Unterhauswahl: Britisches Brodeln

Die Briten wählen am morgigen 7. Mai ein neues Parlament. An den Finanzmärkten gibt man sich zwar bisher betont gelassen. Der Urnengang könnte aber für Unsicherheit und Verwerfungen sorgen.
Werte in diesem Artikel
von Andreas Höß, Euro am Sonntag
Briten sind nicht gerade dafür bekannt, schnell die Nerven zu verlieren. Doch was derzeit an den Finanzmärkten auf der Insel zu beobachten ist, grenzt doch an beängstigende Ruhe: Das Britische Pfund hat seit Jahresbeginn zum Euro ordentlich an Wert gewonnen und ist zum US-Dollar weitgehend stabil, der Leitindex FTSE 100 hält sich wacker nah am Allzeithoch von knapp über 7.000 Punkten. Und das, obwohl in wenigen Tagen in Großbritannien eine Wahl stattfindet, die den politischen und wirtschaftlichen Kurs der Insel nachhaltig verändern und gar zu einem "Brexit" führen könnte - dem EU-Austritt Großbritanniens.
Am 7. Mai wählen die Briten ein neues Parlament. Dann wird in Großbritannien der gleiche politische Trend zu beobachten sein wie in allen europäischen Ländern: Viele Wähler kehren den großen Volksparteien den Rücken und suchen ihr Heil in der politischen Nische. Auf der Rechten ist das in Großbritannien die Unabhängigkeitspartei UKIP von Nigel Farage, der mit Anti-EU-Rhetorik Wähler bei den Konservativen (Tories) abfischt. Auf der Linken könnte die Schottische Nationalpartei SNP der Labour-Partei fast alle schottischen Wahlkreise abjagen. Denn die SNP setzt sich für eine Unabhängigkeit Schottlands vom Vereinigten Königreich ein.
Die politische Gemengelage auf der Insel ist also problematisch. Und obwohl sich klare Trends abzeichnen, ist der Ausgang der Wahl so schwer vorherzusagen wie selten. Das liegt nicht nur an einer Besonderheit des britischen Wahlsystems (siehe unten), sondern auch an den seit Monaten relativ konstanten Umfrageergebnissen. Demnach liegen die Tories des amtierenden Premierministers David Cameron mit rund 275 von 650 Unterhaussitzen gleichauf mit der Labour-Partei von Ed Miliband - wobei keiner auf eine absolute Mehrheit käme.
So steuert Großbritannien auf das zu, was dort als "Hung Parliament" verschrien ist: eine Wahl ohne klaren Sieger. Auf der Insel ist das selten und unbeliebt. 1974 mündete die Konstellation nach monatelangen Koalitionsverhandlungen in Neuwahlen. 2010 wurden sich Camerons Tories und Nick Cleggs Liberaldemokraten zwar einig, doch die Hängepartie sorgte für fallende Aktiennotierungen und Pfundkurse. Dass es diesmal ähnlich sein könnte, legen Zahlen des Datendiensts Bloomberg nahe. Demnach haben sich trotz der demonstrativen Ruhe an Londons Börse mehr Händler gegen Pfundverluste abgesichert als vor dem schottischen Unabhängigkeitsreferendum im September 2014.
Die knappen Umfragen lassen die Briten kräftig über mögliche Konstellationen spekulieren. Eine Große Koalition? Gab es zuletzt im Zweiten Weltkrieg. Minderheitsregierungen? Zu instabil. Neuwahlen? Mal sehen. Ein Bündnis aus Labour und SNP? Rechnerisch denkbar, doch Miliband lehnt das bisher ab, außerdem würde es wohl die Frage nach einem neuen Schottland-Referendum aufwerfen. Eine Neuauflage der amtierenden Koalition aus Konservativen und Liberaldemokraten? Als Königsmacher für Tory oder Labour könnten die LibDems zu schwach sein. Eine Erweiterung der Koalition nach rechts durch die UKIP? Schwierig.
Wer ist wirtschaftsfreundlicher?
Einigen Unternehmern scheint jedoch bereits klar zu sein, wen sie auf keinen Fall als Premierminister wollen: Labour-Chef Ed Miliband. Zumindest sprachen sich mehr als 100 Konzernbosse in einem offenen Brief gegen ihn aus, unter ihnen BP-Chef Robert Dudley. Schließlich will die Arbeiterpartei die Energiepreise deckeln, den Mindestlohn erhöhen, die auf den Weg gebrachte Unternehmensteuersenkung kassieren und die Abgaben für Banken anheben.Auch im Londoner Finanzdistrikt halten viele den konservativen Cameron für die bessere Wahl. Die Labour-Pläne seien schlecht für Aktien von Banken und Versorgern, heißt es in Analystenkommentaren. Außerdem könne der von Miliband angepeilte langsamere Abbau der hohen Neuverschuldung den Wert des Pfund und britischer Staatsanleihen drücken. Den Tories traut man mehr Wirtschaftskompetenz zu - was auch daran liegt, dass Labour das Pech hatte, beim Ausbruch der Finanzkrise an der Macht zu sein. Unter der seit 2010 amtierenden Koalition aus Tories und LibDems erholte sich die britische Wirtschaft, getragen von einem auf Pump finanzierten Immobilienboom, hingegen und erreichte 2014 sogar die höchsten Wachstumsraten unter den wichtigsten Industrienationen der Welt.
Besorgte Blicke aus Europa
Aus dem Rest Europas blickt man allerdings etwas irritiert über den Ärmelkanal. Denn ein Thema findet im Wahlkampf kaum statt: die EU-Debatte. Anfang 2013 hatte Cameron wegen des starken Zulaufs für die europakritische UKIP angekündigt, im Falle seiner Wiederwahl die Beziehungen zur EU neu zu verhandeln und die Briten bis Ende 2017 über einen Austritt votieren zu lassen.Sollte er gewählt werden und sollten die Briten den Brexit wollen, hätte das nicht nur für die EU schwere Folgen. Europa ist der wichtigste britische Handelspartner, in London sind viele Konzerne gelistet, die ihren Firmensitz auf dem Kontinent haben. Den britischen Banken und Unternehmen würde es schon aus rechtlichen Gründen schwerer fallen, Produkte und Dienstleistungen in der EU oder in Ländern mit EU-Handelsabkommen zu verkaufen. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung warnt, ein EU-Austritt koste die Briten bis zum Jahr 2030 im schlimmsten Fall 300 Milliarden Euro Wirtschaftsleistung.
Für einige Analysten sind das jedoch Probleme von morgen, die gar nicht unbedingt auftreten müssen. Ganz egal wer in London regiere: Die britische Wirtschaft werde weiter wachsen, heißt es in einem Papier der Citigroup. Der FTSE 100 könne deshalb bis Ende 2016 um 25 Prozent auf 8.700 Punkte steigen. Andere sind skeptischer. Die geringen Schwankungen des Pfund und britischer Aktien ließen darauf schließen, "dass an den Märkten erst dann Sorgen aufkommen, wenn klar wird, dass es etwas gibt, um das man sich tatsächlich sorgen muss", so Peter Dixon von der Commerzbank. "Andererseits ist es auch möglich, dass die Märkte viele Folgen nicht in vollem Umfang erfassen."
So funktioniert das britische Wahlsystem In Großbritannien wurde im Jahr 1885 das sogenannte Mehrheitswahlrecht eingeführt, das bis heute gilt. Das Prinzip: Großbritannien ist in 650 Wahlkreise unterteilt. Der Kandidat mit den meisten Stimmen in einem Wahlkreis erhält einen der 650 Sitze im Unterhaus (House of Commons), wo die Partei mit den meisten Sitzen mit der Regierungsbildung beauftragt wird. Stabile Regierungen brauchen mindestens 326 Sitze. Das ist leicht verständlich, macht aber genaue Prognosen schwierig: Die Zahl der Stimmen für eine Partei lässt sich nicht einfach in die Zahl der Parlamentssitze übersetzen. Denn die Wahlkreise sind unterschiedlich groß, außerdem reicht dort eine einfache Mehrheit für einen Parlamentssitz, weshalb kleine Stimmverschiebungen große Auswirkungen haben können. So kamen die Konservativen im Jahr 2010 auf 36 Prozent der Stimmen, ergatterten aber 47 Prozent der Sitze, weil sie viele Wahlkreise knapp gewannen. Die Liberaldemokraten eroberten hingegen bei 23 Prozent der Stimmen neun Prozent der Sitze.
Investor-Info
Wahlprognosen
Keine klare Mehrheit
Jüngste Umfragen lassen erwarten, dass bei den Wahlen keine Partei eine klare Mehrheit (326 von 650 Sitzen) bekommt. Tory und Labour sind etwa gleichauf. Für eine Neuauflage der Koalition Tory/LibDem fehlen einige Sitze, für Labour/LibDem auch. Rechnerisch möglich: Labour/SNP. Nicht
ganz reichen würde es für Tory/LibDem/UKIP.
Britische Börsenkonzerne
Hohe Umsatzanteile in Europa
Europa ist der wichtigste Handelspartner der Briten, gut die Hälfte der Exporte gehen in die EU. Selbst bei den noch globaler ausgerichteten britischen Börsenkonzernen machen die Umsätze in Europa mit 20 Prozent ähnlich viel aus wie jene in den USA.
Investments
Unsicherheiten dominieren
Im Umfeld der Wahl 2010 gaben britische Aktien rund zehn Prozent nach. Sollte es erneut zu einer Hängepartie kommen, könnte der Londoner Börse wieder eine Korrektur bevorstehen. Für Langfristanleger kann das eine Chance sein, günstig Aktien von der Insel zu kaufen. Dazu bietet sich ein Fonds von Invesco an, der stark in Rohstoffaktien (BP, Shell, Rio Tinto), Finanzwerte (HSBC) und Telekomaktien (BT, Vodafone) investiert. Wegen der Unsicherheit durch Wahl und Brexit-Szenarien sowie des wieder schwächeren Wirtschaftswachstums sehen viele Analysten bei Aktien aus dem Rest Europas aber größere Chancen.
Beim Pfund erwartet die Mehrheit der Devisenexperten im Umfeld der Wahl und auch mittelfristig einen Wertverfall, von dem ein Zertifikat Long EUR Short GBP (ISIN: JE 00B 3Y3 SZ6 4) profitieren würde. Allerdings gibt es auch gegensätzliche Meinungen, weil in Großbritannien eine Zinsanhebung ansteht und die Entwicklung des Euro derzeit schwer zu prognostizieren ist.
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Bildquellen: Samot / Shutterstock.com, Chris Loneragan / Shutterstock.com
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08.07.2025 | Shell (ex Royal Dutch Shell) Buy | Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG (Berenberg Bank) | |
08.07.2025 | Shell (ex Royal Dutch Shell) Buy | Jefferies & Company Inc. | |
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08.07.2025 | Shell (ex Royal Dutch Shell) Buy | Jefferies & Company Inc. | |
07.07.2025 | Shell (ex Royal Dutch Shell) Buy | UBS AG |
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01.11.2024 | Shell (ex Royal Dutch Shell) Neutral | UBS AG | |
31.10.2024 | Shell (ex Royal Dutch Shell) Neutral | UBS AG | |
08.10.2024 | Shell (ex Royal Dutch Shell) Neutral | UBS AG | |
05.07.2024 | Shell (ex Royal Dutch Shell) Neutral | UBS AG |
Datum | Rating | Analyst | |
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26.08.2020 | Shell (Royal Dutch Shell) (A) Underweight | Barclays Capital | |
29.11.2017 | Shell B Sell | Citigroup Corp. | |
29.11.2017 | Shell (Royal Dutch Shell) (A) Sell | Citigroup Corp. | |
29.11.2017 | Shell B Sell | Citigroup Corp. | |
30.01.2015 | Royal Dutch Shell Grou b Sell | S&P Capital IQ |
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