€uro am Sonntag-Titel: DAX - Wie weit kann es noch nach oben gehen?
Mehr als 50 Prozent hat der DAX seit März an Wert gewonnen. Noch immer aber lagern Milliardensummen in unrentablen Geldmarktfonds. €uro am Sonntag zeigt, wie weit die Rally noch laufen kann.
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von Sven Parplies
Ein bisschen Eigenlob kann nicht schaden. „Alle unsere Motoren laufen rund. Trotz starken Gegenwinds haben wir unsere Ziele erreicht“, vermeldet Alcoa-Chef Klaus Kleinfeld stolz den Finanzanalysten der Wall Street. 77 Millionen Dollar Nettogewinn hat der US-Aluminiumhersteller im dritten Quartal erzielt – erwartet worden war ein deutlicher Verlust. Entsprechend euphorisch reagierte die Börse. Die Alcoa-Aktie legte mehr als sechs Prozent zu und zog weltweit die Kurse nach oben. In Deutschland attackierte der DAX sein erst im September aufgestelltes Jahreshoch.
Die Leichtigkeit, mit der die Indizes selbst in den historischen Minusmonaten September und Oktober neue Höhen erobern, euphorisiert immer mehr Börsenprofis. In der vergangenen Woche erhöhte die SEB Bank ihr mittelfristiges Kursziel für den DAX auf 6100 Punkte und schließt damit auf zu DZ Bank, Unicredit oder auch Commerzbank, die allesamt Indexstände von mindestens 6000 Punkten aufgerufen haben. Mit Verweis auf das niedrige Zinsniveau prophezeit Anthony Bolton, Investmentchef der Fondsgesellschaft Fidelity, den internationalen Aktienmärkten sogar einen „mehrjährigen“ Bullenmarkt.
Ein zentrales Argument der Optimisten ist das Geld: Es ist einfach extrem viel davon vorhanden. Nicht nur weil die Notenbanken es seit der Eskalation der Finanzkrise in großem Stil auf den Markt werfen. Viele vermögende Investoren, die ihr Geld rechtzeitig vor dem Kurskollaps in Sicherheit gebracht haben und auch jene, die trotz Wirtschaftskrise gut verdienen, horten enorme Summen in Geldmarktfonds, weil sie dem Kursaufschwung an den Börsen nicht trauen. Laut Datendienst Bloomberg sind es derzeit fast 3500 Milliarden Dollar. Eine Summe, mit der man rechnerisch fast vier Mal den kompletten DAX 30 kaufen könnte.
Seit Jahresbeginn schichten Investoren zwar kontinuierlich Cash in die Aktienmärkte um, aber immer noch verhalten. Sollten die Geldmarktbestände auf den Durchschnittswert der vergangenen zehn Jahre sinken, würde allein aus den USA noch mal 1000 Milliarden Dollar an die Weltbörsen strömen. Niedriger, aber nicht zu verachten sind die knapp 61 Milliarden Euro, die laut Investmentverband BVI Ende August in deutschen Geldmarktfonds lagerten.
„Wenn, wie es seit Monaten der Fall ist, das Halten von Cash praktisch null Ertrag bringt, dann gibt es gute Gründe zur Annahme, dass irgendwann den abseits stehenden Zögerern die Geduld ausgeht und sie zuhauf den Aktienmarkt fluten“, beschreibt Konrad Hummler von der Privatbank Wegelin & Co den psychologischen Druck, der sich seit Monaten bei jenen Investoren aufbaut, die die Rally nur als Zuschauer verfolgt haben, ihren Kunden aber Rendite präsentieren müssen.
Viele Fondsmanager lägen in diesem Jahr hinter ihrem Vergleichsindex zurück und würden jetzt auf offensive Werte setzen, um den Rückstand bis Jahresende aufzuholen, berichtet Tobias Levkovich, Stratege der Citigroup.
Je weiter allerdings die Kurse steigen, desto größer das Risiko für die Nachzügler. Die Zeit der Schnäppchen an den Börsen ist vorüber. Da die Kurse bei sinkenden Gewinnschätzungen gestiegen sind, hat sich das Kurs/Gewinn-Verhältnis massiv verteuert. Beim DAX seit Jahresbeginn von neun auf über 16. Das allein ist nicht bedrohlich. Vorausgesetzt, die Unternehmensgewinne werden in den kommenden Monaten dem Optimismus der Anleger gerecht.
Der Fahrplan der Börse lässt sich an den Gewinnschätzungen der Analysten für den S & P 500, den wichtigsten Aktienindex der Welt, ablesen. Nach zwei Jahren mit sinkenden Erträgen soll es schon bald wieder aufwärtsgehen – laut Datendienst Bloomberg um 26 Prozent im kommenden Jahr, 2011 noch mal um etwa 22 Prozent. Historische Daten zeigen, dass solche Zuwächse durchaus realistisch sind. Einen ähnlich starken Gewinnanstieg hatte es im S & P 500 zuletzt in den Jahren 1986 bis 1988 gegeben, als die Gewinne um insgesamt 64 Prozent zugelegt hatten.
Dennoch bleiben Zweifel, ob solche Wachstumsraten im aktuellen Umfeld zu wiederholen sind. Vor allem die USA, als größte Volkswirtschaft noch immer wegweisend für den Rest der Welt, hängt zu zwei Dritteln vom privaten Konsum ab. Die Verbraucher dort aber, die lange von steigenden Immobilienpreisen profitierten, werden ihre Sparquote nachhaltig erhöhen müssen, um ihre Verschuldung zu reduzieren. Erschwert wird das durch steigende Arbeitslosigkeit. Im September ist die Quote auf 9,8 Prozent, den höchsten Stand seit 1983, geklettert. Zudem ist die Staatsverschuldung in nahezu allen westlichen Staaten durch Konjunktur- und Rettungspakete massiv angestiegen. Die Aufarbeitung der Finanzkrise dürfte zu verschärften, den Wettbewerb einschränkenden Vorschriften für Unternehmen führen. „Unserer Meinung nach wird in der Welt nach dem Lehman-Kollaps mit stetiger Schuldenreduzierung, mehr Regulierung und höheren Steuern nur eine unterdurchschnittliche Erholung der Unternehmensgewinne möglich sein“, gibt Andreas Hürkamp von der Commerzbank zu bedenken.
Wie weit können die Kurse in diesem Umfeld noch steigen? Anhaltspunkte liefert ein Blick in die Vergangenheit. Die Investmentstrategen von Morgan Stanley haben 19 Bärenmärkte aus verschiedenen Epochen, Regionen und Anlageklassen unter die Lupe genommen – vom großen Crash der 1930er-Jahre über den Gold-Kollaps der 1980er oder Japans Börsenkrise in den 1990ern.
In jeder dieser Kurskrisen stürzten die Kurse um mindestens 40 Prozent. Im Schnitt verloren sie über einen Zeitraum von 30 Monaten 57 Prozent. Erstaunlich: Der breit aufgestellte MSCI Europe büßte von Juni 2007 bis März diesen Jahres 60 Prozent ein, also fast auf den Punkt den historischen Mittelwert. Mit einer Dauer von 21 Monaten stürzten die Kurse allerdings ungewöhnlich schnell. Jedem Kurscrash folgt eine dynamische Erholung. Historisch betrachtet, trieb der Kursaufschwung die Märkte durchschnittlich 71 Prozent nach oben. Am deutlichsten war der Rebound zu Beginn der 1990er-Jahre mit fast 300 Prozent in Finnland, der schwächste mit 41 Prozent in den 1960er-Jahren in Italien. Aktuell liegt das Plus bei MSCI Europe und DAX bei knapp über 50 Prozent. Gemessen am historischen Durchschnitt ist also noch deutlich Spielraum für weitere Kursgewinne.
Als wesentliche Faktoren für das Ende einer Rebound-Rally hat Morgan Stanley das Verhalten von Regierungen und Regulierern ausgemacht. Die Panik im Markt stoppe, wenn die Obrigkeit panisch werde. Entsprechend werde auch das Ende einer Rebound-Rally, wenn auch nicht mehr ganz so offensichtlich, durch die Politik eingeleitet. Solange die Entscheidungsträger darüber reden, wie zerbrechlich die Erholung ist, sei es unwahrscheinlich, dass die Kurse deutlich unter Druck geraten. Das Risiko für die Aktienmärkte steige, wenn die Entscheidungsträger so zuversichtlich werden, dass sie Stützungsprogramme zurücknehmen, erklärt Morgan Stanley die Wechselwirkungen. Steigende Inflation, ein deutlicher Anstieg des Ölpreises, Steuererhöhungen oder in der aktuellen Situation auch eine negative Wachstumsüberraschung in China könnten weitere Alarmsignale sein.
Zunehmend optimistischere Kommentare von US-Notenbank-Chef Ben Bernanke wären demnach für Aktionäre eine schlechte Botschaft. Bernanke hatte Ende September erklärt, dass die schlimmste Rezession seit den 1930er-Jahren „sehr wahrscheinlich“ vorüber sei. Das nach dem Vorbild der deutschen Abwrackprämie für Altautos ins Leben gerufene Programm Cash for Clunkers ist bereits beendet worden. Der Rückkauf riskanter Wertpapiere, für die die US-Notenbank 1,45 Billionen Dollar aufbringen will, dürfte Ende März kommenden Jahres auslaufen.
Als wichtigsten Indikator aber hat Morgan Stanley die Zinsentscheidungen der Notenbanken ausgemacht. Oft werde der Höhepunkt einer Rebound-Rally ungefähr zum Zeitpunkt oder vor einem Wechsel im Zinszyklus erreicht. In zwölf der untersuchten Bärenmarkt-Rebounds haben die Märkte ihren Scheitelpunkt ein bis drei Monate vor der ersten Zinserhöhung erreicht.
Bernanke hat zuletzt erklärt, dass die Zinsen für einen „längeren Zeitraum“ auf niedrigerem Niveau bleiben sollen. Morgan Stanley erwartet die nächste Zinserhöhung der amerikanischen Notenbank im dritten Quartal 2010 – für weitere Kursgewinne wäre also auch nach diesem Kriterium noch Zeit. Zumal die Unternehmensergebnisse für das dritte Quartal bislang den Optimismus der Bullen bestätigen. Allerdings steht die Masse der Berichte noch aus.
In der kommenden Woche schauen Börsianer auf die großen Wall-Street-Banken, aber auch auf Schwergewichte wie IBM und General Electric. In Europa startet die Berichtssaison traditionell später, doch auch in der alten Welt rechnen Strategen mit einer spürbaren Verbesserung der Gewinnsituation. „Die positiven Impulse werden letztlich klar überwiegen“, kalkuliert etwa die Unicredit, die eine Fortsetzung des Aufwärtstrends an den Aktienmärkten bis in das erste Quartal 2010 hinein erwartet.

Die richtige Aktienauswahl dürfte angesichts des fortgeschrittenen Stadiums der Rally allerdings immer wichtiger werden. Überdurchschnittliche Chancen sehen Strategen vor allem bei jenen Unternehmen, die überproportional in Schwellenländern engagiert sind. Denn dort ist die Konjunktur deutlich robuster als in den alten Industrienationen. Der Internationale Währungsfonds erwartet für das kommende Jahr in den Schwellenländern ein Wirtschaftswachstum von 5,1 Prozent, in den entwickelten Nationen lediglich 1,3 Prozent. Dieser mit großer Wahrscheinlichkeit langfristig anhaltende Trend ist natürlich auch den Unternehmen nicht verborgen geblieben – seit der Jahrtausendwende sind Investitionen europäischer Unternehmen in Schwellenländern laut Berechnung der US-Bank Goldman Sachs deutlich angestiegen. 20 bis 25 Prozent des operativen Gewinns, so die Hochrechnung der US-Bank, stammen inzwischen aus diesen Regionen. Deshalb seien die entsprechenden Unternehmen nur teilweise durch die Wachstumsschwäche in Europa eingeschränkt, kalkulieren die Strategen. Profiteure wären unter anderem viele Rohstofftitel und Konsumgüterhersteller.
Im Vorteil seien auch jene Unternehmen, die ihre Kosten in der Krise konsequent gesenkt haben und deshalb selbst bei nur leicht steigenden Umsätzen signifikante Gewinnsteigerungen erzielen können. Das treffe besonders auf Unternehmen aus den Branchen Industrie, Chemie und Automobilwerte zu.
Und was passiert, wenn die Kursrally dann doch zu Ende geht? Die historische Analyse von Morgan Stanley ist auf den ersten Blick eher ernüchternd. Dem Kursgipfel folgt demnach ein Kurseinbruch von etwa 25 Prozent, danach eine Seitwärtsbewegung über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren. Doch genau diese Seitwärtsphase könnte für aktive Anleger spannend werden: Für den MSCI Europe kalkuliert Morgan Stanley mit einer Seitwärtsbewegung und Kursschwankungen von etwa 50 Prozent – das dürfte aktiven Investoren viele Chancen bieten.
Investor-Info
Telenor: Neue Chancen in Russland
Der norwegische Telekomkonzern erzielt nach Hochrechnung von Goldman Sachs rund drei Viertel seines Gewinns in Schwellenländern und sollte von den dort hohen Wachstumsraten profitieren. Die Kooperation mit der russischen Alfa Group in den ehemaligen Sowjetstaaten, die einen langen Streit der Konzerne beendet, sollte sich positiv auswirken. Moderate Bewertung und Kursziele bis elf Euro machen Telenor weiter attraktiv. Wegen geringer Umsätze der Aktie nur limitiert ordern.

Puma: Aus den Startblöcken
Der deutliche Fokus auf Sportmode macht Puma stärker von Konjunkturschwankungen abhängig als die Rivalen. Das verschafft der Aktie derzeit einen stärkeren Auftrieb als Nike und Adidas. Schlanke Strukturen geben der Raubkatze auch bei moderatem Umsatzwachstum einen hohen Gewinnhebel und Aufwärtspotenzial bei den Gewinnschätzungen. Anhaltende Gerüchte, dass Großaktionär PPR seinen Anteil an Puma aufstocken will, sollten den Kurs der Aktie nach unten Halt geben.
British American Tobacco: Gewinne trotz Nebengeschmack
Trotz Konjunkturkrise steigerte der Tabakkonzern British American Tobacco (BAT) (u. a. Lucky Strike, Dunhill) seinen Gewinn im ersten Halbjahr um 16 Prozent. In Ländern wie Mexiko, Russland und Italien konnten die Briten sogar Preiserhöhungen durchsetzen. Rund fünf Prozent Dividendenrendite machen die Aktie zusätzlich attraktiv. Größter Risikofaktor bleiben mögliche Gerichtsprozesse gegen die Branche. Die jüngste Kursschwäche bietet Einstiegsgelegenheit.

BASF: Offensive in Asien
Gewinnwachstum bei attraktiver Dividendenrendite. Das bietet die Aktie der Chemieriese BASF. Laut Konsensschätzung wird der Ertrag des DAX-Konzerns im kommenden Jahr um 30 Prozent zulegen, die Dividendenrendite liegt noch immer bei knapp drei Prozent. Neue Investitionen in Asien sollen den Umsatz in der Region bis zum Jahr 2020 verdoppeln. Charttechnisch dürfte ein Durchbruch bei 38 Euro der Aktie neuen Schwung geben.
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Bildquellen: Puma, BASF