Immaterielle Vermögensgegenstände als Finanzierungschance für Startups
Was sind immaterielle Vermögensgegenstände?
Immaterielle Vermögenswerte, auch "Intangible Assets" genannt, sind nach dem International Accounting Standard (IAS) 38.8 identifizierbare, nicht monetäre Vermögenswerte ohne physische Substanz. Zu den typischen Beispielen zählen Patente, Markenrechte, Software oder Lizenzen. Diese Werte sind für viele Unternehmen von hoher wirtschaftlicher Bedeutung, obwohl sie nicht materiell greifbar sind. In der Bilanz werden sie dem Anlagevermögen zugeordnet und in der Regel über mehrere Jahre genutzt. Armin Müller beschreibt immaterielle Vermögenswerte im Kapitel "Intangible Assets - Bedeutung, Eingrenzung und Zusammenhänge" im Buch "Management von Intangible Assets" des Springer Verlags aus dem Jahr 2021 als entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit moderner Unternehmen und betont, dass sie in wissensbasierten Ökonomien eine dominierende Rolle einnehmen.
Bilanzielle Grundlagen und rechtliche Behandlung
In Deutschland regelt das Handelsgesetzbuch (HGB) die Behandlung immaterieller Vermögenswerte. Laut § 266 HGB gehören hierzu unter anderem der Geschäfts- oder Firmenwert, Rechte und geleistete Anzahlungen. Voraussetzung für die bilanzielle Aktivierung ist, dass ein vermögenswerter Vorteil vorliegt, das Gut verkehrsfähig ist und eigenständig bewertet werden kann. Immaterielle Wirtschaftsgüter, die dem Umlaufvermögen zugeordnet sind, müssen bilanziert werden (§ 246 Abs. 1 HGB). Für das Anlagevermögen gilt, dass insbesondere entgeltlich erworbene immaterielle Werte aktiviert werden müssen (§ 5 Abs. 2 EStG). Mit der HGB-Reform durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) wurde zudem ein Aktivierungswahlrecht für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände eingeführt (§ 248 Abs. 2 HGB). Dieses Wahlrecht erlaubt es insbesondere Startups, selbst entwickelte Marken oder Software unter bestimmten Voraussetzungen in die Bilanz aufzunehmen. Allerdings ist dies mit einer Ausschüttungssperre verbunden, was bedeutet, dass ein Teil des Gewinns nicht an die Gesellschafter ausgeschüttet werden darf, solange diese Vermögenswerte bilanziert sind.
Internationale Rechnungslegung nach IAS/IFRS
Auf internationaler Ebene bestimmt der Standard IAS 38 die Bilanzierung immaterieller Vermögenswerte. Neben der Identifizierbarkeit fordert IAS 38 auch einen zukünftigen wirtschaftlichen Nutzen sowie eine verlässliche Bewertung als Voraussetzung für die Aktivierung. Besonders relevant für junge Unternehmen ist dabei die Unterscheidung zwischen Forschungs- und Entwicklungsphase: Während Forschungskosten nicht aktiviert werden dürfen, können Entwicklungskosten unter bestimmten Voraussetzungen in die Bilanz aufgenommen werden. Diese Vorgaben sind jedoch streng und werden in der Praxis von vielen Startups nicht vollständig erfüllt, wie Prof. Dr. Heinz Kußmaul in einem Beitrag von Haufe erklärt. Bei Unternehmenszusammenschlüssen schreibt IAS 38 zwingend vor, dass alle identifizierbaren immateriellen Vermögenswerte zum beizulegenden Zeitwert in der Bilanz angesetzt werden müssen. Zusätzlich verlangt das HGB in § 284 Abs. 3 eine detaillierte Aufstellung der immateriellen Vermögenswerte im Anhang der Bilanz, was Transparenz gegenüber Investoren und Banken schafft.
Management und strategische Bedeutung
Immaterielle Vermögenswerte sind nicht nur buchhalterisch wichtig, sondern haben auch eine hohe strategische Relevanz. Müller betont, dass immaterielles Vermögen wie Kundenbeziehungen, Markenbekanntheit oder unternehmensspezifisches Know-how entscheidende Faktoren für den langfristigen Erfolg sind. In modernen, wissensbasierten Märkten sind sie oft wichtiger als klassische Sachanlagen. Müller sieht im strategischen Management, beispielsweise durch die Implementierung einer Balanced Scorecard, einen wirksamen Ansatz, um immaterielle Vermögenswerte systematisch zu steuern, zu messen und für das Unternehmen nutzbar zu machen.
Finanzierung auf Basis geistigen Eigentums
Besonders für Startups stellen immaterielle Vermögenswerte eine oft ungenutzte Finanzierungsquelle dar. Die World Intellectual Property Organization (WIPO) hebt hervor, dass geistiges Eigentum in zunehmendem Maße als Sicherheit für Kredite eingesetzt wird. Laut WIPO hilft IP-Finanzierung innovativen Unternehmen dabei, Zugang zu Kapital zu erhalten, insbesondere wenn klassische Kreditsicherheiten wie Immobilien fehlen. Der von der WIPO veröffentlichte Leitfaden "Hands-on IP Finance: Securing Loans with Your IP Assets" zeigt praxisnah, wie Startups ihre Patente, Marken oder Urheberrechte bewerten und als Kreditsicherheiten strukturieren können, um damit die Verhandlungsposition gegenüber Banken zu stärken.
Die internationale Entwicklung verdeutlicht, dass auch staatliche Initiativen diese Art der Finanzierung zunehmend unterstützen. Ein Beispiel ist Singapur, wo spezielle Innovationsfonds geschaffen wurden, um IP-basierte Kredite zu fördern und die Bewertung immaterieller Vermögenswerte zu erleichtern, wie die WIPO berichtet. Für Startups kann die gezielte Nutzung des eigenen geistigen Eigentums als Finanzierungsinstrument ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein. Während es für junge Unternehmen oft schwierig ist, klassische Sicherheiten zu bieten, können Patente oder Softwarelösungen als werthaltige Assets überzeugen, wenn sie professionell dokumentiert, bewertet und rechtlich geschützt sind.
Redaktion finanzen.net
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