Konkurrenz überflutet

Rohöl: Heißer Kampf ums Öl

04.06.15 16:00 Uhr

Rohöl: Heißer Kampf ums Öl | finanzen.net

Die OPEC-Staaten fördern Öl bis zum Anschlag. Beim Treffen in Wien werden sie am morgigen Freitag auch keine Drosselung beschließen. Eine Garantie für dauerhaft billigen Schmierstoff ist das jedoch nicht

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von Oliver Ristau, €uro am Sonntag

Am Grenzfluss zwischen Kolumbien und Venezuela ist immer was los - Boote setzen über den breiten Orinoco und schmuggeln venezolanisches Benzin herüber. Wegen staatlicher Subventionen ist Sprit in Venezuela viel billiger, und der Rohstoff ist dort reichlich vorhanden. Den Volkswirten von BP zufolge schlummern in keinem Land mehr Ölreserven im Boden als in Venezuela, noch nicht mal in Saudi-Arabien. Der Ölpreis ist jedoch abgestürzt. Ein Barrel (Fass à 159 Liter) der US-Sorte WTI kostete Mitte 2014 fast 110 Dollar, aktuell sind es rund 58. Bei der Nordseesorte Brent ist es ähnlich.

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Venezuela ist abhängig vom Öl, der Preiseinbruch reißt ein Loch in den Haushalt. Beim OPEC-Treffen am 5. Juni in Wien wird Venezuelas Präsident Nicolas Maduro darum die Mitglieder des Kartells erneut auffordern, die Förderquoten zu senken. Das knappere Angebot soll den Preis treiben. Er wird wohl auf Granit beißen.

Saudi-Arabien, der weltgrößte Ölförderer, und andere Golfstaaten denken nicht daran, ihr Verhalten zu ändern. Sie wollen so die neue Konkurrenz aus den USA in die Enge treiben. Die Vereinigten Staaten fördern seit zwei Jahren annähernd so viel Öl wie die Saudis - mit Fracking, der Erschließung von Schieferölvorkommen durch Sprengung von Gesteinsschichten. Die USA wurden vom weltgrößten Öl­importeur zum Selbstversorger. Allerdings sind die Kosten für Fracking hoch: 50 bis 70 Dollar im Vergleich zu 20 bis 30 Dollar für arabisches Öl. Als ein Barrel über 100 Dollar kostete, war das egal. Bisher haben indes auch Preise für US-Öl der Sorte WTI zwischen 45 und 60 Dollar wie im Frühjahr die Ölindustrie dort nicht in die Knie gezwungen.

Die Lager in den USA waren Mitte Mai laut US-Energiebehörde EIA so üppig gefüllt wie "seit 80 Jahren nicht mehr zu diesem Zeitpunkt im Jahr". Das könnte aber eine Momentaufnahme bleiben, denn seit Mo­naten sinkt die Zahl der Bohr­löcher. "Die US-Ölproduktion hat sich gedreht, die Förderung ist in zentralen Bundesstaaten wie Texas und Nord-Dakota rückläufig", sagt Analyst Norbert Rücker von Julius Bär.

Aus für Fracking-Firmen

In Kanada, das die Schieferölförderung ebenfalls deutlich ausgebaut hat, sei die Zahl der Firmenpleiten auf den höchsten Stand seit der Finanzkrise gesprungen, meldet die kanadische Finanzgruppe CIBC. Das betreffe vor allem die Ölbranche. "Die Schäden, die der niedrige Ölpreis verursacht, manifestieren sich", sagt CIBC-Chefvolkswirt Benjamin Tal. Diese Vorkommen sind mit den Pleiten erst mal raus aus dem Markt. Bis neue Investoren dort wieder einsteigen, müssten die Preise wohl wieder deutlich anziehen.

Doch die meisten Beobachter sehen keine Engpässe. Goldman Sachs etwa prognostiziert, dass der WTI-Preis wieder auf 45 Dollar abrutschen wird. Der Markt bleibe überversorgt, so die Begründung der Bank, die selbst zu den größten Spekulanten am Ölmarkt zählt und noch vor wenigen Jahren einen Ölpreis von 200 Dollar am Horizont sah. Andere Häuser wie die Commerzbank und die LBBW rechnen in den nächsten Monaten mit einer Spanne von 60 bis 70 Dollar.

"Die Welt schwimmt im Öl", sagt Analyst Rücker mit Verweis auf hohe Schieferöl­reserven. "Auf längere Sicht gibt es für Preise von über 80 Dollar keinen Grund." Dass mancher Experte gar ausschließt, dass der Preis je wieder über 100 Dollar steigt, lässt LBBW-Analyst Achim Wittmann aufhorchen. "Im Moment sieht es nicht danach aus. Aber vor einigen Jahren hat auch niemand gesagt, dass Öl jemals wieder unter die 100-Dollar-Marke fallen wird."

Vor allem ausbleibende Investitionen sind ein Grund, skeptisch zu sein, was langfristig ­billiges Öl betrifft. Wegen gesunkener Erlöse kürzt die Branche weltweit Ausgaben für Bohrvorhaben. Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt den Einbruch 2015 auf 100 Milliarden Dollar oder 20 Prozent gegenüber 2014. Sie spricht vom größten Rückgang aller Zeiten. "Wegen der fehlenden Investitionen werden wir in zwei bis drei Jahren wieder deutlich höhere Preise sehen", sagt Wittmann.

Globaler Öldurst steigt

Für die OPEC gibt es neben der US-Konkurrenz noch einen anderen Grund, warum sie die Förderung nicht kürzen will: die hohe Nachfrage. Billiges Öl ist zum Konjunkturmotor in Euro- ­pa und Asien geworden, weil es die Kosten in der gesamten Wirtschaft sinken und die Konsumlaune steigen lässt. Das wiederum treibt den Ölbedarf an.

Dazu kommt, dass der Öldurst der Großverbraucher Indien und China laut IEA weiter zulegt. Trotz konjunktureller Ein­trübung in China wuchsen die Ölimporte im ersten Quartal so stark wie lange nicht. Für April und Mai gab es Meldungen, wonach Saudi-Arabien chinesischen Anfragen für eine Ausweitung der Öllieferungen eine Absage erteilt habe. Man brauche die Vorräte für die eigenen Raffinerien. Insgesamt sieht die IEA den globalen Verbrauch 2015 auf dem historischen Höchststand von 93,6 Millionen Fass pro Tag, 1,1 Millionen mehr als 2014.

Dann sind da noch die politischen Risiken - Öl stammt vor allem aus Krisenregionen. In die Auseinandersetzungen in Nahost mit der ISIS-Miliz sind Saudi-Arabien, Iran und Irak involviert, die ein Fünftel der Weltversorgung stellen. Natürlich könnte der Iran nach Ende des Atomstreits und Aufhebung der Sanktionen mehr Öl fördern. Zugleich könnte sich die Situation in angeschlagenen Ländern wie Russland und Venezuela, deren Budget an höheren Ölpreisen hängt, aber durch fehlende Investitionen so zuspitzen, dass die Produktion dort einknickt.

"Die Eskalation politischer Konflikte wäre einer der wenigen Gründe, der die Ölpreise wieder in die Richtung von 100 Dollar treiben könnte", sagt auch Julius-Bär-Analyst Rücker. Kurzfristig droht das zwar nicht. Doch die Prognosen von dauerhaft billigem Öl sollten mit Vorsicht genossen werden.

Investor-Info

Brent-Öl
Auf steigende Preise wetten
Wer langfristig steigende Ölpreise erwartet, fährt mit einem ETC auf die Nordseesorte Brent am besten. Im Vergleich zu US-WTI- Öl ist Brent weniger abhängig vom Schie­feröl­angebot, sondern orientiert sich mehr am OPEC-Öl. Von ETF Securities gibt es den ETC Brent (ISIN: DE000A0KRKM5), der sich parallel zum Basiswert entwickelt. Da Öl in Dollar ­notiert, sollten Anleger den Einfluss des Wechselkurses beachten.

ENI
Italienischer Meister
Die Eni-Gruppe aus Italien zählt zu den größten europäischen Öl- und Gaskonzernen und fördert Öl weltweit. Der Konzern ist groß und solide genug, um auch mittelfristig mit niedrigen Preisen klarzukommen. Das zeigt das erste Quartal, in dem der Gewinn zurückging, die Firma aber klar profitabel blieb. Dabei hilft das Raffinerie- und Tankstellengeschäft, bei dem die Margen deutlich gestiegen sind. Anleger sollten sich der Probleme mit der Quellensteuer bewusst sein.

Anadarko Petroleum
Unabhängig und attraktiv
Als eines der größten unabhängigen Öl- und Gasexplorationsunternehmen der Welt frackt Anadarko Petroleum nicht nur in den USA, sondern ist auch in vielen anderen Regionen in der Erschließung konventioneller Ölvorräte aktiv. Das Portfolio des US-Unternehmens ist damit nicht nur groß genug, um auch fortgesetzte Zeiten des billigen Öls durchstehen zu können - es macht auch attraktiv für ­etwaige Übernahmeinteressenten.
ISIN: US0325111070
In eigener Sache

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Bildquellen: nostal6ie / Shutterstock.com, chungking / Shutterstock.com

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