Gerresheimer-Aktie aber erholt: Untersuchung zu Konzernabschluss 2024 - Umsatz wohl falsch verbucht

27.10.2025 15:30:00

Der Verdacht gegen den Verpackungsspezialisten Gerresheimer, gegen Rechnungslegungsvorschriften verstoßen zu haben, hat sich teilweise erhärtet.

Nachdem die Finanzaufsicht Bafin im September eine Prüfung problematischer Buchungen im Konzernabschluss 2024 eingeleitet hatte, gab das Düsseldorfer Unternehmen am Samstagabend das Ergebnis einer Untersuchung einer von ihm beauftragten Kanzlei bekannt.

Der Untersuchung zufolge hätte ein Drei-Millionen-Euro-Umsatz wahrscheinlich nicht schon im Geschäftsjahr 2024 verbucht werden dürfen, hieß es von Gerresheimer weiter. Zuvor war die Firma davon ausgegangen, dass alles mit rechten Dingen zugegangen war. 2024 war Gerresheimer nach eigenen Angaben auf einen Konzernumsatz von gut zwei Milliarden Euro gekommen.

Es geht um sogenannte "Bill-and-Hold"-Vereinbarungen, bei denen eine Firma Ware schon in Rechnung stellt, obwohl sie die bislang nicht an den Käufer übergeben hat - etwa weil der Käufer die Ware aus logistischen Gründen erst später haben möchte. Solche Vereinbarungen sind legal und nicht unüblich. Allerdings gelten recht strenge Vorschriften, wann genau eine Firma solche Geschäfte als Umsatz verbuchen darf. Es soll nicht geschehen, dass eine Firma ihre Jahreszahlen mit vorgezogenen Buchungen aufbläht und sich dadurch in besserer Verfassung zeigt, als sie es tatsächlich ist.

Die Bafin sah bei Gerresheimer im September bei einigen Verträgen konkrete Anhaltspunkte, dass der jeweilige Umsatz schon im Geschäftsjahr 2024 erfasst worden sei, obwohl die Verfügungsgewalt nicht an den Kunden übergegangen sei. Dadurch könnte der Umsatz im Konzernabschluss 2024 zu hoch gewesen sein, argwöhnte die Bafin.

Kanzlei soll andere Verträge überprüfen

Gerresheimer gab nun bekannt, dass man im Geschäftsjahr 2024 "Bill-and-Hold"-Vereinbarungen über insgesamt 28 Millionen Euro verbucht habe. Die externe Anwaltskanzlei, die den Drei-Millionen-Vertrag unter die Lupe genommen hatte, soll sich nun die Buchungen der Verträge für die verbliebenen 25 Millionen Euro anschauen. Das Unternehmen betonte erneut, dass es mit der Bafin vollumfänglich kooperiere, "um eine vollständige und transparente Klärung zu erreichen".

Der einstige Bierflaschen-Hersteller mit einer längst geschlossenen Glashütte im Düsseldorfer Stadtteil Gerresheim hat sich auf Medizinprodukte spezialisiert. Die Verpackungen aus Glas und Kunststoff werden für Hustensäfte, Augentropfen, Nasensprays, Asthmainhalatoren, Impfstoffe, Kosmetika sowie als Insulin-Pens benutzt. Große Werke sind in Bünde in Ostwestfalen und in Pfreimd in der Oberpfalz. Der Verwaltungssitz ist am Düsseldorfer Flughafen, insgesamt hat Gerresheimer 13.600 Mitarbeitende.

Gerresheimer-Anleger erleichtert von bezifferter Falschbuchung

Im Fall der Bafin-Prüfungen zeigt sich am Montag bei den Anlegern von Gerresheimer Erleichterung über das näher bezifferte Ausmaß. Nach einigen Schwankungen, die es im Laufe des Morgens gab, schaffte es der Kurs des Verpackungsherstellers am späten Mittag via XETRA mit 3,58 Prozent ins Plus auf 30,08 Euro. Das Tageshoch hatte erstmals seit dem 10. Oktober wieder knapp über der 30-Euro-Marke gelegen. Damit verfestigt es sich, dass die Aktien zuletzt bei gut 26 Euro ihren Boden erreicht haben könnten.

Von Gerresheimer hieß es: "Aufgrund dieser Erkenntnis hat die Gesellschaft entschieden, auch für die weiteren Bill-and-Hold-Vereinbarungen aus dem Geschäftsjahr 2024 die jeweils zugrundeliegenden Sachverhalte durch die beauftragte Rechtsanwaltskanzlei vollständig aufarbeiten zu lassen."

Vor der Bekanntgabe der Prüfungen waren die Aktien im September - nach bereits längerer Talfahrt - noch klar über 40 Euro gehandelt worden. Der Abwärtstrend verschärfte sich dann aber, auch wegen nach einer abermaligen Senkung der Jahres-Geschäftsziele durch das Unternehmen. Aktuell notierten die Papiere noch mehr als 30 Prozent unter ihrem Niveau vor dem Bekanntwerden des Bafin-Falls.

"Obwohl das Problem an sich beherrschbar erscheint, können Bedenken hinsichtlich der Unternehmensführung und die eingeschränkte Transparenz die Stimmung weiter belasten", schrieb Harald Hof vom Analysehaus MWB. Ein Händler wies aber darauf hin, dass der Sachverhalt mit dem nun bekannt gegebenen Ausmaß wohl eingepreist sei. Die finanziellen Auswirkungen wirkten unerheblich, ergänzte der Börsianer. 2024 war Gerresheimer nach Unternehmensangaben auf einen Konzernumsatz von gut zwei Milliarden Euro gekommen.

Mit Blick auf die jüngste Kursentwicklung hätten die Anleger offensichtlich Schlimmeres befürchtet, schrieb auch der Oddo-BHF-Analyst Oliver Metzger anlässlich der Ergebnisse der Bafin-Prüfung. Schlussendlich vertagten sich die Umsätze nur von 2024 auf 2025. Da es aber wirklich positive Neuigkeiten für eine echte Neubewertung brauche, sei es noch zu früh, um wieder einzusteigen. Chancen könnten sich vielleicht für langfristig orientierte Anleger ergeben.

DÜSSELDORF (dpa-AFX)

Bildquelle: Daniel Gebauer / Gerresheimer AG

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