Versprochene Entlastung bleibt aus: Was die Grundsteuerreform wirklich kostet
Neue Auswertungen und Studien dokumentieren erhebliche Anstiege bei der Steuerlast, die besonders Ein- und Zweifamilienhäuser betrifft. Die kommunalen Hebesätze wirken dabei als zusätzliche Kostentreiber.
Hintergrund der Reform
Die bisherige Berechnungsgrundlage der Grundsteuer beruhte auf jahrzehntealten Einheitswerten. Im Westen Deutschlands stammten diese aus dem Jahr 1964, im Osten Deutschlands sogar aus dem Jahr 1935. Das Bundesverfassungsgericht erklärte diese Praxis 2018 für verfassungswidrig, da vergleichbare Immobilien unterschiedlich behandelt wurden. Die darauffolgende Reform sollte die Grundlage für eine gerechtere und aktuelle Bewertung schaffen. Ziel war eine sogenannte Aufkommensneutralität, die sicherstellen sollte, dass das Gesamtsteueraufkommen nicht steigt. Doch die aktuelle Umsetzung weicht von diesem Versprechen ab. Verschiedene Auswertungen zeigen, dass die Steuerlast vielerorts deutlich steigt, teils sogar drastisch.
Deutliche Mehrbelastung laut Eigentümerverband
Laut einer Studie des Eigentümerverbands Haus & Grund stieg die durchschnittliche Grundsteuerbelastung pro Immobilie von 522 Euro auf 830 Euro jährlich. Besonders stark betroffen sind Ein- und Zweifamilienhäuser, bei denen die Steuerlast um durchschnittlich 119 Prozent anstieg. Auch Mehrfamilienhäuser verzeichneten laut Studie einen Anstieg um 111 Prozent, während Eigentumswohnungen mit durchschnittlich 40 Prozent noch vergleichsweise moderat belastet wurden. Nur ein kleiner Teil der Immobilienbesitzer profitierte von einer Entlastung. In rund vier von fünf Fällen blieb die Steuerbelastung gleich oder erhöhte sich.
Hebesätze in den Kommunen als Hauptursache
Eine wesentliche Ursache für die höheren Steuerbeträge liegt in den kommunalen Hebesätzen, die den Grundsteuermessbetrag multiplizieren. Viele Städte und Gemeinden nutzten die Reform, um die Hebesätze anzuheben. Laut einer Analyse der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young, über die Zeit Online berichtet, haben 2023 rund ein Viertel aller Kommunen ihre Hebesätze angehoben, im Durchschnitt um 18 Prozentpunkte. Besonders auffällige Entwicklungen lassen sich in Nordrhein-Westfalen beobachten, wo in einigen Fällen Hebesätze von bis zu 1100 Prozent festgestellt wurden. Ein regionales Beispiel zeigt sich in Rheinland-Pfalz, wo 79 Prozent der Kommunen die Hebesätze angehoben haben. Der durchschnittliche Hebesatz stieg dort auf 464 Prozent. In Berlin hingegen wurde der Satz im Zuge der Reform gesenkt, von zuvor 810 auf 470 Prozent.
Auswirkungen auf Mieterhaushalte
Nicht nur Eigentümer spüren die finanziellen Folgen der Reform. Auch Mietende sind mittelbar betroffen, da die Grundsteuer in vielen Fällen über die Betriebskosten auf sie umgelegt wird. Eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim zeigt, dass die höheren Steuerlasten innerhalb von drei Jahren meist vollständig an die Mieter weitergegeben werden. Besonders Haushalte mit geringem Einkommen sind dadurch überproportional betroffen. Die Grundsteuer wirkt in der Folge regressiv und verstärkt soziale Ungleichheiten, statt sie zu verringern.
Redaktion finanzen.net
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