens Albtraum | finanzen.net

Der Hedgefondsmanager gilt als einer der härtesten Investment-Profis weltweit. Mit viel Wagemut und Know-how spekuliert der Multimilliardär auf Papiere angeschlagener Firmen und Staaten. Derzeit hat Singer vor allem Argentinien im Visier.

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von Tim Schäfer, Euro am Sonntag

Wenn es um seinen Gewinn geht, kennt Paul Singer kein Erbarmen. So riss sich der Selfmade-Milliardär Ende der 90er- Jahre für weniger als zehn Millionen Dollar Staatsanleihen der afrikanischen Republik Kongo unter den Nagel. Später verlangte er 400 Millionen Dollar, was der Rückzahlung des vollen Wertes entsprach. Selbst 90 Millionen Dollar Entwicklungshilfe für den Kongo ließ er sperren, die zur Bekämpfung einer Cholera-Epidemie in dem bettelarmen Land vorgesehen waren.

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Singer besteht immer auf seinen Forderungen. Lehnt eine Regierung ab, kann er eine Staatskrise auslösen. Sein Trick besteht darin, Schuldtitel weit unter Wert zu finden. Während der Markt ein Scheitern der Wette einpreist, sieht Singer genau in diesem niedrigen Kurs eine Riesenchance. Seine Unnachgiebigkeit zu verhandeln, seine Forderung der vollen Rückzahlung macht aus Schrottpapieren eine Goldgrube.

Das hat zuletzt Argentinien zu spüren bekommen. Für den argentinischen Schuldtitel zahlte er weniger als 170 Millionen, nun besteht er auf 1,5 Milliarden Dollar inklusive Zinsen. Es winkt also eine Rendite von schätzungsweise 1.000 Prozent. Als das Land die Anleihezinsen nicht pünktlich bedienen wollte, erklärten die Ratingagenturen Standard & Poor’s und Fitch auf Druck Singers Buenos Aires zum zweiten Mal nach 2001 für zahlungsunfähig - das Land ist somit von den internationalen Finanzmärkten quasi abgeschnitten, außer es einigt sich mit Singer, wohl zu seinen Konditionen.

Kein Wunder, dass Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner über die "Geierfonds" lästert, die nicht zu Kompromissen bereit sind. Kabinettschef Jorge Capitanich schimpfte über eine "internationale Finanzmacht" und verglich sie mit der Mafia: "Diese besteht aus kleinen, unersättlichen Interessen, die eine echte internationale Mafia formen." Singer ist stur. Peru, Kongo, Argentinien - seine Strategie lautet: alles oder nichts.

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Ein Mensch voller Widersprüche
Wer allerdings in diesem Streit gewinnen wird, ist offen. Bislang sind die Verhandlungen gescheitert. Vorvergangene Woche gab es wieder einen Punktgewinn für den 66-jährigen Singer. Ein US-Richter hatte Buenos Aires verboten, andere Gläubiger zu bedienen, solange es Forderungen von Hedgefonds nicht beglichen hat. Kritiker werfen dem New Yorker vor, ein ganzes Land mit seinen 41 Millionen Einwohnern zum eigenen Vorteil zu opfern.

Hier der rücksichtslose Spekulant, der sich eine goldene Nase an notleidenden Staaten verdient. Zum anderen ist der 70-Jährige aber ein großzügiger Spender. So schloss er sich dem "Giving Pledge" an, einer von Warren Buffett initiierten Verpflichtung. Superreiche versprechen demnach, mindestens die Hälfte ihres Privatvermögens nach ihrem Ableben wohltätigen Zwecken zugutekommen zu lassen.

Widersprüchlich ist auch Singers politische Haltung. Er gibt sich teils extrem liberal, im Kern ist er aber erzkonservativ. So spendete er wie kaum ein anderer an die Republikanische Partei. Er unterstützte George W. Bush sowie den New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani, einen konservativen Hardliner. Er half dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney mit einer Million Dollar im Wahlkampf. Die Republikaner lehnen die Gleichstellung homosexueller Paare ab, aber gleichzeitig macht sich Singer genau dafür stark.

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Er spendete Millionen an Lobbyorganisationen, die sich dafür einsetzen, dass Schwule heiraten dürfen. Der Grund ist in seiner Familie zu finden: Sein Sohn hat seinen Lebenspartner in Massachusetts geheiratet, berichtete die "New York Times". Singer sieht in der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft eine "Stabilisierung der Familie". "Die Ehe als Institution", sagte er einmal, "ist total kollabiert in Amerika." Singer ist übrigens von seiner Frau geschieden.

Sein Hedgefonds Elliott Management verwaltet rund 25 Milliarden Dollar. Seit Auflegung 1977 erwirtschaftete der frühere Rechtsanwalt eine Rendite von 14 Prozent per annum, wohlgemerkt nach Abzug der Gebühren. Das ist üppig. Zum Vergleich: Der Dow-Jones-Index legte im langjährigen Schnitt um circa zehn Prozent zu. Neben Anleihen maroder Staaten und Unternehmen setzen die 300 Mitarbeiter auf potenzielle Übernahmekandidaten aus Nordamerika und Asien.

Geduld ist eine seiner Stärken
Steigt Singer ein, hat er Geduld. Seelenruhig wartet er ab, bis ein lukrativer Deal auf seinem Schreibtisch landet. Früh in seiner Karriere musste er Verluste verkraften. Diese Erfahrung führte dazu, dass er seither hohe Risiken scheut. So nutzt er selten Kredite, wie das sonst in der Branche üblich ist, um seine Rendite durch den Hebeleffekt aufzuhübschen. Aufgrund seiner Vorsicht mussten seine Kunden bislang nur zwei Verlustjahre seit 1977 verkraften. Selbst in Zeiten, in denen die meisten Hedgefonds versagen, glänzt Elliott Management, den der promovierte Jurist 1977 mit 1,3 Millionen Dollar startete.

Komplexe Verträge unter die Lupe zu nehmen ist sein Steckenpferd. Das Kleingedruckte im Detail zu verstehen, machte ihn letztendlich steinreich. Argentinien bot seine Anleihen auf Grundlage des US-Rechts an, um attraktiv für amerikanische Investoren zu sein. Das war Singers Chance. So konnte er vor einem Gericht in Manhattan auf das Einhalten der Verträge pochen.

Vor einem Jahr trat Singer auf der "Ira Sohn"-Konferenz auf, die Spenden für krebskranke Kinder sammelt. Er erschien, wie immer zu solchen Anlässen, in einem dunklen Anzug, mit weißem Hemd, einem gestutzten grauen Bart, kurzen Haaren, auffällig runden Brillengläsern. Während die meisten Gastredner ihre Aktienpositionen anpriesen, orakelte Singer über Staatsverpflichtungen, Derivate und Leitzinsen. Er gab einen Überblick über die Entwicklung der Finanzmärkte seit dem Zweiten Weltkrieg.

Er kritisierte die enormen Renten- und Versorgungsansprüche, die in den USA angeblich schon 500 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachten. "Das sind Verpflichtungen, die vermutlich nicht eingehalten werden können - ganz gleich, wie hoch die Steuerrate oder das Wachstum ausfällt." Derivate in den Bankbilanzen seien wegen ihres enormen Ausmaßes unkontrollierbar. "Zentralbanken lieben ihre Aufgabe, den Markt mit Geld zu überfluten. Sie glauben, die Gelddruckerei ist gratis. Sie sehen die Kosten nicht, weil es keine Inflation gibt."

An der Wall Street verfolgen viele Singers Deals. Seine Macht ist dank der Milliarden enorm. Nach dem Einstieg beim Ölkonzern Hess Corp aus New Jersey schickte er drei Vertraute in das Aufsichtsgremium. Seither hat Hess mehrere Unternehmensteile verkauft, die Aktienrückkäufe intensiviert und die Dividende erhöht. Der Kurs legte kräftig zu. Elliott Management ist mit knapp sechs Prozent größter Investor. Ob allerdings jede Entscheidung im Sinne einer langfristigen Unternehmensführung ist, bezweifeln Beobachter. Vielmehr scheinen kurzfristige Ziele zu überwiegen.

Ende Juli gab Elliott bekannt, bei der Werbeagentur Interpublic Group eingestiegen zu sein. Sein Aktienpaket von 6,7 Prozent wird Singer nutzen, um die Agentur zu drängen, sich selbst an einen Rivalen zu verkaufen, mutmaßen Beobachter. Beim Speicherspezialisten EMC sammelte der umstrittene Aktivist zwei Prozent des Grundkapitals ein. Hier fordert er womöglich den Verkauf der 80-Prozent-Tochter VMware. Seine Investments baut er in der Regel heimlich auf, damit ihm niemand in die Quere kommt. Mit Argusaugen achtet er darauf, dass sein Newsletter, der an seine Kunden geht, nicht in die falschen Hände gerät. Verschwiegenheit ist oberstes Gebot. Interviewanfragen lehnt der Medienscheue in der Regel ab. Selbst Einladungen, um seine großzügige Spendentätigkeit zu würdigen, soll er schon mehrmals abgesagt haben.

Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos hat er dieses Jahr gesprochen. Ein seltenes Ereignis. "Ich bin selten optimistisch", sagte er. Das sei ein zentraler Punkt seiner Strategie. Über den Ärger mit Argentinien sprach er in der Schweiz ebenfalls. Das Problem habe das Land "selbst verschuldet". Und: "An einem Nachmittag können wir den Streit beenden." Wenn der Gewinn passt, versteht sich.

Spekulant
und Spender

Paul Elliott Singer kam am 22. August 1944 in New York zur Welt. Sein Vater war Apotheker, seine Mutter Hausfrau. Er wuchs in New Jersey auf, studierte Psychologie und promovierte später in Jura an der Harvard University. 1974 heuerte er als Jurist für die Investmentbank Donaldson, Lufkin & Jenrette in der Immobilienabteilung an. Seinen Fonds Elliott Management startete er 1977. Singer unterstützt die Republikanische Partei, aber auch soziale Organisationen finanziell.

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Bildquellen: CC BY-NC-SA 2.0/World Economic Forum

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