Automatische Steuererklärung: Wie Deutschland von Österreich lernen könnte
Ein alter Zopf, der sich hartnäckig hält
Die jährliche Steuererklärung gehört für viele Berufstätige hierzulande zum ungeliebten Pflichtprogramm. ELSTER, Steuer-Apps, Berater - wer den Überblick behalten will, braucht entweder Geduld oder professionelle Hilfe. Dabei geht es oft um Kleinigkeiten. Bereits erfasste Lohnabrechnungen, Versicherungsdaten oder Pendlerpauschalen, die letztlich zu Rückzahlungen führen.
Was kaum jemand weiß, in Österreich funktioniert das längst deutlich einfacher. Dort kümmert sich das Finanzamt für viele Arbeitnehmer selbst um die Veranlagung. Ohne Antrag, ohne Papierkram. Möglich macht das ein System, das vorhandene Daten automatisch auswertet und die Rückzahlung auf den Weg bringt - ganz ohne, dass jemand aktiv werden muss.
Vorausgefüllt, aber nicht vollendet
Deutschland hat die Voraussetzungen für ein solches System eigentlich schon geschaffen. Seit 2014 gibt es die sogenannte "vorausgefüllte Steuererklärung" - kurz: VaSt. Die ELSTER-Plattform zieht dafür bereits Informationen zusammen, die dem Finanzamt ohnehin vorliegen. Löhne, Krankenversicherungen, Rentenbezüge: Alles landet automatisch im Formular, so steuerverbund.de. Doch am Ende bleibt der Aufwand bei den Bürgerinnen und Bürgern. Die Erklärung muss geprüft, ergänzt, unterschrieben und eingereicht werden. Dabei ist das Potenzial enorm. Laut Statistischem Bundesamt führen rund 90 Prozent der freiwillig abgegebenen Steuererklärungen in Deutschland zu einer Rückerstattung. Trotzdem machen Millionen keine und verschenken damit Geld, das ihnen eigentlich zusteht.
Was Österreich anders macht
In Österreich hat man schon 2017 Konsequenzen gezogen. Wer dort nicht verpflichtet ist zur Abgabe einer Steuererklärung und nur Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erzielt, bekommt automatisch einen Steuerbescheid. Ohne Fristverlängerung, ohne Antrag. Liegen dem Finanzamt alle erforderlichen Daten vor, prüft es automatisch, ob eine Rückzahlung fällig ist. Beträgt die Gutschrift mindestens fünf Euro, erfolgt die Auszahlung laut arbeitskammer.at in der zweiten Jahreshälfte.
Die Sache funktioniert, weil das System auf verlässlichen Datenquellen basiert: Arbeitgeber, Sozialversicherung, Banken - alle liefern digital. Wer keine außergewöhnlichen Belastungen oder Sonderausgaben geltend machen möchte, muss sich um nichts weiter kümmern. Das Finanzamt berücksichtigt die Werbungskostenpauschale, sowie eine Homeoffice-Pauschale basierend auf vom Arbeitgeber gemeldeten Homeoffice-Tagen.
Einfachheit mit Nebenwirkungen
Was zunächst nach einem perfekten Modell klingt, hat auch Grenzen. Wer etwa hohe Werbungskosten oder spezifische Abzüge einbringen will, muss in Österreich weiterhin aktiv eine Steuererklärung abgeben. Das automatische Verfahren berücksichtigt nur die grundlegenden Daten. Diese Einschränkung ist bewusst gewählt, um Missverständnisse und Nachforderungen zu vermeiden und wird auf Behördenportalen offen benannt. Gleichzeitig zeigt der österreichische Ansatz, wie viele Rückzahlungen ohne zusätzliche Angaben möglich sind. Gerade für Geringverdiener oder Menschen, die ihre steuerlichen Möglichkeiten nicht voll ausschöpfen können, bringt das System spürbare Vorteile. Die EU-Kommission nennt das Modell in einem aktuellen Reformbericht ein "Best Practice"-Beispiel für moderne, effiziente Steuerpolitik.
Redaktion finanzen.net
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